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Polizei lässt Klima-Aktivisten hängen: Protestaktion sorgt ganztägig für Aufsehen zwischen Rathaus und Landtag

Von Dirk Fellinghauer (Text und Fotos).

Ja, ist denn schon wieder Wiesbaden Biennale? Oder wird eine außergewöhnliche Szene für den „Staatsanwalt“ gedreht? Oder macht das BKA eine Einsatzübung? Nichts von alledem! Aktivisten aus Nordhessen sorgten heute fast den ganzen Tag über für Aufsehen in Wiesbaden – neben dem Rathaus, gegenüber vom Hessischen Landtag, inmitten der Bannmeile, in der Demonstrationsverbot herrscht. Eigentlich …

Gegen 11.30 Uhr begann die Aktion, die nicht angemeldet und damit auch nicht genehmigt war. Etwa ein Dutzend Akteure wurden der Aktion zugerechnet, vier von ihnen waren vermummt und verbrachten mehrere Stunden hängend und baumelnd an und auf einem Fahnenmast, einer Straßenlaterne und selbst mitgebrachten, etwa vier Meter hohen Dreibeinen. Andere informierten und diskutierten, offen und ohne Vermummung, an einem Infostand über die Hintergründe und Anliegen. Hauptbotschaft: „Der Acker bleibt“.

Konkret geht es um 80 Hektar Ackerland im nordhessischen Neu-Eichenberg und den Widerstand eines dort geplanten Baus eines neuen Logistikgebietes und damit gegen Flächenversiegelung. Die Ackerfläche gehöre derzeit noch dem Land Hessen, die Klima-Aktivisten „schützen“ es laut verteilten Flugblättern seit dem 4. Mai 2019, indem sie die nach ihren Angaben über 100 Fußballfeldern entsprechende Fläche besetzt halten: „Die Besetzer*innen stellen sich der Versiegelung und Privatisierung in den Weg, bauen Lebensmittel an und bieten Raum für Austausch und gelebte Alternativen.“

Landtags-Grüne im Fokus des Protestes

Ziel des heutigen Protestes waren, während laufender Plenarsitzung, vor allem die Landtags-Grünen, die nach Auffassung der Aktivisten – entgegen der Verlautbarungen im schwarz-grünen Koalitionsvertrag – den klimaschädlichen Flächenverbrauch mittragen würden. „Es gibt keinen grünen Kapitalismus“ stand auf einem quer über die Straße gespannten großen Transparent, von „Worthülsen“ ist auf dem Flugblatt die Rede und: „Die Regierung übernimmt trotz grüner Beteiligung keine Verantwortung für Bodenschutz und Klimagerechtigkeit“. Deshalb leiste man Widerstand „an Orten, wo der Klimawandel gemacht wird“. Neu-Eichenberg stehe „exemplarisch für alle von der Flächenversiegelung bedrohten Orte auf der ganzen Welt“.

Mit ihrer Aktion erregten die Aktivisten reichlich Aufsehen. Viele schauten, vom Platz oder auch vom Rathaus aus oder quasi mit „Logenplatz“ im gegenüberliegenden Cafe, neugierig und auch etwas gespannt zu. Es gab zustimmende, aber auch kritische und spöttische Kommentare für das Geschehen. Einige Landtagsabgeordnete kamen in ihrer Mittagspause dazu und suchten vereinzelt den Austausch mit den Protestlern. Deren Aktionsareal war mit Bändern abgesperrt worden, auch um Passanten zu schützen. Schließlich wurden von der Feuerwehr Sprungkissen unter den vier Vermummten aufgestellt. Es wurden Sorgen geäußert, dass im schlimmsten Fall sogar die offenbar nicht allzu stabilen und massiven Masten, an denen die Protestierenden sich befestigt hatten, umstürzen könnten.

Polizei massiv, aber zurückhaltend präsent

Die Polizei zeigte immer massivere Präsenz mit Personal und Einsatzfahrzeugen, blieb dabei aber zurückhaltend. Mehrmals gab es „Kooperationsgespräche“, in direkter Ansprache und per Lautsprecher-Durchsagen, in denen die vier Vermummten, die zwischendurch immer wieder politische Parolen und Sprechgesänge anstimmten, dazu bewegt werden sollten, ihre Aktion abzubrechen. Diese dachten nicht daran, herunterzukommen. Die Polizei ließ sie schließlich hängen und zog sich bis auf einige wenige Beobachter zurück.

Von allen Akteuren, die der Aktion „am Boden“ zugerechnet wurden, wurden die Personalien aufgenommen und Platzverweise erteilt. Das Demonstrieren in der Bannmeile ist ein Verstoß gegen das Versammlungsrecht und wird als Ordnungswidrigkeit gesehen. Die Vermummung stellt eine Straftat dar. Zwischenzeitlich wurde von der Polizei auch ein Mitarbeiter der Linken-Landtagsfraktion festgehalten, die in größerer Zahl präsent war. Er hatte nach Beobachtung der Polizei Flugblätter der Aktion verteilt, was seine Kollegen bestritten. Nach einem klärend-kritischen, aber sehr ruhig geführten Gespräch zwischen dem Linken-Landesvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Jan Schalauske und dem Einsatzleiter der Polizei konnte dieser wieder unbehelligt seiner Wege gehen. 

Worum es den Aktivisten heute ging und grundsätzlich geht:

http://ackerbleibt.org

http://beton-kann-man-nicht-essen.de

#AckerBleibt