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Das große 2×5-Interview: Moritz Richter, Sprecher Fridays for Future Wiesbaden, 16 Jahre

Interview: Dirk Fellinghauer. Foto: Arne  Landwehr.

Berufung

Wie ist Fridays for Future in Wiesbaden aufgestellt?

Es kommen immer wieder viele neue Menschen dazu, vor allem junge Menschen, der Jüngste ist 12. Wir sind sehr jung und bunt – und motiviert, etwas zu bewegen. In unserer Signal-Gruppe sind gut vierzig Leute, davon vielleicht ein Viertel richtig aktiv. Vor großen Aktionen wie gerade bei unserem Klimastreik sind es mehr. Den Schulstreik legt jede Ortsgruppe so aus, wie sie möchte. Einige starten erst um 15 Uhr, wir um 12 Uhr. Wir finden, das gehört dazu, um der Politik klarzumachen: Wir meinen es immer noch ernst und schwänzen dafür auch die Schule, wenn es sein muss. Der Hype um Fridays for Future ist ja ein bisschen erloschen. Wir kriegen nicht mehr so viele Menschen auf die Straße. In Wiesbaden haben wir zuletzt einiges in Richtung Nachhaltigkeit bei Kleidung gemacht, zum Beispiel die große Kleidertausch-Party beim Superblock-Sonntag. Wir kooperieren auch mit dem Umweltladen, wo jetzt im Laden Kleider getauscht werden können.

 

Wie bist du selbst zu Fridays for Future gekommen?

Durch Hendrik Schücke. Vor einem Jahr waren wir zusammen auf einer Freizeit. Ich fragte ihn so Smalltalk-mäßig, „was machst du so in deiner Freizeit?“ – dann meinte er, er sei im Stadtschüler:innenrat und bei Fridays for Future und spiele Fußball und was weiß ich noch alles. Er hat eine ganze Liste an Sachen aufgezählt, macht gefühlt alles in Wiesbaden. Ich habe mich gefragt, wie er für das alles Zeit findet. Ich fand es aber so cool, dass ich die ganze Freizeit über darüber nachgedacht habe, ein Teil von Fridays for Future zu sein. Und jetzt bin ich dabei – als Sprecher in Wiesbaden und auch auf Bundesebene für Presse mitverantwortlich. Jetzt im Herbst will ich auch als Stadtschulsprecher kandidieren. Ich würde auf lokaler Ebene versuchen, noch mehr für den Klimaschutz zu tun.

Was für ein „Klima“ herrscht bei Fridays for Future?

Auf Bundesebene läuft das meiste über WhatsApp oder Zoom-Meetings. Auf lokaler Ebene läuft das Ganze sehr freundschaftlich und möglichst ohne Hierarchien. Es sind auch feste Freundschaften daraus entstanden. Wir verstehen uns alle sehr gut untereinander. Das macht auch einiges bei der Arbeit sehr viel leichter.

In dem Aufruf zu eurem letzten großen Klimastreik habt ihr geschrieben: „Nach einer Ewigkeit voller Schulstreiks und anderer Aktionen wurden leider immer noch keine ausreichenden Maßnahmen zur Einhaltung des 1,5°C- Ziels getroffen!“. Ist das nicht frustrierend?

Schon! Gerade ist eine Studie rausgekommen, die besagt, wenn die Politik so weitermacht wie bisher, dann ist Deutschland bei 2,2 Grad, also 0,7 Grad über dem Klimaziel. Das hätte extreme Folgen für das Klima weltweit. Bei anderen Ländern ist es noch krasser, Kanada liegt zum Beispiel bei 3,5 Grad. Diese Studie bekräftigt nochmal, dass man handeln und noch mehr Maßnahmen ergreifen muss – wie zum Beispiel das 100-Milliarden-Klimapaket, das Fridays for Future jetzt vorgeschlagen hat für Sofortmaßnahmen, um das 1,5-Grad-Ziel noch irgendwie zu erreichen.

Wie radikal darf – oder soll – der Kampf für den Klimaschutz sein?

