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Vom Fleischereieinkauf zur kulturellen Brutstätte: Die KREA(tivfabrik) ist seit 15 Jahren eine Oase für Freiraum

Von Tamara Winter. Fotos Kai Pelka.

Eine sichtbar erleuchtete schwarze Krähe auf weißem Grund weist den Weg zur Kreativfabrik. Das Logo auf dem Eingangsschild im Erdgeschoss ist durch einen kleinen Kniff im Rahmen des letzten Design-Updates entstanden. Die Location, in direkter und guter Nachbarschaft zu Schlachthof und Murnau-Filmtheater, hatte sich umgangssprachlich bei Gästen und Mitarbeitern längst als „Krea“ etabliert. Phonetisch liegen die Worte Krea und Krähe sehr nahe beieinander, was sich optisch bestens mit dem Vogel visualisieren ließ. Die Assoziation klappt so gut, dass man sich gelegentlich sogar mit „Krah Krah“ grüßt, wenn man sich auf dem Gelände trifft.

Als Kulturzentrum, welches seit nun15 Jahren Platz für kreative Ideen bietet, sorgen die Mitglieder für ein buntes Veranstaltungsprogramm mit Theater, Konzerten und Partys. Es werden bezahlbare Proberäume an junge, lokale Musikbands vermietet und Raum für Initiativen, Gruppen und Seminare aus dem kulturellen und sozialen Umfeld angeboten. Der Verein versteht sich als ein Anstifter für die Subkultur der Stadt und fühlt sich den Ideen fernab des kulturellen Mainstreams und kommerziellen Interesses verpflichtet.

Kulturplatz statt Parkplatz

Wo seit 2002 die „Krea“ ist, war einst Fleischereinkauf des Schlachthofbetriebs. Nachdem dieser in den frühen neunziger Jahren eingestellt wurde, entstand die IG Schlachthof. Die Interessengemeinschaft setzte sich dafür ein, das brachliegende Gelände nicht zum Riesenparkplatz werden zu lassen und förderte einen Kulturpark. Der Wunsch war es, mehr Raum für Kultur zu erkämpfen und kreative Spielräume zu ermöglichen. Seit der Vereinsgründung hat sich vieles getan. Neben dem bekannten Veranstaltungskeller, für die meisten Besucher das Zentrum für die abwechslungsreichen Aktivitäten, gibt es weiteren Platz für kulturellen Freiraum: Einen Trakt mit zehn Proberäumen, Lager- und Werkstatträume sowie eine Ebene mit Seminarraum, zwei Büros und eine Küche im Obergeschoss stehen zur Verfügung. Und: In der Sommerpause wurden endlich auch die lang ersehnten Toiletten im Erdgeschoss verwirklicht. Das organisatorische und handwerkliche Engagement der Mitglieder war auch für diese Baustelle unverzichtbar. Dank vieler helfender Hände ist vieles möglich.

Ort ohne Grenzen – und mit viel Austausch

Ein Teil des Gebäudes hat seit langem der Stadtjugendring als Büro und Besprechungsraum angemietet. Er ist tief verwurzelt mit der Geschichte des Vereins. Andere Organisationen treffen sich dort regelmäßig, Platz ist genug. Bisher gibt es eine Kochgruppe für Geflüchtete, vielfältige Spielegruppen oder originelle Workshops, um beispielsweise Longboards zu bauen. Grenzen gibt es kaum. Die gemeinsame Nutzung erleichtert den Austausch untereinander, von dem alle Beteiligten profitieren. Auch private Feiern finden statt. Junge und auch nicht mehr ganz so junge Geburtstagskinder machen rege von der Möglichkeit Gebrauch, die Räume zu mieten. Seit 2015 gehört auch die anliegende Skatehalle mit einer Lounge zu dem Verein. Bei Workshops können hier auch Kinder, Jugendliche und Rollstuhlfahrer das Skaten lernen.

Der geheime Garten

Ein nahezu geheimer Garten neben der Halle, eigentlich im Besitz der Wiesbadener Volksbank ist, darf vom Verein mit freundlicher Erlaubnis für kleinere und private Veranstaltungen genutzt werden. Die Veranstaltungsreihe „Suzie’s Garden“ ist eine davon. Bei gutem Wetter wird draußen gegrillt und in gemütlichem Ambiente bester Akustikmusik gelauscht. Drinnen gibt es vom Puppentheater für Kinder bis zu Musikprogramm durch alle Genres immer wieder neues zu erleben. In Punkto Musik ist es dem Team besonders wichtig, sich nicht auf eine Richtung festzulegen. Egal ob Techno, Industrial, Hip-Hop, Pop, Alternative oder Reggae – alles passt in die Krea. Solange friedlich und gewaltfrei gelebt und gefeiert werden kann, macht der Verein vor nichts Halt, was einen Funken Kreativität ins Nacht- oder Tagleben bringt.

Vorstand, Plenum, Versammlung – alles ehrenamtlich

Mittlerweile zählt die Kreativfabrik über fünfzig Mitglieder. Vier davon kümmern sich um das Tagesgeschäft. Dazu gehören Programm- und Personalplanung, Gastronomie, Buchhaltung und Vermietungen. Der ehrenamtliche Vorstand unter Leitung von Janne Muth regelt die Administration. Der Verein finanziert sich hauptsächlich durch eigene Einnahmen im Veranstaltungsbetrieb und Vermietungsgeschäft. Zu einem jährlichen Zuschuss des Kulturamts, gibt es projektbezogene Anträge, wie zum Beispiel für die anstehende Jubiläumsfeier am ersten September-Wochenende. Besonders wichtig für alles, was den Verein betrifft, sind das 14-tägige Plenum und die jährliche Mitgliederversammlung. Hier bekommen sich auch die sonst weniger aktiven Mitglieder Gelegenheit, sich an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen und Ideen einzubringen. Ein Erfolg, der im Zuge des Jubiläums ordentlich gefeiert wird. Der Kreis der damaligen Interessengemeinschaft hat sich inzwischen auf ganz Wiesbaden verteilt. Dazu gehören Schlachthof, Kulturpalast und das Kontext. Überall finden sich frühere Akteure und Gründungsmitglieder der ersten Stunde wieder. Man kann die Interessengemeinschaft getrost als Keimzelle Wiesbadener Subkultur bezeichnen. Und ein Keim, aus dem er entsprang, war der Verein Kreativfabrik Wiesbaden. Nicht nur dazu herzlichen Glückwunsch!

Unter dem Motto „F.U.C. KREA“ („Fragments of Urban Culture“) werden 15 Jahre Kreativfabrik vom 1. bis 3. September mit vollem Programm – Partys, Livemusik und vieles mehr- gefeiert! (www.kreativfabrik-wiesbaden, www.skatehalle-wiesbaden.de) Am Abschluss-Sonntag der ausschweifenden Feierlichkeiten findet um 12 Uhr „Der visionäre Frühschoppen im Exil“ zum Thema „Folklore“-Nachfolgefestival statt.