Von Hendrik Jung, Dirk Fellinghauer. Fotos Samira Schulz
Im Juni ist es wieder so weit – „Auf die Räder, Bürger!“, schallt es aus dem Rathaus: Wiesbaden macht mit beim „Stadtradeln“, der vom „Klima-Bündnis“ in Zusammenarbeit mit (in diesem Jahr insgesamt 776) Kommunen organisierten größten internationalen Radkampagne. Drei Wochen lang sollen so viele Menschen wie möglich ihre täglichen Fahrten auf dem Fahrrad absolvieren – und dokumentieren. Jeder gefahrene Kilometer zählt und hilft, Emissionen zu sparen. Ob Einwohnerinnen und Einwohner oder solche, die in Wiesbaden unterwegs sind, weil sie hier arbeiten, studieren oder Vereinsangebote nutzen: Alle haben die Möglichkeit, ein Team zu gründen oder sich einem bereits bestehenden anzuschließen. Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe sind rund 370 Radelnde in 54 Teams gemeldet. Vereine, Firmen, Cliquen, Ämter, Stadtviertel, Schulklassen – der Teamgründungsfantasie sind keine Grenzen gesetzt. Dem Radfahrvergnügen in unserer Stadt schon. Wobei …
Fahrradfreundliche Großwetterlage
Alle, die in diesem Jahr mitmachen, radeln durch eine Stadt, die im vergangenen Jahr ihren letzten Platz beim bundesweiten Fahrradklima-Test „erfolgreich“ verteidigt hat – in der sich aber endlich spürbar etwas tut in Sachen „Fahrradklima“. Sogar der chronisch kritische Aktivist Gunnar „Günni“ Langer, Sprecher des in Wiesbaden sehr rührigen Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), konstatierte kürzlich: „Die politische Großwetterlage ist aktuell fahrradfreundlich.“ Ein anderer stadtbekannter Engagierter in Sachen Radverkehr äußerte: „Im letzten Jahr hat sich in Wiesbaden mehr getan als in den letzten zehn Jahren zusammen.“ Mächtig auf die Tube drückt dabei Andreas Kowol, der vor gut einem Jahr sein Amt als neuer Verkehrs- und Umweltdezernent in Wiesbaden angetreten hat.
Die Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung hat seinem Dezernat für das laufende Jahr 2 Millionen Euro und für das kommende Jahr weitere 2,9 Millionen Euro für den Ausbau des Radverkehrs zur Verfügung gestellt. Und dem privat wie dienstlich selbst passionierten Radfahrer und seinen Mitarbeitern mangelt es augenscheinlich nicht an Ideen, wo und wie diese sinnvoll auszugeben sind.
Fahrradständer und Piktogramme
Erste sichtbare Zeichen im Stadtbild sind etwa die neuen Fahrradabstellplätze, die plötzlich an allen möglichen Ecken und Enden der Stadt auftauchen. Zunächst einmal 500 sollen es im Rahmen eines Sofortprogramms sein. Ortsbeiräte können sich melden, wenn sie weiteren Bedarf sehen. Um die Vernetzung mit dem Öffentlichen Personennahverkehr zu stärken, sollen etwa im Sommer bis zu 100 neue Abstellmöglichkeiten am Hauptbahnhof geschaffen werden. Langfristig sei geplant, hier auch Einstellboxen für hochwertigere Räder anzubieten. Schwerpunktmäßig in der Innenstadt sowie in Mainz-Kasel und -Kostheim sind Piktogramme auf den Fahrbahnen von Einbahnstraßen angebracht worden. Sie signalisieren, dass Radlern an dieser Stelle das Fahren entgegen der Fahrrichtung gestattet ist.
Radwege mit Sicherheitsabstand
Bei der Schaffung von Radwegen und Radfahrstreifen wolle man bis 2020 zunächst das zentrale Grundnetz schaffen, das im Radverkehrskonzept aus dem Jahr 2015 skizziert worden ist, erläutert Daniel Sidiani, Referent für Mobilität im Verkehrsdezernat. Gerade bei der Gestaltung neuer Radfahrstreifen wolle man großen Wert auf ausreichenden Abstand zu Parkplätzen legen, um zusätzliche Sicherheit vor geöffneten Autotüren zu schaffen. Das sei nun erstmals in der Friedrich-Ebert-Allee zum Tragen gekommen, wo die Baumaßnahme mittlerweile nahezu abgeschlossen sei. Mitte Mai ist der erste Spatenstich zur Sanierung der Kasteler Straße erfolgt. In diesem Rahmen soll zusammen mit dem ebenfalls im Bau befindlichen Radweg an der Äppelallee ein durchgehender Radweg zwischen Schierstein und Kastel geschaffen werden. Ein weiterer Lückenschluss soll entlang der Saarstraße erfolgen, der nächste große Schwerpunkt dann die Innenstadt mit Emser Straße und dem Ersten Ring werden.
