Was Wiesbaden von Mallorca lernen kann, liebe sensor-Leser,
ich wette, da kommen Sie nie drauf!
Letzten Dezember war ich dort, in Palma. Einfach mal raus hier, ein paar Tage abschalten und auftanken, ausnahmsweise mal – auch wenn ich es sonst ständig und gerne und intensiv tue – nicht an sensor, nicht an Wiesbaden denken. Das war der Plan. Er ging auch ganz gut auf. Bis ich am letzten Abend zu später Stunde durch die Altstadt schlenderte und mir plötzlich ein Schild auffiel.
Auch ohne größere Spanisch-Kenntnisse konnte ich mir schnell zusammenreimen, dass dieses irgendwas mit Existenzgründern und Startups zu tun haben musste. Auf meinem weiteren Weg durch die Nacht begegnete mir im ganzen Viertel das markante „A“. Es entpuppte sich als Logo einer städtischen Entwicklungsagentur, die – so las ich später auf der Webseite – eine Mission, eine Vision, eine Strategie hat, um aktiv Existenzgründungen zu fördern.
Ich entdeckte an einer Straßenecke, in prominenter Lage, das sehr einladend wirkende Servicebüro von „PalmaActiva“, fand an einem belebten Platz ein komplettes Haus voller Startups (Bild links), stellte fest, dass die Cafés in der Gegend gefüllt waren mit kreativen Köpfen, die bis spät in die Nacht hinein im regen Austausch miteinander waren. Ich war beeindruckt und begeistert, und es war vorbei mit dem nicht an Zuhause denken.
„Wie geht eigentlich Wiesbaden mit dem Thema um?“, fragte ich mich. Wie cool wäre es denn, wenn es die neue „Gründerzeit“, die meiner Beobachtung nach längst angebrochen ist, aber wie so vieles in Wiesbaden noch arg im Verborgenen brodelt, inmitten der Stadt, im Herzen der Stadt, sichtbar und spürbar wäre? Wenn es eine „Gründermeile“ oder am liebsten gleich ein ganzes Startup-Viertel, geben würde, in dem sich Gründer, Entrepreneure, Startups geballt ansiedeln, für Belebung und inspirierende Atmosphäre sorgen und gleichzeitig von selbiger profitieren könnten? Ich fantasierte drauf los und fand gleich ein mögliches Areal der Wahl: Rund um die Kleine Schwalbacher und Mauritiusstraße, wo so einiges leer steht, was man innovativ, einfallsreich und unkonventionell mit Leben füllen könnte. Wenn man denn wollte.
Aber was will die Stadt? Die Stadt, die durchaus beachtliche Einrichtungen, Angebote, Initiativen, Ideen zum Thema auffährt. Die damit aber bedauerlicherweise, so werden Sie in unserer Titelstory lesen, nicht immer unbedingt den Ton derer trifft, für die diese Angebote gedacht sind. Die Stadt, in der das exakt für diese Fragen zuständige Amt für Wirtschaftsförderung von einem durchaus sympathischen und eloquenten Herrn geleitet wird, der aber die Einladung auf´s Podium beim nächsten visionären Frühschoppen (30. März, 12 Uhr, Walhalla-Spiegelsaal) zum Thema Gründer dankend ausschlägt – mit der Begründung, er könne auf gar keinen Fall innerhalb der vorgegebenen fünf Minuten in angemessener Form darstellen, was die Stadt alles auf diesem Gebiet tue. Hallo!? Ich wage zu behaupten, die dynamischen Kollegen aus Palma de Mallorca könnten auch in knappster Zeit knackig rüberbringen, was ihre Mission, ihre Vision, ihre Strategie ist. Aber was in Wiesbaden noch nicht ist, kann ja noch werden. Kürzlich erst hat der komplette Magistrat seine Sitzung in den „heimathafen“, einen Dreh- und Angelpunkt der wachsenden Wiesbadener Gründerszene, verlegt. Immerhin. Vielleicht kommen ja doch mal alle Beteiligten so miteinander ins Gespräch, dass die neue Gründerzeit endlich mit fruchtbarer Wucht ausbrechen kann in Wiesbaden. Ich habe das Gefühl, der perfekte Zeitpunkt dafür wäre: Jetzt!
Auch sensor fühlt sich für mich manchmal wie ein Startup an. Wir feiern unser 2-jähriges. Mit dieser Ausgabe. Und mit einer super Sause am 5. April im Kulturpalast. Kommen Sie rum!?
Dirk Fellinghauer – sensorpreneur