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Trainingslager für Ermittler: Verblüffende Tatortwelten

 

Von Hendrik Jung. Fotos Kai Pelka.

Zum neunten Mal zog es in den letzten Tagen und Nächten Krimi-Fans und Fachpublikum zum FernsehKrimi-Festival ins Caligari. Heute findet dort die von Ingo Zamperoni moderierte Abschlussgala mit Verleihung des Deutschen FernsehKrimi-Preises statt. Echte Ermittler bilden sich in Wiesbaden in den verblüffend realistischen „Tatortwelten“ der hessischen Polizeiakademie fort.

Zwei Wochen lang hat sich ein Dutzend Polizistinnen und Polizisten aus ganz Hessen mit der Grundausbildung „Spurensicherung und Tatortarbeit“ auseinander gesetzt. Im Rahmen eines Praxistages dürfen sie nun in den sogenannten „Tatortwelten“ das Erlernte zum Einsatz bringen. Kiosk, Gaststätte und Wohnzimmer hat Fachlehrer Gottfried Göritz für die drei Gruppen präpariert. Die hier ebenfalls detailgetreu eingerichtete Tagesterminwohnung „Studio Chantal“, der Kellerverschlag und die Messi-Wohnung bleiben an diesem Tag ungenutzt. „Es ist eigentlich nicht so gut, wenn wir alle durchlaufen. Ich gehe mal durch die Küche und mache von dort aus Übersichtsaufnahmen“, schlägt die Rüsselsheimer Polizeikommissarin Maren Pfefferkorn ihrer Gruppe vor. Ihre Kollegen beginnen derweil schon einmal mit der Spurensicherung im Flur. Denn dort sind bereits eine Zigarettenkippe mit DNA-Spuren sowie ein Fußabdruck zu finden. Letzterer wird von Julia Burck, einer kriminaltechnischen Assistentin aus dem Schwalm-Eder-Kreis, seitlich mit einem Klebeband markiert, auf das eine Zentimeter-Skala aufgedruckt ist. „So kann man auf dem Foto die Größenverhältnisse deutlich machen“, erläutert Fachlehrer Rolf Lang.

Es wimmelt von Spuren

Später werden auch die Spuren ausgegossen, die das Werkzeug beim Öffnen der Kasse hinterlassen hat. Beim sogenannten serologischen Abrieb soll durch Trocknung verhindert werden, dass organische Spuren verderben. Und Rußpulver bedeckt die Tür zum CD-Schrank, um die Fingerabdrücke sichtbar zu machen. Es wimmelt geradezu von Spuren. „Spurensicherung ist eine wahre Sisyphusarbeit. An einem überschaubaren Tatort wie hier reichen zwei bis drei Stunden. In einem komplexeren Fall kann sich das über Tage hinziehen“, erläutert Rolf Lang. Hier sieht er auch den Hauptunterschied zu gut gemachten Fernsehkrimis: „Im Großen und Ganzen wird es abgebildet, wie es gemacht wird, aber es geht nicht so schnell wie im Fernsehen.“ Zumal den Fernsehzuschauern die bürokratischen Aspekte wie das Erstellen von Tatortbefundbericht und Spurensicherungsbericht oder das Archivieren der entstandenen Fotos und Skizzen in der Regel erspart werden.

Ohne Schutzanzug geht wenig

„Ab einer gewissen Deliktschwelle kommt man um einen Schutzanzug nicht herum. Deshalb ist es Unsinn, wenn Kommissare bei einem Kapitalverbrechen ohne Anzug dazu stoßen“, räumt der Experte mit einem weiteren TV-Mythos auf. Doch schließlich hat ein Fernseh-Krimi neben sachlicher Richtigkeit vor allem auch dramaturgischen Aspekten genüge zu tun – ein Thema, das neben der Ausstrahlung aktueller Tatort-Folgen oder Verfilmungen von historischen Fällen wie der Entführung des Bankierssohnes Jakob von Metzler bei der neunten Ausgabe des FernsehKrimi-Festivals vom 6. bis zum 9. März im Caligari ebenfalls auf dem Programm steht.  Die neue Festivalleiterin Gabriele Gillner möchte in Gesprächsrunden der Faszination von US-Fernsehserien sowie erfolgreichen Erzählstrategien in internationalen Krimi-Serien nachgehen und Teilnehmer einer Masterclass Drehbuchschreiben im Thrillerformat üben lassen.

Auch Spürhunde werden trainiert

Unterdessen wird in der Polizeiakademie weiter an der Realität geübt. „Die Tatortwelten sind stark frequentiert. Nicht nur von der Akademie sondern auch von Behörden wie dem BKA und dem Zoll. Rauschgift- und Sprengstoffspürhunde werden hier ebenfalls trainiert“, berichtet Sandra Burkhardt von der Presseabteilung. Bei dem Spurensicherungs-Seminar solle aber auch vermittelt werden, über den eigentlichen Tatort hinaus zu denken. „Wir haben auch erfahren, welche Ansprüche das Landeskriminalamt an die Qualität von Spuren hat“, berichtet die kriminaltechnische Assistentin Julia Burck. Schließlich geht es nach erfolgreicher Spurensuche mit den Ermittlungen meist erst richtig los. Aber das kennt man ja, aus dem Fernsehen.

www.wiesbaden.de/fernsehkrimi-festival