Von Hendrik Jung, Fotos Samira Schulz
Sie heißen „Live Escape Room“ oder „Exit Game“ und lassen Mitspieler in unterschiedlichste Welten eintauchen. Das Ziel ist immer gleich: Nix wie raus!
Weltweit wächst die Zahl der sogenannten „Escape Rooms“ rasant. 2007 in Japan auf Basis von Computerspielen entstanden, lassen sich längst auch in Europa und seit ein paar Jahren in Deutschland Menschen freiwillig in Gruppen einsperren. Sie treten ein, um abgeschottet von der Außenwelt im Team knifflige Aufgaben und Rätsel zu lösen – Voraussetzung, um dem Raum wieder zu „entkommen“. Mittlerweile hat der Trend das Rhein-Main erreicht. Bisher zwei Anbieter in Wiesbaden und einer in Mainz sind erst der Anfang, weitere sind schon in den Startlöchern. Höchste Zeit, den Selbstversuch zu wagen, und zu checken, was die einzelnen Locations so zu bieten haben.
77 Sekunden später, und ich hätte meinen dann letzten Bericht für den sensor aus dem All gekabelt. Denn das ist exakt die Zeit, die am Ende übrig geblieben ist von Stund, die uns zur Verfügung steht, um aus dem kaputten Raumschiff, in dem wir stecken, den Rücktransport zur Erde zu schaffen. Wir, das ist in diesem Fall ein Team bestehend aus drei jungen Damen, die ich vorher nicht kannte, und mir. Gemeinsam spielen wir den Escape-Room mit dem Titel „Lost in Space“. Als einziger Mann an Bord bin ich sozusagen der Lieutenant Uhura der Besatzung. Sogar der Bordcomputer ist weiblich. Aber Maji, Grace, Kimana und ich wachsen schnell zu einem guten Team zusammen und stellen im Laufe der Zeit immer mehr fest, wie kommunikativ und hilfreich der Bordcomputer sein kann.
Zunächst aber stehen wir, wie meist zu Beginn eines Escape Room-Abenteuers, ein wenig orientierungslos im Raum und suchen einen Ansatz, unser Problem zu lösen. Das besteht eben darin, mit unserem kaputten Raumschiff nicht im All verloren zu gehen. Auf der Brücke entdecken wir eine Vielzahl an Tabellen, Gleichungen und Gerätschaften, von denen die meisten uns bei unserer Mission sicher behilflich sein können.
Wir haben ja viel Zeit. Noch …
Vor allem aber hängen überall Zahlenschlösser, deren Codes wir über das Lösen der Aufgaben ermitteln sollen und hinter denen sich nicht selten zusätzliche Schlösser und weitere Rätsel verbergen. Es dauert also einen kleinen Moment, bis wir die ersten Hinweise den zu lösenden Aufgaben zuordnen können. Aber wir haben ja auch viel Zeit. Noch. Umso mehr Verbindungen wir zwischen den im Raum installierten Objekten, den an allen möglichen und unmöglichen Stellen versteckten Ziffern und den Schlössern ziehen können, um so mehr verschwindet mein Zeitgefühl, und ich gerate in den Sog der Geschichte. Wenn es dann doch mal hakt, gibt es ja noch den Bordcomputer, der anscheinend ebenfalls Heimweh nach Mutter Erde hat und uns bei unserer Mission behilflich ist. Das ist auch gut so, denn natürlich nimmt der Zeitdruck mehr und mehr zu, und die Situation wird im wahrsten Sinne des Wortes immer heißer. Die Aufgabe, das Belüftungssystem mit einem Fön frei zu blasen, überlasse ich den Mädels. Das ist eindeutig ihr Werkzeug. Währenddessen versuche ich, durch die Befragung des Bordcomputers zu schnelleren Lösungen zu gelangen. Nicht umsonst ist Lieutnant Uhura Kommunikationsoffizier. Am Ende wird es richtig hektisch, doch als die Uhr bei 1:17 stehen bleibt, verlässt das gesamte Team mit zufriedenem Lächeln und leuchtenden Augen den Raum. Wir sind ihm und seinen Gefahren entkommen!
Die Vielfalt der Welten, in die Teilnehmer eines „Live Escape Game“ eintauchen können, ist bunt und vielfältig. Die Szenarien, oft mit Lokalkolorit, reichen von klassischen Kriminalgeschichten über historische Abenteuer oder Science-Fiction-Welten bis hin zur Verarbeitung literarischer Vorlagen.
