Von Sabine Eyert-Kobler. Fotos Jasmin Zwick.
Vor einigen Jahren habe ich „Yoga im Hinterhaus“ für mich als Energiequelle entdeckt. Diese Oase der Ruhe, die mich durch bewusste Atmung und das Praktizieren der verschiedenen Asanas im Idealfall und bei regelmäßiger Praxis zu mehr Lebensenergie und zur inneren Mitte führt, feiert in diesem Jahr 10-jähriges Bestehen. Ein Gespräch mit der Mitbegründerin Merle Kaiser, die heute das Yogahaus alleine führt.
Seit wann praktizierst du Yoga und was hat dich zum Yoga geführt? Wer hat dich inspiriert?
Seit 16 Jahren. Ich hatte Rückenschmerzen und wusste nicht, woher diese kommen. Ein Yogalehrer hatte in der Jahnstraße ein Yogastudio. Dort habe ich dann immer mittwochs um 10 Uhr, wenn meine Tochter in der Schule war, Yoga praktiziert. Dort hingen auch Ausbildungszertifikate von dem Yogalehrer, was mich auf die Idee brachte, eine solche Ausbildung zu absolvieren.
Wie kam der Wechsel vom Schauspiel zum Yoga, und wie hast du die Ausbildung finanziert?
Ich habe viele Jahre als Schauspielerin gearbeitet und wollte etwas Neues machen. Meine erste Ausbildung, die zwei Jahre dauerte, habe ich daraufhin im Yoga Vidya in Mainz absolviert. Das war eine herausfordernde Zeit. Schließlich war ich freischaffende Schauspielerin, alleinerziehend und ohne regelmäßiges Engagement. Die Ausbildung selbst habe ich zur Hälfte bezahlt, die andere Hälfte habe ich dort geputzt. Das nannten die Karma-Yoga. Dadurch hatte ich natürlich auch viel mehr Kontakt und einen anderen Bezug zur Yogapraxis.
Wie hast du das Hinterhaus entdeckt?
Ich habe ungefähr drei Monate mit meinem damaligen Yogalehrer nach passenden und bezahlbaren Räumlichkeiten gesucht. Das Yoga im Hinterhaus war früher ein Kochstudio und wurde daher von uns erst einmal gründlich renoviert.
Wie viele Stunden gab es zu Beginn im Yogahaus?
Ich habe zunächst zweimal wöchentlich – jeweils Dienstag- und Mittwochabend von 19.30 bis 21 Uhr – unterrichtet. Parallel dazu habe ich fünf Jahre Kurse an der Volkshochschule gegeben. Das hat auch mein Yogahaus mitfinanziert. Danach ging alles ziemlich schnell. ich habe immer weiter aufgestockt und die 10er Karten eingeführt.
Woher bekommst du deine Inspiration?
Ich muss zwischendurch immer wieder selbst Input bekommen und wollte auch wieder selbst Yoga praktizieren. Daher habe ich eine zweite Yoga-Ausbildung begonnen, indem ich zunächst bei verschiedenen Yoga-Lehrern Schnupperkurse belegt habe. Zum Schluss habe ich mich dann für Anusara-Yoga bei Lalla und Vilas (Lalleshvari und Vilas Turske) in Berlin entschieden. Das ist eine relativ junge, 1997 in den USA von John Friend begründete Form des Hatha Yoga. Das Anusara Yoga ist tief in der tantrischen Philosophie verwurzelt und geht davon aus, das alles, was uns begegnet, eine Verkörperung des höchsten Bewusstseins ist. Es ist außerdem ein an den westlichen Menschen angepasstes und auf ihn ausgerichtetes Yogasystem, das den Erkenntnissen der Biomechanik Rechnung trägt. Seitdem bin ich in ständiger Ausbildung und bin mittlerweile Anusara-Yogalehrerin.
Wodurch zeichnet sich Anusara Yoga aus?
