Direkt zum Inhalt wechseln
|

So wohnt Wiesbaden: Museum im eigenen Haus – Günter Herber sammelt alles rund um Turnfeste

Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Arne Landwehr

Dieser Mann bewohnt ein Museum. Und er ist sehr stolz darauf, zu zeigen, was er im Laufe der Jahrzehnte gesammelt hat. Fast kein Quadratmeter seines großzügigen Bungalows in Naurod ist ohne Sammelobjekt. Und es ist etwas sehr Spezielles, das Günter Herber sich zu seiner Sammelleidenschaft auserkoren hat: Deutsche Turnfeste.

Das sind Großveranstaltungen in großen deutschen Städten, die seit 1860 abgehalten werden. Alle vier Jahre findet das Fest der Turnkunst statt, das nächste Mal 2025 in Leipzig. Interessant: Die Turnfeste hatten nicht nur sportlichen Hintergrund.

Der Gründer nämlich, der oft zitierte „Turnvater Jahn“, mit bürgerlichem Namen Johann Friedrich Ludwig Christoph Jahn, initiierte die deutsche Turnbewegung, die mit der frühen Nationalbewegung verknüpft war. Aus dem von ihm begründeten  Turnen ging unter anderem die heutige Sportart Geräteturnen hervor. Zahlreiche Turngeräte wie beispielsweise Reck und Barren wurden von ihm eingeführt. 1848 wurde Jahn Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. Soweit Wikipedia. Jahns Ansichten waren durchaus nationalistisch, wenn er auch für gleiche Bürgerrechte für alle eintrat.

Bierhumpen voller Geschichten

Doch um Politik geht es Günter Herber beim Sammeln nicht. Seine Passion sind Devotionalien der Turnfeste, und da gibt es alles, was auch heute in Souvenirshops steht. Die größte Sammlung hat er sicherlich von Bierhumpen mit Zinndeckeln. Vom fingernagelgroßen Exemplar für den Setzkasten bis zum mehrere Liter fassenden aufwendig bemalten Riesen-Gefäß hat er Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von Exemplaren in seinem Haus.

Gleich im Flur stehen die ersten. Und Herber kann zu jedem Humpen die Geschichte erzählen. Er hat sich eigens dafür Vitrinen bauen lassen. Im Kellergeschoss geht die Sammlung weiter. Natürlich hat Günter Herber auch selbst geturnt – „am liebsten am Barren“ – , war in diversen Wiesbadener Vereinen aktiv, unter anderem in Bierstadt. Beim Turnen hatte er auch seine Frau kennen gelernt, die tragischerweise bereits vor über 30 Jahren verstorben ist.

Turnen als Familienangelegenheit

Schon die Vorfahren der Familie turnten, und auch von den drei Kindern der Herbers sind zwei Sportlehrerinnen geworden. Eine supersportliche Familie also – aber nachdem auch Herber gesundheitliche Probleme bekam, musste er mit dem aktiven Sport aufhören.  Also steckte er seine ganze Energie in die Sammlung und deren Präsentation. Wer staubt da alles ab? „Das muss man halt ab und zu machen“, grinst der Rentner.

Honecker im Keller

Die Bierkrüge sind das eine, aber es gibt ja noch so viel mehr zu sehen. Pfeifenköpfe, Taschenmesser, Gläser, Plakate, Bücher, Medaillen. Alles, was man auch heute als Souvenirs findet, nur mit dem Unterschied, dass es weder aus Plastik ist noch in China hergestellt wurde.

Im Keller gibt es eine DDR-Abteilung inklusive Honecker-Bild. Überhaupt spiegelt die Sammlung den Zeitgeist unterschiedlicher Epochen wider. Mal sind die Sachen im eleganten Jugendstil gehalten, mal in der speziellen sozialistisch-sachlichen Optik und es gibt auch einige Objekte aus der Nazizeit mit eindeutiger Symbolik. In den 70er Jahren sah dann alles wieder völlig anders aus.

Skurrile Objekte

Herber besitzt skurrile Dinge wie Schuhanzieher oder Kuckucksuhren, er hat Helme der „Turner-Feuerwehr“, früher Vorgänger der Freiwilligen Feuerwehr in vielen Orten. Immer wieder taucht Turnvater Jahns Konterfei mit dem charakteristischen langen Bart auf oder das, wie man heute sagen würde, Logo mit den vier „F“ graphisch angeordnet: Frisch-Fromm-Fröhlich-Frei, das Motto der deutschen Turner.  Wollte mal jemand eine Dissertation über die Geschichte der Deutschen Turnfeste schreiben, hier wäre eine reiche Quelle.

Herber sammelt noch immer weiter, die Flohmarktgänge gehören allerdings der Vergangenheit an, jetzt bietet er im Internet um Raritäten. Und er ärgert sich richtig, wenn er bei besonders begehrten Objekten nicht den Zuschlag bekommt. Weder kann er sagen, wie viele Objekte er hat noch, wie viel Geld er schon in sein Hobby gesteckt hat. Wohl aber hat er schon öfter Ausstellungen bestückt, auch in der Frankfurter Paulskirche gab es beim letzten dort stattgefundenen Turnfest 2019 eine Schau mit seinen Objekten früherer Frankfurter Turnfeste.

Natürlich zeigt er auch gerne in Wiesbadener Heimatmuseen seine Schätze – und ein „echtes“ Museum der Turnfeste – oder ein bestehendes Museum, in dessen Hände er seine Schätze eines Tages vertrauensvoll übergeben könnte – wäre sein Traum. Am meisten aber freut er sich selbst an seiner Sammlung, die sein Haus komplett dominiert und mit der er so viel verbindet – auch Freundschaften.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert