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Neues Wiesbadener Haushalts-Bündnis verspricht „ökologischen, sozialen, digitalen Aufbruch für die Stadt“

Gute Laune und große Aufgaben. Die Fraktionsvorsitzenden (v.l.n.r.) Janine Vinha (Volt); Christiane Hinninger (Bündnis 90 / Die Grünen) ; Dr. Hendrik Schmehl (SPD); Ingo von Seemen (Linke) bei der Vorstellung ihres Haushaltvorschlags im Wiesbadener Rathaus. Foto: Sascha Kolhey

Von Dirk Fellinghauer. Foto Sascha Kolhey.

Zwei Tage bevor das neue Ampel-Regierungsbündnis im Bund heute seinen Koalitionsvertrag in Berlin präsentierte, richteten sich die an Wiesbaden-Politik interessierten Augen auf das hiesige Rathaus. Dort präsentierten am Montagvormittag Grüne, SPD, LINKE und Volt ihren  gemeinsamen Haushaltsplan 2022/23. (Noch) keine Koalition ist das, aber das maßgebliche Bündnis für das, was in Wiesbaden in den kommenden Jahren mit städtischen Geldern geschehen, finanziert und gestaltet werden soll – oder eben auch, was ausdrücklich nicht.

Ausdrücklich nicht mehr zum Beispiel – das ist eine Überraschung und für manche ein Aufreger – soll der „Ball des Sports“ von der Stadt mitfinanziert werden (bislang 400.000 Euro). Stattdessen soll ein neues „Sportfest Wiesbadener Vereine“ etabliert und mit 50.000 Euro jährlich finanziert werden.

Mit dem, auf das sie sich geeinigt haben, versprechen die Stadtfraktionen von Bündnis90/Die Grünen, SPD, LINKE und Volt einen „ökologischen, sozialen und digitalen Aufbruch für die Stadt“.  Aktiver Klimaschutz (30 Millionen Euro Investitionen, davon 20 Millionen in einen ämter- und dezernatsübergreifenden Fond), der Zusammenhalt der Stadtgesellschaft, die Stärkung des sozialen Netzes, die Digitalisierung der Verwaltung und eine moderne Wirtschaftsförderung gehören zu den „gemeinsamen Botschaften“. Gemeinsame Vorhaben betrifft auch die (Um)gestaltung und/oder Aufhübschung diverser Plätze der Stadt (1,2 Mio. Quartiersplätze, 1,25 Mio. Kranzplatz, 1,2 Mio. Elsässer Platz (Foto), je 0,5 Mio. Sedanplatz und Bülowplatz, 3 Mio. Umfeld Schlossplatz, 3,8 Mio. Bäche ans Licht). 5 Millionen Euro sind für Spielplätze reserviert, darunter einen neuen Wasserspielplatz Reisinger Anlagen).

Klimaschutz als zentraler Leitgedanke

Klimaschutz müsse „zum zentralen Leitgedanken der gesamten Stadtverwaltung werden“, formuliert das Quartett. Für eine bezahlbare Mobilität von Kindern und Jugendlichen soll das Ticket für SchülerInnen ab 2023 nur noch 15 Euro pro Monat kosten und damit rund die Hälfte des bisherigen monatlichen Preises. Die freien Kulturinitiativen bekommen Planungssicherheit für 4 Jahre – und damit laut Grünen-Fraktionsvorsitzender Christiane Hinninger „weit über den Horizont eines Doppelhaushaltes hinaus eine langfristige Perspektive“.

Einstieg in aktive Bodenpolitik

SPD-Fraktionsvorsitzender Hendrik Schmehl betont die „Verbesserung im Bereich Wohnen für die Wiesbadener*innen“. Dazu gehöre der Einstieg in die aktive Bodenpolitik mit einer Stabsstelle und einem Etat von 15 Millionen Euro zum Ankauf von Grundstücken für unterschiedlichste Nutzungen und Bodenbevorratung, sowie die Förderung des Sozialwohnungsbaus durch Dritte. Die Erhöhung der Zuschüsse für Jugendorganisationen und von Vereinen,  des in Schulen und die Aufwertung der Innenstadt, ein umfangreiches Kita-Paket werden als weitere wichtige Säulen des Haushaltsplans herausgestellt.

