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Wirbel um Walhalla-Zukunft – zwischen Horror-Schilderungen, Kultur-Beteuerung und Abriss-Gerüchten

Von Dirk Fellinghauer. Foto privat.

In Kontrast zur Freude über den gelungenen Start des Walhalla-Vereins im (unfreiwilligen) Exil in der Nerostraße hört man in Sachen Zukunft des historischen Walhalla-Gebäudes mal wieder Töne, die allen Alarmglocken Anlass zum kräftigen Schrillen geben. In einem Bericht der Frankfurter Rundschau stellt die stadteigene WVV Holding als Eigentümerin der Immobilie eine künftige kulturelle Nutzung wieder in Frage. sensor hat bei der WVV nachgefragt. Die Antworten relativieren, ebenso wie spätere Aussagen im städtischen Kulturausschuss, einerseits die gemachten Aussagen, andererseits verstärken sie Befürchtungen. Selbst Gerüchte, dass es am Ende sogar zu einem Abriss des historischen und denkmalgeschützten Gebäudes kommen könnte, werden nicht eindeutig dementiert.

Im Beitrag der Frankfurter Rundschau ist die Rede von einer Verteuerung der Sanierungsarbeiten um zehn Prozent, von einem „schlechter als geplant“-Zustand des Gebäudes, von „zum Teil erheblichen Mängeln der Bausubstanz“ – alles ohne Konkretisierungen, aber mit einer klaren Schlussfolgerung. Die Erkenntnis stelle laut FR aus Sicht des technischen Leiters der WVV, Andreas Rettig, der im Kulturausschuss mit Horror-Schilderungen über den Gebäudezustand nachlegte („Es ist fast alles schlecht“), das Nutzungskonzept des Theaters infrage. Mit einer kulturellen Nutzung sei „keine schwarze Null zu erreichen, weil ein Kulturbetrieb mit Sicherheit ein Zuschussbetrieb werde“, wird er zitiert.

Walhalla-Abriss? „Reine Spekulation“ – bisher ….

sensor hat dazu einen Fragenkatalog an die WVV gerichtet. Auf die Frage, worauf die Annahmen und Kalkulationen basieren, die das bisherige Nutzungskonzept infrage stellen, relativiert WVV-Geschäfsführer Rainer Emmel den Anschein, der von seinem Mitarbeiter Andreas Rettig im FR-Beitrag erweckt wird: „Es gibt keine Annahmen bzw. Kalkulationen, welche Nutzungskonzepte infrage stellen.“ Jedoch sei „mit deutlichen Mehrkosten zu rechnen, welche eine Wirtschaftlichkeit der Gesamtmaßnahme (auf der Basis einer zumindest kostendeckenden Miete) zumindest deutlich erschweren.“ Ein „Plan B“ für den Fall, dass das bisher angestrebte kulturelle Nutzungskonzept verworfen würde, existiere nicht und werde auch nicht als nötig erachtet: „Das Nutzungskonzept einer kulturellen Nutzung ist nicht verworfen, insofern stellt sich die Frage nicht“, sagt Emmel gegenüber sensor. Ob mit einem kulturellen Betrieb eine schwarze Null erzielt werden könne, sei „sicherlich konzeptabhängig und bestimmt sich nicht zuletzt auch nach dem Grad der Kommerzialisierung“. Vage beantwortet er die Frage, was dran sei an kursierenden Gerüchten, dass als mögliches Szenario auch ein Abriss des Walhalla-Gebäudes insgesamt oder in Teilen nicht ausgeschlossen werde: „Da der Umfang der Sanierung und der sich daraus ergebenden Sanierungsbedarf noch nicht feststeht, ist dies eine reine Spekulation.“ Ein klares Dementi klingt anders.

„Keine validen Angaben“ zu den Sanierungskosten

Die Sanierungs- und Revitalisierungskosten seien abhängig von der jeweiligen Planung, weshalb hierzu „keine validen Angaben“ gemacht werden könnten. Auch liege noch kein Maßnahmenkatalog der Landesdenkmalpflege vor. Dieser werde auf Basis vorliegender Gutachten erarbeitet, seitens der Landesdenkmalpflege sei zudem ein weiteres Gutachten zur Rabitzdecke erbeten worden. Nach einer ersten Kostenschätzung sei mit zusätzlichen Sanierungsaufwendungen von mehr als 3 Millionen Euro zu rechnen. Insgesamt steht aktuell eine erforderliche Summer von „grob geschätzt“ 23 Millionen Euro im Raum.