Verleihsystem startet
Im Juli wird, nach einer fast unendlichen Geschichte zum Thema städtisches Verleihsystem, ESWE Verkehr mit „meinRad Wiesbaden“ ein zusätzliches Angebot zu den 150 Leihrädern schaffen, die bislang durch eine Kooperation des privaten Anbieters Nextbike und des AStA der Hochschule RheinMain zur Verfügung stehen. Es wird an ein in Mainz bereits bestehendes Angebot anknüpfen. Die vorerst 500 orangenen Räder werden an zunächst 50 Stationen in der Innenstadt sowie in Biebrich und Amöneburg stehen. Letztere sollen die Anbindung zu jenen schaffen, die bereits in Kastel und Kostheim existieren. Die entliehenen Räder können an jeder beliebigen Station zurück gegeben werden, auch in Mainz. Perspektivisch wolle man auf 1200 Leihräder aufstocken und auch Pedelecs sowie Lasträder in das System integrieren, berichtet Sidiani. Es bewegt sich also doch was beim Thema Radverkehr, und das sogar in die richtige Richtung. Mit einem Verkehrsdezernenten an der Spitze, der vor seinem Wechsel nach Wiesbaden in gleicher Position in Hanau wirkte – der Aufsteigerkommune im ADFC-Fahrradklimatest 2016 …
Termine und Aktionen
Gemeinsame Radelfreude ist doppelte Radelfreude – und ein wirksames Statement: Je mehr Radler gesehen werden, desto eher werden sie in der Stadtpolitik auch gehört.
Rund ums Jahr findet am 1. Donnerstag im Monat findet der Wiesbadener Fahrradkorso nach dem „Critical Mass“-Prinzip statt. Treffpunkt immer 18 Uhr vor dem Hauptbahnhof. www.verkehrswende-wiesbaden.de
Stadtradeln 2018 läuft in Wiesbaden von 3. bis 23. Juni. Einstieg in bestehende Teams oder Gründung neuer Teams jederzeit noch möglich. Auftaktveranstaltung auf dem Schlossplatz am 3. Juni um 15 Uhr. www.wiesbaden.de/stadtradeln – Hier geht es direkt zum sensor-Stadtradeln-Team – wir freuen uns, wenn unsere LeserInnen mit uns an den Start gehen.
Der ADFC organisiert regelmäßig Radtouren und speziell zum Stadtradeln vom 3. bis 23.Juni „21 Radtouren für alle“, darunter am 14. Juni den Radwandertag „Schülerkorso“. www.adfc-wiesbaden.de
Das 4. Wiesbadener Verkehrswendefest findet nicht, wie geplant, am 24. Juni rund um die Ringkirche statt, sondern wird auf die Europäische Mobilitätswoche im September verlegt. Ein für diesen Sommer angedachter sechswöchiger Verkehrsversuch „Autofreie Ringkirche“ wurde vom Verkehrsdezernat auf 2019 verschoben.
“ Schwerpunktmäßig in der Innenstadt …. Piktogramme auf den Fahrbahnen von Einbahnstraßen
…. . Sie signalisieren, dass Radlern an dieser Stelle das Fahren entgegen der Fahrrichtung gestattet ist.“
# Die meisten Autofahrer glauben das leider nicht, manche werden sehr frech…, also lieber absteigen….
# Manche Strassen eigenen sich eigentlich nicht, weil zu schmal… für den Gegenverkehr mit Fahrrädern..
# Gut geht es auf der Adolfsallee!
Die „Entgegen-die-Einbahnstrassen“-Regelung halte ich für problematisch, da viele Fussgänger gar nicht mitkriegen, dass sich in der Strasse was geändert hat.
Die schauen beim Überqueren der Strasse nur in die Richtung, aus der sie die Autos erwarten. Passiert mir selbst immer wieder.
Da immer noch zu viele Räder weder über Licht noch Klingel verfügen, kann das leicht ins Auge gehn.
Die Piktogramme könnten da schon helfen.
IMMI
Lohnt sich zu lesen!!!
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/als-radfahrer-unterwegs-die-angst-faehrt-mit-15611655.html