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Sven Gerich bekommt „Druck von links“ – Linke küren Studenten Ingo von Seemen zum OB-Kandidaten

Von Dirk Fellinghauer. Foto privat.

„Druck von links“ verspricht der frisch gekürte OB-Kandidat Ingo von Seemen dem amtierenden Oberbürgermeister Sven Gerich, der seinerseits bei der OB-Wahl am 26. Mai 2019 erneut ins Rennen gehen wird. Nach gemeinsamem Vorschlag durch die Rathaus-Fraktion Linke & Piraten und den Die Linke-Kreisvorstand sowie Aussprache der Mitglieder kürten diese mit 85,7 Prozent Ja-Stimmen den Studenten Ingo von Seemen zu ihrem Kandidaten zur Oberbürgermeister-Wahl. Damit haben die Linken die Nase vorn – in Sachen Nominierung.

Gut ein halbes Jahr vor dem Wahltermin sind die Linken die Ersten, die offiziell einen Kandidaten nominieren. An diesem Dienstag will die Wiesbadener CDU selbiges machen, wobei es hier aufgrund parteiinterner Querelen und Verstimmungen spannend werden dürfte. Die erneute Kandidatur von Amtsinhaber Sven Gerich für die SPD ist ausgemachte Sache,  aber noch nicht offiziell. Bei Grünen und FDP ist ebenso wie bei weiteren Rathaus-Fraktionen noch nicht bekannt, ob und wen sie ins Rennen schicken. Auch Unabhängige könnten noch antreten.

„Herzen und Stimmen jener gewinnen, die das Joch des Kapitals nicht länger erdulden wollen“

Die Chancen für den nun frisch gekürten von Seemen, tatsächlich den Rathaussessel zu erobern, sind freilich überschaubar. Sich dessen bewusst, sagte der Kandidat in seiner Nominierungsrede: „Manche sagen, wir können die OB-Wahl nicht gewinnen. Ich sage, wenn wir es schaffen, der neoliberalen Erzählung von CDU, SPD, Grünen, FDP und AfD eine linke Vision entgegenzustellen, dann haben wir bereits gewonnen! Wir gewinnen die Herzen und Stimmen all jener, die das Joch des Kapitals nicht länger erdulden wollen.“ Dabei helfen sollen die „Vision eines neuen, sozialen Miteinanders“ und Versprechungen wie kostenloses Mittagessen an allen Schulen und Kitas, Bau von Sozialwohnungen frei von Befristungen, Einführung der Sozialkarte, Verzicht auf Hartz IV-Sanktionen für unter 25-Jährige oder kostenloser ÖPNV.

Dass der 31-Jährige sozialpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke & Piraten und stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher, der diesem Amt im „hohen Haus“ der Stadt auch schon mal im Che Guevara-T-Shirt nachgeht, in der Linken hohes Vertrauen genießt, habe sich in zahlreichen Beiträgen der Mitglieder gezeigt. Der Wahlantritt sei eine Chance, soziale Themen, Bildung und den Filz in der Stadt verstärkt zu thematisieren.

Der amtierende Oberbürgermeister Sven Gerich brauche im Wahlkampf Druck von links, die parallel stattfindenden Europawahlen müssten wegen der großen internationalen Probleme von der Linken intensiv bearbeitet werden. Ingo von Seemen machte nach seiner Nominierung seiner  Ansprache vor den Mitgliedern deutlich, dass Die Linke in Wiesbaden entschlossen weiter für die sozialen Belange in der Stadt und gegen den Rechtsruck kämpfe. Der Wiesbadener SPD sprach von Seemen ernsthaftes Bemühen und sozialen Ausgleich ab, die CDU bezeichnete er als von Korruptionsvorwürfen belasteten zerstrittenen und intriganten Haufen und als „völlig regierungsunfähig“.

Wer einen „lebendigen“ Eindruck von Ingo von Seemen bekommen möchte, bekommt diesen zum Beispiel beim Videointerview des hr-Kandidatencheck zur Landtagswahl. Hier trat er als Direktkandidat für die Linken im Main-Taunus-Kreis an und holte 4,9% der Erststimmen.

Hier die Rede, die Ingo von Seemen nach seiner Nominierung zum OB-Kandidaten der Linken hielt, im Wortlaut:

„Liebe Genoss*Innen,

ich möchte der erste Linke Oberbürgermeister unserer schönen Landeshauptstadt Wiesbaden werden. Als dieser möchte ich den Menschen meine Vision eines neuen, sozialen Miteinanders nahe bringen.

