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Editorial November-sensor: Wie halten Sie es mit der Haltung?

„Wir hasten von Haltung zu Haltung und kommen kaum zum Innehalten. … Wir sollten uns mehr Zeit nehmen für unsere ganz persönliche Haltung.“ Foto: Michael Eibes

„Wir sollten weiterhin und mit frischem Elan machen, was wir schon immer tun mussten: schlechte Rede mit besserer Rede kontern, falschen Narrativen bessere entgegensetzen, auf Hass mit Liebe antworten und nicht die Hoffnung aufgeben, dass sich die Wahrheit selbst in einer Zeit der Lügen durchsetzen kann.“  (Salman Rushdie, Paulskirche Frankfurt, 22. Oktober 2023, Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels)


Wie halten Sie es mit der Haltung,

liebe sensor-Leser:innen? Ist Ihre Haltung unumstößlich, oder gerät sie ins Wanken? Welche Haltung ich meine, mag Ihre Gegenfrage sein, denn „die“ Haltung, die jemand hat, die eine:n ausmacht und prägt, reicht ja längst nicht mehr in diesen haltungsfordernden Zeiten. Man muss viele Haltungen haben, zu allem und zu jedem. Positionierung ist wichtig und bitte schnell, schnell, jetzt sofort ist die Haltung gefragt zu Thema x und zu Person y. Auf der in immer größere Turbulenzen geratenden Welt. Aber durchaus auch in Wiesbaden.

Wir hasten von Haltung zu Haltung und kommen kaum zum Innehalten. Wer zuerst Haltung zeigt, findet zuerst Gehör, und wenn eine Haltung erstmal zur dominanten avanciert ist, fällt es schwer, einen klaren Kopf zu behalten für eine klare eigene Haltung. Und erst recht, diese auch zu artikulieren.

Lassen wir uns nicht so sehr „von außen“ mitreißen

Meine Haltung ist: Wir sollten uns mehr Zeit nehmen für unsere ganz persönliche Haltung. Und so wie Anouk Lamm Anouk – die bemerkenswerte Wiener Künstler:in, die ich für ein Porträt in dieser Ausgabe treffen durfte und die Sie noch bis 3. Dezember im frauen museum entdecken können, entdecken dürfen und sollten – versuchen, uns nicht so sehr „von außen“ mitreißen zu lassen, sondern unserem inneren Tempo zu folgen. Das tut uns gut. Es tut unserer Haltung gut. Und es tut gewiss auch den Themen und Beteiligten gut, zu denen wir in aller Ruhe eine Haltung entwickeln. Oder vielleicht auch mal nicht. Richtig ist ja schließlich auch: Wenn man keine Ahnung hat, dann einfach mal … genau!  Sonst wird oder wirkt man nämlich – Achtung, kleiner Beweisexkurs, dass ich in Sachen Jugendsprache auf dem Stand der Dinge bin – schnell goofy.

Wenn Sie sensor lesen, bekommen Sie eine Ahnung von Wiesbaden. Von Themen, die die Stadt bewegen. Von Menschen, die sich in der Stadt und für die Stadt bewegen. Unser großes Thema dieser Ausgabe heißt Inklusion. Beim Eintauchen in das Thema hat sich schnell ein Fokus auf Arbeit und Inklusion herauskristallisiert als besonders relevant und interessant. Darum dreht sich unsere Titelstory darum, im Verlauf der Ausgabe begegnen Ihnen weitere Facetten der Inklusion. Auf den Punkt bringt IFB-Geschäftsführerin Melissa Groh den Anspruch an uns alle, wenn es um den Umgang mit Behinderten geht: „Die Haltung muss stimmen.“ Dem schließe ich mich ganz spontan und wohlüberlegt an.

Dirk Fellinghauer, sensor-Haltungsexperte

PS: Was halten Sie davon, sich Visionen zu widmen? „Der visionäre Frühschoppen“ eine gemeinsame haltungsstarke Veranstaltung von sensor und Walhalla im EXIL – findet, diesmal im Rahmen der Reihe „Wir in Wiesbaden“ und ausnahmsweise zu Gast in der wundervollen Godot Kulturwerkstatt in der Westendstraße, am Sonntag, 19. November, um 12 Uhr statt. Thema: „Zivilgesellschaft im Klimawandel“. Ich moderiere und freue mich, wenn Sie auch kommen.