Direkt zum Inhalt wechseln
|

Politisch ernsthaft, partymäßig ausschweifend: Beim goEast-Festival trifft Anspruch auf Aufgelassenheit – Auftakt am Mittwoch

THE_EMBASSY

Männerfressende Meerjungfrauen, paranoide Hypochonder und Waffennarren, unangepasste Skaterinnen oder auch Hitler und seine Gefolgschaft als skurille Figuren („The Embassy“ von Julius Machulski, Szenenfoto) gehören zu den Charakteren, mit denen Wiesbaden in den nächsten Tagen Bekanntschaft machen darf. Bei seiner 16. Ausgabe rückt  das goEast-Festival des mittel- und osteuropäischen Films vom 20. bis 26. April zudem zentrale gesellschaftspolitische Fragen in den Fokus. Zu sehen von früh bis spät die mit wachem und kritischem Blick ausgewählten besten aktuellen Filmproduktionen aus Mittel- und Osteuropa, insgesamt mehr als 100 Filme aus 25 Ländern. goEast bedeutet aber wie immer mehr als einfach Filme gucken. Es bedeutet Austausch, Diskussion, Begegnung – und Feiern. An diesem Mittwoch geht es los in der Filmbühne Caligari, im Festivalzentrum in der Casino-Gesellschaft und an weiteren Orten. goEast ist ein Festival, das alle Jahre wieder im Frühling weit über die Leinwand hinaus eine ganz besondere Atmosphäre in unsere Stadt zaubert.

Lasst euch diese Gelegenheit nicht entgehen, (überwiegend) Filme anzuschauen, die ihr sonst nirgends zu sehen bekommt, Partys zu feiern, die ihr sonst niemals feiern würdet, und Menschen zu treffen, denen ihr sonst niemals begegnen würdet.

Berlinale-Bären-Gewinner „Tod in Sarajevo“ zum Auftakt

Den Auftakt zur Festivalwoche macht – nachdem Festivalleiterin Gaby Babic gemeinsam mit Claudia Dillmann, Leiterin des veranstaltenden Deutschen Filminstituts, die geladenen Gäste bei der feierlichen Eröffnung begrüßt haben – am Mittwoch, 20. April, um 21.30 Uhr in der Caligari FilmBühne „Tod in Sarajevo“. Für seinen neuesten Film wurde Oscar-Preisträger Danis Tanovic bei der diesjährigen Berlinale mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet. Der Film, der leichthändig, mit pointierten Dialogen und einem ausgeprägtem Gespür für groteske Momente die bosnische Gegenwart in den Mikrokosmos Hotel überträgt, wird in Anwesenheit der Hauptdarstellerin Snežana Vidovic und des Koproduzenten Adis Djapo gezeigt.

goEast_DJJaneckAltshuler

Auch in diesem Jahr hat sich das Festival viele auch sozial spannende Themen auf die Agenda geschrieben. Einen Ausblick darauf lieferte Festivalleiterin Gaby Babic auf der Pressekonferenz: „Von packenden Thrillern über schrille Musicals bis zu Kunst-Kino-Stücken ist alles im Programm. Generationenkonflikte fallen als wiederkehrendes Motiv auf. Auch haben wir uns das Thema gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auf die Fahnen geschrieben, das so genannte Othering.“ Ernsthaftes auf Leinwand und in Gesprächen und Diskussionen schließt beim goEast äußerst ausschweifendes Feiern nicht aus – sei es bei den „geplanten“ Partys im Kulturpalast und im Schlachthof oder bei den spontanen langen Nächten im Festivalzentrum.