In dieser reichen Stadt muss kein Kind hungern, kein Mensch ohne Obdach sein, kein Mensch ohne Strom und ohne warmes Wasser leben. In einer reichen Stadt wie Wiesbaden darf niemand gezwungen sein, mit Lebensmittelmarken einzukaufen, weil er oder sie von Hartz-IV Sanktionen betroffen ist, es darf niemand an der Krankenhaustüre abgewiesen werden, weil nicht genug Pflegekräfte da sind und es darf nicht sein, dass Menschen in ihren Vierteln eingesperrt werden, weil sie sich die Busfahrkarte nicht leisten können.
Die Ketten, mit denen uns die neoliberalen Parteien fesseln, müssen endlich gesprengt werden.
Denn das ist für mich der Kern linker Kommunalpolitik: Den Menschen bei ihren alltäglichen Sorgen zur Seite zu stehen und die Stadt gerechter, sozialer und menschlicher zu gestalten!

Wir werden ein kostenloses Mittagessen an allen Kitas und Schulen einführen! Wir werden anfangen erstmals Sozialwohnungen zu bauen die frei von der Befristung sind und keinen Wiesbadener*Innen darf das Wasser und der Strom abgestellt werden.
Oberbürgermeister Sven Gerich behauptet ja, die Sozialdemokraten würden sich um einen sozialen Ausgleich bemühen. Davon spürt man in der Stadt aber nur wenig. Obwohl die Stadt Wiesbaden allein im vergangenen Jahr 95 Mio. € Überschuss erzielt hat, wurde im Stadtparlament der Antrag meiner Fraktion für die Einführung einer Sozialkarte abgelehnt. Auch von den Sozialdemokraten und den Grünen! Die Karte hätte 8 Mio. € gekostet. Stattdessen ist dieses Geld nun in die Rücklage der Stadt geflossen, sodass wir nun insgesamt 250 Mio. € an Rücklagen haben. Auch der Antrag meiner Fraktion auf mehr Straßensozialarbeit wurde abgelehnt.
Die Hartz-IV-Sanktionen für unter 25 jährige sind besonders hart. Wiesbaden als Optionskommune hat die Möglichkeit, auf diese Sanktionen zu verzichten. Doch auch unter dem SPD geführten Sozialdezernat wird fleißig weiter sanktioniert. Wäre ich Oberbürgermeister, hätte ich schon lange dafür gesorgt, dass diese inhumane Praxis der Sanktionen sofort beendet wird.
Wer soziale Gerechtigkeit möchte, muss links wählen!

Die CDU in Wiesbaden ist ein zerstrittener und intriganter Haufen. Immer wieder werden Korruptionsvorwürfe gegen Mitglieder der CDU Wiesbaden laut. Sie sind völlig regierungsunfähig, leiten die Geschicke in dieser Stadt aber trotzdem Jahr für Jahr weiter. Damit muss endlich Schluss sein. Der Wiesbadener Klüngel ist zu einem gordischen Knoten angewachsen. Diesen Knoten kann man nur auf eine Weise lösen. Wir müssen ihn zerschlagen. Und wir werden ihn zerschlagen.

Politische Entscheidungen müssen transparent sein. Sie sollen dem Wohl aller und nicht dem eigenen Wohl dienen. Und wir LINKE sind die einzigen, die das Glaubwürdig vertreten können. Denn bei uns stehen nicht die Interessen des Kapitals, sondern die Interessen der Menschen im Vordergrund.
Die Dr. Horst Schmidt Kliniken müssen wieder in öffentliche Hand damit nicht mehr der Profit sondern die Menschen im Vordergrund stehen.
Des Weiteren muss allen Wiesbadener Bürger*Innen die Teilhabe am öffentlichen Leben ermöglicht werden, dafür brauchen wir einen besser ausgebauten und kostenlosen ÖPNV. Außerdem muss die Aartalbahn reaktiviert und die City Bahn gebaut werden.

Liebe Genoss*innen! Manche sagen, wir können die OB-Wahl nicht gewinnen.
Ich sage, wenn wir es schaffen, der neoliberalen Erzählung von CDU, SPD, Grünen, FDP und AfD eine linke Vision entgegenzustellen, dann haben wir bereits gewonnen! Wir gewinnen die Herzen und Stimmen all jener die das Joch des Kapitals nicht länger erdulden wollen.
Denn wir haben mehr zu bieten als Hass und Hetze, wir bieten den Menschen soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und Freiheit.
Wir haben nichts zu verlieren als unsere Ketten.
Wir haben eine Welt zu gewinnen.
Und mit diesen Worten von Karl Marx lasst uns gemeinsam kämpfen.
Ich zähle auf euch!“