Außerplanmäßig und eilig einberufen hat der Kulturbeirat am vergangenen Freitagabend getagt. Einziges Thema der Sondersitzung war die geplante Ausschreibung eines Interessenbekundungsverfahrens zur Walhalla. Außerplanmäßig, eilig – und mit einer in einer komplexen Angelegenheit eindeutigen Empfehlung: Der Kulturbeirat hat sich nach intensiver Diskussion mehrheitlich dafür ausgesprochen, das Verfahren erst später, im ersten Quartal des Jahres 2021, zu eröffnen.
Die Mitglieder haben es sich nicht leicht gemacht. In der mehrstündigen, mit Rücksicht auf die Regularien des angestrebten EU-weiten Interessenbekundungsverfahrens nichtöffentlichen, Sitzung wurde das vielstimmige Meinungsbild zur Thematik deutlich. Der Kulturausschuss hatte erst wenige Tage vor der Sondersitzung eine Beteiligung des Kulturbeirats nachträglich beschlossen, damit die Expertise des ehrenamtlichen Gremiums noch rechtzeitig zur Diskussion in der Stadtverordnetenversammlung an diesem Donnerstag, 2. Juli, einfließen kann.
Der Kulturbeirat, für den die Zukunft des Walhalla-Gebäudekomplexes von Anfang an ein immer wieder auf die Tagesordnung gebrachtes Schwerpunktthema ist, hatte sich zuletzt bereits bereits eindeutig dafür ausgesprochen, eine kulturelle Nutzung des Gebäudes sicherzustellen. Ein Interessenbekundungsverfahren solle möglichst breit Kultur mit einem tragfähigen Konzept für das denkmalgeschützte 4.500-Quadratmeter-Haus in bester innerstädtischer Lage holen. Und zwar – das war bisher das klare Bestreben – so schnell wie möglich, auch weil die Nutzung des Gebäudes als erstes geklärt sein soll und dann Einfluss auf die Art und Weise der Sanierung hat. Durch die Corona-Pandemie ist der Sachverhalt nun deutlich komplexer geworden.
„Keiner weiß, ob und wann gesellschaftliches Leben wieder möglich ist“
Was den Zeitpunkt und Zeitplan des jetzt von der Stadtpolitik angestrebten mehrstufigen Verfahrens betrifft, gab es dann auch unterschiedliche Ansichten in der Sitzung. „Es weiß doch wirklich keiner, ob und wann ein gesellschaftliches Leben wie in vor Corona-Zeiten wieder möglich wird“, äußerte die stellvertretende Kulturbeirats-Vorsitzende Dorothea Angor ihre Sorge. „Unter diesen Vorzeichen ist es schwer vorstellbar, dass kulturelle Akteure in diesem engen Zeitfenster ein Angebot abgeben werden.“ Bekanntlich müsste ein künftiger Betreiber mit einem – bereits von der Stadt subventionierten – Mietpreis von rund 45.000 Euro pro Monat kalkulieren. Im Beirat wurden verschiedene Szenarien ausgiebig diskutiert – beispielsweise zur Verschiebung, oder eines möglichen Pausierens des Bewerbungsverfahrens mit Weiterführung in sichereren Zeiten.
Schließlich beschloss der Kulturbeirat mehrheitlich, sich für einen späteren Start des Verfahrens – nicht wie vom Magistrat vorgesehen in diesem Sommer 2020, sondern bei einer dann hoffentlich klareren Einschätzung der Lage und der Perspektiven im ersten Quartal 2021 – auszusprechen.
Wie berichtet, hatten der Magistrat und maßgeblich OB Gert-Uwe Mende und Kulturdezernent Axel Imholz, der die Diskussion des Kulturbeirats verfolgte, kürzlich eine Beschlussvorlage auf den Weg gebracht, die den Start des europaweiten Interessenbekundungsverfahrens zur Revitalisierung der Walhalla wie geplant in diesem Sommer vorsieht. Die Frage ist, ob das Festhalten an diesem Zeitplan unter den völlig veränderten Prämissen zielführend oder nicht am Ende gar kontraproduktiv ist. Zunächst die Rathaus-Grünen und nun auch der Kulturbeirat haben sich angesichts der unsicheren Situation in der Corona-Krise, auch uns insbesondere für die Veranstaltungs- und Kulturwirtschaftsbranche, für eine Verschiebung des Ausschreibungs-Starts ausgesprochen. An diesem Donnerstag, 2. Juli, beraten und entscheiden im Bürgerhaus Erbenheim zunächst Kulturausschuss und Haupt- und Finanzausschuss in einer gemeinsamen Sondersitzung und schließlich die Stadtverordnetenversammlung, ebenfalls in nicht öffentlicher Sitzung. (dif)
Hintergründe zum Thema und zur veränderten Ausgangssituation: „Startschuss oder Todesstoß für Walhalla?“