Gratis in Schwimmbäder und Bibliothek

Mittel für mehr Sozialarbeiter:innen , freien Eintritt für Kinder und Jugendliche in fast alle städtischen Schwimmbäder und Kostenfreiheit der Stadtbibliothek (Foto) sind Highlights für Ingo von Seemen, Fraktionsvorsitzender der Linken. Auch die Politik- und Rathaus-Neulinge von VOLT haben ihre Steckenpferde im Haushaltsplan. „Zur stärkeren Digitalisierung unserer Stadt gehört beispielsweise ein digitaler Topf mit etwa 17 Millionen Euro für digitale Maßnahmen sowie ein Gesamtkonzept in diesem Bereich“, freut sich , so VOLT-Fraktionsvorsitzende Janine Maria Vinha, ebenso über den „Aufbau eines Startup-Hubs mit Fokus auf soziale Innovation und Nachhaltigkeit.“

Gegenseite gar nicht begeistert

Naturgemäß ist die nun Quasi-Opposition von den Vorhaben ganz und  gar nicht so begeistert wie die „Koalition in Gründung“, wie das Vierer-Bündnis in der letzten Stadtverordnetenversammlung gleich mehrmals von FDP-Stadtverordneten genannt wurde. Die CDU verschickte ihr Contra-Pressemitteilung noch vor den Mehrheits-Bündnis-Partnern, die konservativen Ausführungen – überschrieben mit „Stabil und ideologiefrei? Nur mit der CDU!“ – fielen zudem deutlich umfangreicher aus.

„Neue Stellen zum Bäume pflanzen“

Daniela Georgi, CDU. Foto: Tobias Koch.

„Was vorhersehbar war, hat sich bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs von SPD, Grünen, VOLT und Linken nun bestätigt: Es geht weniger um die Belange der Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger in der Breite, sondern um Klientelpolitik, die vor allem ökonomische Nachhaltigkeitsaspekte vermissen lässt“, ereifern sich die Christdemokraten. „Es wäre sinnvoll, sich nicht nur um ökologische und soziale Projekte kümmern zu wollen, sondern auch diejenigen zu berücksichtigen, die mit ihrer Leistung dafür sorgen, dass diese Sozialleistungen überhaupt bezahlt werden können“, stänkert Daniela Georgi, die Vorsitzende der CDU Rathausfraktion. In Sachen Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit sei es ehrlicher, „den Verwaltungsapparat nur mit wirklich dringend notwendigen Stellen noch weiter aufzublähen.“ Angedacht sind 127 neue städtische Stellen. Sie moniert: „Sozialarbeit und Grünflächenamt, also Stellenaufstockung zum Baumpflanzen, Verdopplung der Mittel für den Flüchtlingsrat – solche Projekte haben sicher ihre Berechtigung. Allerdings sollten wir in der der größten Gesundheits- und Wirtschaftskrise aller Zeiten auch darauf achten, Industrie, Handwerk, Mittelstand und Gewerbetreibende zu entlasten.“ Das gleiche gelte für Familien, „und zwar für alle Familien. Nicht nur für diejenigen, die Transferleistungen empfangen. Dieser Fokus ist auffallend“, so Georgi weiter.

Dr. Reinhard Völker, der wirtschaftspolitische Sprecher und parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Rathausfraktion, stören die Schwerpunkte, die beim Thema „Gründerhauptstadt“ gesetzt werden: „Begünstigt und unterstützt werden sollen explizit soziale und ökologisch ausgerichtete Startups. Mit dieser Verengung werden viele gewinnorientierte Unternehmerinnen und Unternehmer von Anfang an ausgeschlossen.“

Gebühr für Anwohnerparken verzehnfacht

Der finanzpolitische CDU-Sprecher Manuel Köhler rechnet vor: „Zwar ist es begrüßenswert, dass sich die Haushalts-Koalition um RRGV stellenweise Gedanken um eine Refinanzierung ihrer Prestigeprojekte macht. Jedoch ist die Verzehnfachung der Gebühren für den Anwohnerparkausweis von derzeit 12 auf dann 120 € jährlich einerseits ungeeignet und nicht ausreichend, um die Kosten für das 365 €-Schüler-Ticket auf bis zu 10 € monatlich zu reduzieren.“ Es sei andererseits auch ungerecht denjenigen gegenüber, „die auf ihr KfZ angewiesen sind, um die Steuern zu erwirtschaften, mit denen solche sozialen Prestigeprojekte finanziert werden sollen.“

CDU will mehr Polizei

CDU-Fraktionschefin Daniela Georgi kündigte an: „Die Eckpfeiler unseres Haushalts sind stabil und ideologiebefreit“. Sie nannte als Beispiele die Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes, „um den Unternehmen, der Gastronomie und dem Handel erstmal wieder auf die Beine zu helfen“, im Kulturbereich, der stark gelitten habe, wolle die CDU mehr zusetzen als vom Kämmerer vorgesehen. Weitere wichtige Eckpfeiler des CDU-Haushalts seien der Bau eines vierzügigen Gymnasiums in Mainz-Kastel, ein Soforthilfeprogramm für Sporthallen, die Weiterentwicklung von Wikita, weitere Einsatzleitfahrzeuge für die Stadtpolizei sowie eine deren Verstärkung insgesamt und ein spürbarer Ausbau von Park-and-Ride Parkplätzen.

In dieser Woche werden die Haushaltsentwürfe von den Wiesbadener Stadtpolitiker:innen intensiv diskutiert, in der letzten Stadtverordnetensitzung des Jahres am 16. Dezember soll der Haushalt verabschiedet werden.