TIXS – The Countdown Games Company, Luisenstraße 8, Wiesbaden, Preise pro Spiel: 60 EUR (2 Personen), 81 EUR (3 Pers.), 100 EUR (4 Pers.), 115 EUR (5 Pers.) www.countdown-games.de
Das Unternehmen ist der Pionier der Escape Room-Anbieter in Mainz und Wiesbaden. Im Mai 2014 ist man hier mit „Enterbt“, einem Spiel rund um ein verlorenes Testament, gestartet. Zurzeit kann es noch gespielt werden. Geplant ist aber, Platz für ein neues Setting zu schaffen, das im kommenden Jahr an den Start gehen soll. Dabei möchte sich TIXS-Mitbegründer Shaun Shrubsall in Zukunft weg von den Zahlenschlössern hin zu automatisierten Systemen bewegen. Dennoch werde nach wie vor großer Wert darauf gelegt, dass jeder Raum von einem eigenen Operator betreut wird, da jede Gruppe ganz individuelle Unterstützung benötige.
Exit Experience, Dammweg 7a sowie In der Dalheimer Wiese 20, Mainz-Laubenheim und Mainz-Mombach, Preise pro Person: 33 EUR (bei 2 Pers.), 29 EUR (3 Pers.), 25 EUR (4 Pers.), 22 EUR (5 Pers.), 20 EUR (6 Pers.) www.exit-experience.de
Mit sechs verschiedenen Escape Rooms, darunter auch ein Atombunker-Szenario, aktuell der größte Anbieter in Mainz und Wiesbaden. Derzeit plant Inhaber Julien Sotir bereits drei weitere Räume. Diese sollen nach literarischen Vorlagen gestaltet werden. Genau wie die bereits existierenden, die unter anderem Willy Wonka oder dem großen Gatsby gewidmet sind. Bei der Umsetzung werde großer Wert auf den Einsatz sensorisch-reaktiver Technik gelegt, bei der die Spielenden durch ihre Handlungen beispielsweise das Verschieben von Wänden auslösen können, erklärt der Chef. Auch die Musik sei der Handlung dynamisch angepasst und Hinweise würden der Situation entsprechend persönlich auf akustische Weise erteilt. Darüber hinaus werden über die Veränderung der Lichtstimmung neue Welten erschaffen.
Exitmission, Friedrich-Bergius-Straße 17, Wiesbaden-Biebrich, Preise pro Person: 29 EUR (2-3 Pers.), 25 EUR (4-5 Pers.), 20 EUR (6-8 Pers.) www.exitmission.com
Geschäftsführer Ladislau Balazs hat große Pläne. Mit Hilfe eines Investors soll ein Gebäude entstehen, in dem zehn bis 15 Szenarien parallel gespielt werden können. Dennoch soll auch in Zukunft jeder Raum von einem eigenen Operator betreut werden und über ein spezifisches bauliches Setting verfügen, das sich im Laufe der Handlung aber auch verändern kann. Im Moment werden zwei Escape Rooms zu den Themen „Mord am Rhein“ und „Casino Royal“ angeboten. Ein dritter Raum mit dem Titel „Alice in Wonderland“ ist in Vorbereitung. Wichtig sei, dass stets alle Team-Mitglieder in den Lösungsprozess eingebunden sein können. International gehe der Trend dahin, dass die Handlung der Geschichte nicht auf einen einzigen Raum beschränkt bleibe, was man im neuen Haus nun ebenfalls realisieren wolle.
Badhaus Skurrilum, Häfnergasse 3, Wiesbaden (ab 2017)
Für 2017 ist ein neues Escape-Room-Angebot im Obergeschoss der Badhaus-Bar vorgesehen. Wie Christian Liffers berichtet, haben sich die Betreiber dafür Corny Littmann vom Hamburger Schmidt-Theater ins Boot geholt. Geplant ist, hier eine Außenstelle des in der Hansestadt ansässigen Escape-Rooms Skurrilum zu installieren. Dabei soll es sich keinesfalls um eine Kopie des Originals handeln. Durchaus aber soll auch bei den drei geplanten Räumen des Wiesbadener Ablegers deutlich werden, dass es sich bei den Betreibern um Theater-Macher handelt. Versprochen werden viel Musik, zahlreiche Details und eine Herangehensweise, bei der alle Sinne der Spielenden angesprochen werden.