Vorsitzender der internationalen Jury, die über die Preise beim Wettbewerb für Spiel- und Dokumentarfilme in Höhe von über 20.000 Euro entscheidet, ist der slowenische Regisseur und Kameramann  Karpo Godina, einer der wichtigsten Vertreter der jugoslawischen Schwarzen Welle. Zu seinen Jurykollegen gehört unter anderem Berlinale-Shootingstar Tihana Lazovic. Die 1990 geborene kroatische Schauspielerin, die auch regelmäßig im Theater auftritt und Sängerin der Jazzband „One, Two Trio and Tihana Lazovic“ ist, wird, natürlich, ebenso persönlich zum Festival anreisen wie zahlreiche weitere internationale Gäste. Zur Eröffnung am Mittwoch wird auch der diesjährige Schirmherr, der früherer Kulturstaatsminister Bernd Neumann, erwartet: „Seit Jahren verfolge ich mit großem Interesse die Aktivitäten des goEast Filmfestivals. In kürzester Zeit hat es sich auf dem Gebiet des Films zu einer wichtigen Plattform für echten Kulturdialog zwischen Ost und West entwickelt und zeigt damit beispielhaft, über welches politische Potenzial die Film- und Festivalkultur verfügt“, lobte er schon im Vorfeld.

Ein Festival aller Generationen

goEast bringt nicht nur Menschen aus unterschiedlichsten Ländern, sondern auch aller Generationen zusammen. Veteranen treffen auf den Nachwuchs, der beim Festival in besonderen Projekten beachtet und gefördert wird. Symposien, Diskussionen, Workshops und abendliche Filmgespräche schaffen eine einzigartige Atmosphäre. Dabei geht es selten um Blabla, sondern gerne zur Sache. Bei Themen wie „Wir und sie? Vom Anderssein und Andersmachen“ sind auch in diesem Jahr leidenschaftliche Diskussionen vorprogrammiert. Leider bemerkenswert ist, dass Menschen unterschiedlicher Herkünfte und Ansichten beim goEast-Festival überhaupt miteinander ins Gespräch kommen – schließlich entwickeln sich die Dinge derzeit auch in vielen „goEast“-Ländern so bedenklich, dass genau dieses ganz und gar nicht mehr selbstverständlich ist.

goEast gibt Künstlern Podium, das sie in ihren Heimatländern nicht mehr haben

goEast_Pressekonferenz

Bei der goEast-Pressekonferenz betonte Dr. Helmut Müller, Geschäftsführer des Festivalförderers Kulturfonds Frankfurt RheinMain, die politische Bedeutung von Kultur: „Das Wissen allein über Politik reicht nicht. Der Film bringt uns den Schlüssel zum Verstehen von Politik“, sagte er und meinte mit Blick auf den Stellenwert von goEast als Ort politischer und gesellschaftlicher Diskussionen: „Es ist wichtig, Künstlern ein Podium zu geben, das sie in ihren Heimatländern nicht mehr haben – wie derzeit zum Beispiel in Polen.“

I_served_the_king_of_England_8_Liza__Julia_Jentsch_

An heftige Diskussionen erinnern sich die goEast-Macher auch noch, wenn sie an Jiri Menzel denken. Als er 2003 goEast-Jurypräsident war, schimpfte er, das Festival sei zu politisch. Umso mehr freuen sie sich, dass der 78-jährige tschechische Oscar-Preisträger in diesem Jahr zur Sonntagsmatinée zurückkehrt und am 24. April um 11 Uhr seine Literaturverfilmung „Ich habe den englischen König bedient“ (Szenenfoto mit Julia Jentsch) im Festivalkino Caligari präsentiert.

Das Porträt des diesjährigen Festivals ist Juliusz Machulski gewidmet, der als „Genie des polnischen Kinos“, „Wunderkind der Kriegsrechtsäre“ und „polnischer Spielberg“ angekündigt wird und die subversive Kraft des Humors auf die Leinwand bringt.

Besondere Filmerlebnisse sind beim goEast garantiert – ganz sicher auch beim goEast-Autokino am 23. und 24. April  (jeweils 21 bis 23 Uhr) auf dem Dern´schen Gelände. Die Autos stehen übrigens schon zum Einsteigen und Film genießen bereit.

goEast findet, mit sensor als Medienpartner, vom 20. bis 26. April statt. Das umfangreiche Programm, in das sich ein intensiver Blick lohnt, und alle Informationen auf: www.filmfestival-goeast.de

(Dirk Fellinghauer / Fotos: goEast/Dirk Fellinghauer)