Fridays for Future ist an sich nicht radikal – beziehungsweise ist es die Frage, wie man radikal definiert. Es leitet sich ja ab von „radicus“, also etwas an der Wurzel bekämpfen. Fridays for Future macht sehr viel mit Menschen, die Dinge an der Wurzel bekämpfen, zum Beispiel in Lützerath. Ich persönlich bin der Meinung, dass Fridays for Future weder radikal noch extremistisch ist. Wenn es aber so weitergeht mit der Klimapolitik, könnte sich das ändern. Gerade enttäuschen mich alle Politiker. Straßenblockaden machen wir nicht – wir machen nur Großdemonstrationen, um auf Klimaprobleme und die Notwendigkeit von sozialer Gerechtigkeit aufmerksam zu machen. Uns geht es auch um sozialen Klimaschutz. Es kann nicht angehen, dass der reiche Mensch sehr viel mehr fürs Klima tun kann als jemand, der nicht so wohlhaben ist. Da muss die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen. Man darf nicht Profit über den Klimaschutz, und damit über Menschenleben, stellen.

MENSCH

Laut einer gerade zum 100-jährigen Jubiläum der in Wiesbaden ansässigen R&V Versicherung veröffentlichten Zukunftsstudie sehen 68 Prozent der jungen Leute die Zukunft der Gesellschaft eher düster. Du auch?

Ja! Wenn wir so weitermachen, so verschwenderisch leben, dann sind wir irgendwann am Ende. Wir können in dreißig Jahren nicht mehr das Leben so führen, wie wir es heute tun. Wir merken jetzt schon, die Sommer werden immer heißer und heißer, der Winter kommt immer früher. Oder auch der ausgetrocknete Rhein, da hätte ich fast nach Mainz laufen können.

Nachhaltigkeit verbinden die meisten mit Verzicht. Auf was kannst du nicht verzichten?

Auf mein Handy. Und auf Mate. Nachhaltigkeit muss aber nicht direkt Verzicht bedeuten oder dass man sich einschränken muss. Man kann darauf achten, wie man lebt, und versuchen, etwas bewusster zu leben. Zum Beispiel, sich seine Autofahrten genauer zu überlegen. Es gibt für vieles Alternativen. Diese Alternativen sehen die meisten Menschen einfach nicht und denken, die wollen uns nur alles verbieten. Das ist das Problem, warum Klimaschutz und die Bewegung so schlecht gemacht werden.

Du hattest auch für den Kulturbeirat kandidiert. Wie nimmst du durch die jugendliche Brille das kulturelle Angebot in Wiesbaden wahr?

Wir haben ja nun eine junge Person im Kulturbeirat, ich glaube, sie ist 26. Vielleicht wird dadurch die Kulturszene in Wiesbaden ein bisschen jünger. Klar, wir haben den Schlachthof. Aber sonst fehlt mir Kulturprogramm für junge Leute. Und auch, dass man darauf aufmerksam macht, dass es Kultur in Wiesbaden gibt. Wahrscheinlich wissen viele Jugendliche nicht, was man alles machen kann. So etwas in Richtung Kulturkoordinierungsstelle für Jugendliche wäre gut. Es sollte auf jeden Fall mehr sein.

Was machst du in der Freizeit, die dir bleibt?

In meinem Bett liegen und YouTube oder Tiktok schauen, oder auf Instagram surfen. Sonst gerne am Wochenende mit Freunden ausgehen, gerne zum Schlachthof. Oder auch mal ins Galli Theater, weil meine Freunde da Theater spielen und ich ihnen dann bei ihren Auftritten zugucke. Ich mache gerade mein Fachabi und ein Jahrespraktikum in der Fachrichtung Gesundheit und Pflege auf einer Unfallchirurgie in Wiesbaden. Das Schichtsystem überfordert mich als 16-Jährigen. Ich bin immer ziemlich müde ,und wenn ich nach der Frühschicht nach Hause fahre, schlafe ich den ganzen Tag. Da habe ich keine Zeit mehr für Freunde.

Was ist dein persönliches Konzept für den bevorstehenden „Jede Kilowatt Stunde zählt“-Energiespar-Winter?

Ich heize mein Zimmer nicht. Auch nicht bei den jetzt kalten Temperaturen. Früher habe ich im Winter immer gerne die Heizung angemacht, damit mein Zimmer, wenn ich nach Hause komme, schon ein bisschen wärmer ist. Das lasse ich jetzt bleiben. Mein Vorteil dabei ist, dass ich nicht so viel zu Hause bin, da spare ich dann auch Kilowattstunden (lacht). Man achtet auf jeden Fall mehr als früher drauf, lässt nicht mehr das Licht abends in jedem Zimmer an und solche Sachen.