Im Augenblick fänden rund um das Walhalla-Gebäude Arbeiten zur Errichtung einer Spundwand und zur Sanierung der Hochstättenstraße, inklusive Erneuerung und Ertüchtigung der in der Straße befindlichen Versorgungsleitungen, statt. In den letzten Monaten durchgeführt worden seien „alle Maßnahmen, die für ein verformungsgerechtes Aufmaß, das statische Gutachten und das bauhistorische und restauratorische Gutachen notwenig waren“. Hinzu kämen rechtliche Prüfungen „im Hinblick auf dingliche und sonstige Rechte“ sowie „norlame“ laufende Instandhaltungsmaßnahmen.

Kulturausschuss verlangt Veröffentlichung aller Gutachten

Gerade die zahlreichen, bisher nicht veröffentlichten Gutachten, die in letzter Zeit im Auftrag der WVV angefertigt wurden (bisher 11 an der Zahl), sorgen bei Fachleuten und Öffentlichkeit immer wieder für manchen Gesprächsstoff, Gerüchte und Zweifel. Deshalb forderte der Kulturausschuss in seiner letzten Sitzung per Beschluss, alle Gutachten zum Bauzustand und zum denkmalschützerischen Wert zu veröffentlichen, wie der Wiesbadener Kurier berichtete.

Vielleicht wäre es an der Zeit, dass die Stadt sich auch ganz neue Grundsatzfragen stellt und bei einem so vielfach bedeutenden Projekt wie der Walhalla-Revitalisierung vom Primat der Wirtschaftlichkeit abrückt – also nicht nur die ohne Frage immensen Kosten, sondern auch den, im Endeffekt vielleicht „unbezahlbaren“, Nutzen für die Stadt berücksichtigt – mit Blick auf Attraktivität der Innenstadt, auf Sauberkeit und Sicherheit, auf Anziehungskraft, Image und Identifikationspotenzial. Das derzeit einzige vorliegende, schon sehr detailliert ausgearbeitete und bei unterschiedlichsten Zielgruppen auf begeisterte Resonanz stoßende Konzept (eine europaweite Ausschreibung wird nach Angaben der WVV noch vorbereitet) der „Walhalla Studios“ klingt nicht nur mit dem, was im Walhalla geplant ist, sondern auch mit Blick darauf, welche positiven Effekte es rund um das Walhalla und für eine echte und zukunftsweisende Stadtentwicklung haben könnte, viel versprechend.

Umwegrentabilität – das Zauberwort kann auch beim Walhalla greifen

In Zeiten, wo schon der IHK-Präsident Christian Gastl oder Gewerbeimmobilien-Primus Andreas Steinbauer öffentlich dringend eine Lösung anmahnen, liegt es auf der Hand, entschlossen, mit Fantasie und Mut zur Vision Weichen zu stellen. Das Zauberwort der „Umwegrentabilität“, gerne und sicher zurecht bemüht beim auch kostenmäßig gigantischen Projekt RheinMain CongressCenter, greift auch bei einem Walhalla im Herzen einer gebeutelten Innenstadt (und nebenbei bemerkt und schon mal weiter gedacht, sicher auch bei einer direkt anschließenden Citypassage). Völlig zurecht weist zum Beispiel auch Kulturdezernent (und Stadtkämmerer!) Axel Imholz in seinem Vorwort zum Katalog „Kultur in Wiesbaden: Bestandserfassung“ darauf hin, „dass Kultur auch für die Steuereinnahmen der Stadt ein bedeutsamer Faktor ist.“ Er schreibt: „Die so genannte Umwegrentabilität – Einnahmen von Hotels, Gaststätten, Geschäften, die beim Besuch von attraktiven Kulturangeboten fließen – sind nicht zu unterschätzen.“ Und darüber hinaus: „Die Aufträge, die durch Kulturplanung und –organisation erteilt werden, und die dadurch die so genannte Sekundärwirtschaft fördern (…) sind nicht nur im städtischen Ausgabenhaushalt sichtbar.“

Die Verantwortlichen der Stadt tun gut daran, diese Überlegungen beherzt zu berücksichtigen – am besten im Schulterschluss mit städtischen Gesellschaften, unter deren Regie laut Auftrag „die Gewerbeimmobilien zum Nutzen der Stadt verwaltet werden“. Für Gesprächsstoff  ist auf jeden Fall gesorgt, wenn der WVV-Aufsichtsrat unter Vorsitz von OB Sven Gerich im März über den neuesten Sachstand informiert werden soll. „Zum Nutzen der Stadt“ ist zu hoffen, dass sich die Aufsichtsratsmitglieder dort alles sehr genau erklären lassen.