Wiesbaden wählt den Neuanfang,
liebe sensor-Leserinnen und –Leser, das ist doch das Gebot der Stunde nach all dem, was in den letzten Monaten so rund um das Wiesbadener Rathaus passiert ist. Komischerweise konnte ich diesen Slogan, dieses eindeutige Versprechen, bisher auf keinem der Plakate zur anstehenden Oberbürgermeister-Wahl am 26. Mai entdecken.
Die Kür der Kandidatenschar verlief ja auch bei einigen der Parteien eher mühsam, verkrampft und suboptimal. Manches war darüber zu lesen, manches bekommt man erzählt. Schade auf jeden Fall, dass keine der Parteien den Mut hatte, mal etwas wirklich Neues zu wagen in Sachen OB-Kandidatur.
Die Gunst der Stunde wäre wohl nie so günstig gewesen wie diesmal, wo alles anders ist, seit der amtierende OB aus bekannten Gründen erklärt hat, dass er nicht mehr antreten wird. Er selbst hat angeblich schon einen neuen Job, so munkelt es auf den geschwätzigen Rathausfluren (während in seinem Noch-Büro stundenweise die Staatsanwaltschaft ihren Job erledigt). Keine Ahnung, was da dran ist. Gerüchte, Gerüchte, und nix Genaues weiß man nicht. Aber Spekulieren macht ja immer Spaß. Auch wenn die Lage eigentlich ernst ist.
Kein Gerücht, und auch kein Spaß: Sie haben es in der Hand, wer neue/r Oberbürgermeister/in von Wiesbaden wird (übrigens schon jetzt, wenn Sie möchten – Briefwahl ist bereits, wie auch für die Europawahl, möglich). Dass man vielleicht von der Kandidatenriege insgesamt nicht so absolut begeistert ist, soll und darf kein Grund sein, keine/n aus der Riege der Dame und der fünf wählbaren Herren zu wählen. Man sollte sich schon die Mühe machen, sich alle mal genauer anzuschauen und abzuwägen, wer von ihnen am Ende vielleicht doch die richtige Frau oder der richtige Mann sein könnte, um unsere Stadt in die Zukunft zu führen. Mit Kopf und Verstand, gewiss auch ein wenig mit Herz und Bauch.
Das Rennen scheint sehr offen zu sein. Wer sich mit unterschiedlichen Menschen unterhält, bekommt ganz unterschiedliche Prognosen, wer das Rennen machen wird – und alle erscheinen auf ihre Art irgendwie einleuchtend. Diesmal gilt also nicht nur wie immer, sondern vielleicht sogar mehr denn je: Jede Stimme zählt! Ihre Stimme zählt!
Ich selbst bin auch noch unentschlossen, bei wem ich schließlich am 26. Mai – und bei einer voraussichtlichen Stichwahl am 16. Juni – mein Kreuzchen mache. Aber dass ich bei der Frau oder bei einem der Herren mein Kreuzchen machen werde, das kann ich Ihnen schon mal verraten. Und Ihnen kann ich raten: Nutzen Sie jede Gelegenheit, die Kandidatenschar zu treffen und sich persönliche Eindrücke zu machen – wer das ist und wo das sein könnte, lesen Sie im neuen sensor auf Seite 11. Nach einigen persönlichen Begegnungen bin ich übrigens durchaus zuversichtlich, dass die oder der letztlich strahlende SiegerIn am Ende den Job an der Rathausspitze sehr ernsthaft, motiviert und entschlossen angehen wird. Die Hoffnung auf den Neuanfang stirbt zuletzt.
Wie Neuanfang geht, darüber könnten PolitikerInnen zum Beispiel auch prima mit Flüchtlingen ins Gespräch kommen. Die allermeisten derer, die zu uns gekommen sind und kommen, tun sehr viel dafür, um ihre schwierige Situation zu meistern. Die bisher noch wenigsten unter ihnen wagen es, einen Neuanfang mit einem eigenen Geschäft zu versuchen. Wer es gewagt hat, was sie antreibt und motiviert, und auch, was andere (noch) davon abhält, das ist das Thema unserer Titelgeschichte. Refugees say: Welcome! Schauen Sie doch mal in den Geschäften dieser Neu-WiesbadenerInnen vorbei.
Alles neu macht der Mai – lesen Sie gut, und wählen Sie gut.
Dirk Fellinghauer, sensor-Maikäfer
PS: Fast alle OB-KandidatInnen kamen zur Extraausgabe von „Der visionäre Frühschoppen“ im überfüllten Walhalla im Exil. Alles dort Gefragte und Gesagte können Sie nachhören im sensor-Podcast via https://anchor.fm/der-visionre-frhschoppen
(Foto: Michael Eibes)