Direkt zum Inhalt wechseln
|

Das große 2×5-Interview: Martin Schmidt, 45 Jahre, Musiker (u.a. The Razorblades)

2x5_MartinSchmidt_ganzseitig

Interview Dirk Fellinghauer. Foto Arne Landwehr.

BERUF

The Razorblades gelten als eine der besten Surfrock-Bands Europas. Was ist das Besondere an der „21st century surf music“ deiner Band?

Wir versuchen, den Geist der alten Musik – Surfrock ist in den 1960er-Jahren in Kalifornien entstanden –  mit modernen Einflüssen zu kombinieren, mit Punkrock, 80-ies Underground, Rockabilly, Ska und Reggaegrooves. Uns kennzeichnet eine schnelle energetische Spielweise, auch live. Wir stehen nicht auf der Bühne rum, schauen nach unten und spielen unsere Songs perfekt ab. Ich lege viel Wert auf Interaktion, laufe durchs Publikum, animiere zum Mitsingen und erzähle viel über die Songs und ihre Geschichte.

Wie hat sich das Dasein als Berufsmusiker seit der Gründung der Band im Jahr 2002 entwickelt?

Für mich persönlich hat es sich gut entwickelt. Ich habe viel zu tun durch verschiedene Tätigkeiten. Ich spiele etwa siebzig Auftritte im Jahr, ich schreibe als Journalist unter anderem für das Fachmagazin „Gitarre & Bass“, arbeite als Dozent für Gitarre und seit neuestem auch für Musikbusiness.

Und du bist auch noch Buchautor.

Ich habe zwei Bücher geschrieben, „Surf Beat“, das erste Lexikon der Surfmusik“, das 2007 im Mainzer Ventil Verlag erschien, und kürzlich „Der Gitarrenheld“, mit meinen eigenen Songs zum Nachspielen für ambitionierte Nachwuchsgitarristen. Ich kam darauf, weil meine Schüler am meisten Spaß daran haben, komplette Stücke zu spielen. Im Gegensatz dazu arbeiten viele Gitarrenschulen noch sehr traditionell, streng nach Noten. Da dauert es ziemlich lange, bis es mit einem Song einigermaßen klappt.

Wie steht es um die Bedingungen für Musiker insgesamt?

Die Stellung von Livemusik hat sich verändert. Große Konzerte sind nach wie vor erfolgreich, die Kleineren müssen um Publikum kämpfen. Das liegt wohl an den vielen anderen Sachen, die es gibt. Bei Leuten um die Zwanzig gehört ein Konzertbesuch nicht mehr unbedingt zu den allercoolsten Freizeitbeschäftigungen.

Eine coole Sache stellst du zur Feier deines neuen Albums „New Songs For The Weird People“ auf die Beine – nicht einfach ein Releasekonzert, sondern gleich ein ganzes Festival am 19. März im Kulturpalast.

Gemeinsam mit Ulf Glasenhardt vom Kulturpalast hatten wir schon länger die Idee, ein Festival zu machen. Das macht natürlich mehr Sinn mit einem Albumrelease. Da kommen irgendwie immer doppelt so viele Leute, warum auch immer. Rock´n´Roll-Festivals gibt es relativ selten in Wiesbaden. Wir veranstalten das „Rock´n´Roll Noizefest“ mit drei Bands. Außer uns selbst spielen aus Köln The Jancee Pornick Casino, die Rockabilly-Punkrock mit russischer Folklore kombinieren und Pirato Ketchup, eine befreundete Band aus Belgien. Dazu gibt es thematisch passende Stände – einen Vintage-Markt, Großmanns aus Mainz ist dabei, die Haartisten schneiden Haare, ab 18 Uhr gibt es Barbecue und Falk Fatal legt zur Party auf.

MENSCH

Dein neues Album heißt „Songs for the Weird People“, also „Lieder für die seltsamen Menschen“. Was ist an dir selbst seltsam?

Ich persönlich finde mich überhaupt nicht seltsam. Andere sehen das vielleicht anders, schon seit ich Jugendlicher bin. Ich hatte schon in der Schulzeit ein Faible für Subkulturen und habe immer versucht, einen alternativen Weg zu gehen. Was will ich machen? Was gefällt mir? Das waren immer Fragen, an denen ich mich auch beruflich ausrichte und die mir auch musikalisch wichtig sind. Ich könnte heute nicht in einer Coverband spielen. Ich habe das mal für zwei Jahre ausprobiert, aber das ging auf Dauer nicht. Da kam ich mir zu sehr wie ein Dienstleister vor und nicht wie ein Musiker.

Du hast mit deiner Band rund 600 Konzerte in dreizehn Ländern Europas und in den USA gespielt. Fühlst du dich da auch als Botschafter Wiesbadens?

Ich bin kein Botschafter einer Stadt oder eines Landes, sondern für eine bestimmte Art von Musik. In der alternativen Rockszene sind die Leute eigentlich überall sehr ähnlich. Da spielt es keine Rolle, ob man in Spanien, England oder Deutschland ist. Man hört dieselben Bands, hat ähnliche politische oder gesellschaftliche Einstellungen. So viel anders ist die Bar in Hamburg oder Berlin auch nicht.

Touren heißt Feiern – wie wild geht, oder ging, es bei euch dazu?

Immer weniger wild. Touren heißt vor allem harte Arbeit. Ich spiele da nicht einfach Gitarre, gehe anschließend von der Bühne und trinke Bier. Ich spiele Gitarre, gehe anschließend von der Bühne und verkaufe Merchandise, räume die Bühne ab, und am nächsten Tag fahre ich dreihundert, vierhundert Kilometer über die Autobahn zum nächsten Auftritt. Es gibt Musiker, die all das auch mit starkem Hangover oder Restalkohol können und wollen, ich gehöre nicht dazu. Das Feiern ist schon rückläufig. Diese Klischees werden überbewertet. Viele Musiker versuchen irgendwann, eine gesunde Balance hinzukriegen. Wenn man an fünfzig Auftrittstagen im Jahr kostenlos Alkohol kriegt, ist das auf Dauer nicht gesund und erstrebenswert.

Was ist das Wichtigste für dich im Leben?

Musik zu machen und sich künstlerisch auszudrücken – konsequent an Sachen zu arbeiten, auch wenn es nicht kommerziell erfolgreich ist, nicht nur einfach irgendwas machen, was dem Zeitgeist entspricht – und damit glücklich zu sein. Einen Weg zu finden, das zu machen, was man wirklich möchte und damit komfortabel zu leben. Ich bin kein Fan dieser Künstlerromantik à la „Ich bin Künstler, habe kein Geld und finde das toll“.

Am 6. März ist Kommunalwahl. Gehst du wählen?

Ich finde es sehr wichtig, wählen zu gehen. Ich kann mit einer Politik- und Demokratieverdrossenheit wenig anfangen. Ich finde es naiv, einfach zu sagen, alle Politiker sind korrupte Schweine.

TheRazorblades_Release

Am Samstag, 19. März, steigt das große Rock´n´R0ll Noizefest zum CD-Release von The Razorblades im Kulturpalast. sensor präsentiert die Sause mit gleich drei Livebands und einigen Überraschungen und verlost 3×2 Freikarten: Mail an losi@sensor-wiesbaden.de