Durch die sehr große Genauigkeit bei der Ausführung, in der es viele Ansagen gibt, und die tantrische Praxis. Es ist eine kreative Form des Power Yoga und eine Mischung aus Ashtanga und Iyengar Stil und wurde ebenfalls von John Friend entwickelt. Hinzu kam die Spiraldynamik. Philosophisch betrachtet geht es dabei um viel Freiheit, und darum, deine eigene Asana (Körperhaltung) zu entdecken.
Was war das Neue an der Ausbildung?
Das Neue war, das ich mich entschieden habe, wieder Lehrer zu haben. Im vergangenen Jahr war ich erneut fünf Monate auf der Yoga-Walz, habe meine Lehrer begleitet und ihnen bei den Ausbildungen und Retreats assistiert. Durch den ständigen Austausch während des Unterrichtes erfuhr ich eine Vertiefung meines Wissens. Das gibt mir Sicherheit und ich kann in meinem eigenen Studio freier unterrichten. Für mich ist Yoga eine Ausbildung, die immer weiter geht.
Was hat sich durch die Yogapraxis für dich verändert?
Ich habe noch viel mehr sehen gelernt – meine Wahrnehmung hat sich verfeinert. Es ist gut, wenn ein Yogalehrer immer wieder auf Menschen trifft, die mehr wissen. Auch wegen der Demut, das man das erkennt und – damit auch offen ist für diejenigen, die als Schüler in den Unterricht kommen. Yoga eignet sich sehr gut, um sich selbst zu erkennen. Ich persönlich brauche das alleine sein. Ich treffe mich nur an ausgewählten Tagen mit Freunden.
Hast du Schülerinnen und Schüler, die dich seit der Eröffnung begleiten?
Ja, und sie sind alle meinen Weg mitgegangen! Dafür bin ich ihnen sehr dankbar, dass ich meine neu erworbene Praxis regelmäßig an ihnen ausprobieren kann. Es sind sehr geduldige und offene Schülerinnen und Schüler.
Was waren rückblickend deine schönsten Momente?
Ein durchgehender und immer wieder berührender Moment ist für mich, wenn die Schüler sich am Ende der Stunde für die Endentspannung mit geschlossenen Augen auf den Rücken legen, da ist viel Vertrauen und Offenheit. Dieses Vertrauen, das mir entgegengebracht wird, finde ich unglaublich – und es rührt mich. Weil ich genau weiß, dass die Menschen aus einer Welt kommen, in der sie stark unter einer Kontrolle stehen, die den ganzen Tag arbeiten, Familie haben und damit natürlich auch viele Pflichten. Ich finde es anrührend und bin stolz, dass die Yoginis seit vielen Jahren regelmäßig zu mir kommen. Das Haus ist aufgeladen von freudiger Offenheit und alle Yoga-Schüler sind im Laufe der Jahre gemeinsam mit mir gewachsen – und ich mit ihnen! Viele meiner heute im Hinterhaus arbeitenden Yoga-Lehrer waren früher selbst Schüler. Michel zum Beispiel kam über die Zen-Meditation zum Yoga. Seit zwei Jahren bietet er zusammen mit Helmut drei Mal in der Woche kostenlos Zen-Meditation an. Eigentlich endet Yoga in der Mediation. Denn im Urtext des Yoga (Pantanjalis Yogasutra) ist nur von einer Asana die Rede, dem stillen Sitz.
Was hat sich für Dich durch die Arbeit im Yogahaus in den letzten 10 Jahren verändert?
Angefangen als Job und Existenzregelung ist immer mehr mein Leben geworden. Es gibt keine Trennung zwischen Freihaben und Yoga. Yoga durchzieht mein komplettes Leben. Durch die eigene Praxis bin ich auch mehr zur Mediation gekommen – das hat sich in den letzten beiden Jahren immer stärker entwickelt. Ich habe durch Yoga gelernt, dass man an einem Ort bleiben kann und sich dieser doch ständig verändert. Durch Yoga habe ich meine Wurzeln entwickelt.
Was ist dein Ausblick für die kommenden 10 Jahre? Was wünscht du Dir?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass oft Dinge passieren, von denen ich mir zuvor gar nicht vorstellen konnte, dass sie passieren. Eigentlich wünsche ich mir Gelassenheit, und das ich mit den Veränderungen und dem Alltäglichen gut klar komme.
Was symbolisiert die Jubiläumspostkarte, die Michel gezeichnet hat, für dich?
Sie symbolisiert sehr schön, dass es am Wichtigsten ist, dass du erkennst, was dein Körper kann und was er will und – ganz wichtig – das es im Yoga nichts zu erreichen gibt. Es gibt vermutlich so viele Asanas wie Menschen. Die heute bestehende Yogapraxis ist auf den westlichen Menschen abgestimmt. Wichtig ist, dass man bei der Ausübung gut ausgerichtet ist, damit keine Verletzungen entstehen.
Wie würdest Du Deine Art, Yoga zu unterrichten, am ehesten beschreiben?
Ich habe im Vorfeld natürlich eine Idee und frage meine Schüler nach ihren Wünschen. Wenn ich außerdem sehe, dass zum Beispiel das Energielevel niedrig ist, versuche nicht, mich von meinen Vorstellungen nicht leiten zu lassen, sondern wahrzunehmen, wer vor mich steht. Nach der Philosophie: Unterrichte, was du siehst. Und dass ich immer davon ausgehe, dass jeder der kommt, 100 Prozent gibt. Es geht beim Unterrichten immer um Freiheit. Ich möchte nicht, dass die Leute denken: Ich kann das nicht, sondern möchte gerne, das die Leute in diesem geschützten Raum jeden Ehrgeiz verlieren. Hier darf alles eineinhalb Stunden wegfallen. Ich habe Ruhe vor allem – jetzt bin ich dran, alles andere kann warten. Und natürlich, dass mindestens einmal in der Yogastunde gelacht wird.
Was ist Dein persönliches Lebensmotto?
Ich versuche, die Dinge die ich tue, so gut zu machen, wie ich es kann – nicht so gut, wie sie sein sollen. Was mich im Moment umtreibt ist im übertragen sinne folgendes: Wenn du eine Sonnenblume bist, bist du eine Sonnenblume und keine Rose. Ich möchte die sein, die ich bin. Außerdem kann ich nichts verändern, wenn ich mich vorher nicht erkannt habe.
Ein Tipp von Dir für Suchende
Sei wie die du bist, irgendwann kommt es sowieso raus.
Was ist Dein persönlicher Energieort?
Meine Oase ist das Strickcafe im Café Anderswo. Generell gilt: Wo man etwas hingibt, bekommt man auch wieder was zurück. Das funktioniert tatsächlich – einfach mal ausprobieren.
Wie feierst du das Jubiläum?
Am Samstag, 15. November, 8 bis 17.30 Uhr, richte ich ein Fest für und mit meinen Yogaschülerinnen und -schülern sowie Wegbegleitern aus. Gestartet wird um 8 Uhr mit einer ZEN-Mediation, es folgen um 9 Uhr Yoga mit Michel und um 11 Uhr Kundalini Yoga mit Elke. Ab 12 Uhr gibt es dann leckeres Essen und Trinken und ab 14.30 Uhr (Chor-) Musik mit Gerrit. Nach einem „nostalgischen Rückblick“ mit Filmen von meiner Eröffnung , die meine Tochter seinerzeit gedreht hat, endet das fröhliche und entspannte Fest für die Freunde des Yogahauses mit einer Yogastunde mit mir (um 16 Uhr) und dem OM-Teppich (um 17 Uhr). Aktuelle Infos gibt es außerdem online unter www.yogaimhinterhaus.de
http://www.yogaimhinterhaus.de/