Freitagnachmittag in der Wellritzstraße im Wiesbadener Westend, da herrscht bei den zahlreichen türkischen Friseuren Hochbetrieb. Üblicher Trubel auf der Multikulti-Meile zum Start ins Wochenende. So auch am letzten Freitag, an dem aber etwas Entscheidendes anders war: Eno war beim Friseur! Eno, das muss man wissen, ist nicht nur ein Kind der Wellritzstraße, er ist auch ein Rapstar – 36 Millionen Aufrufe seines „Mercedes“-Videos auf YouTube, 1,2 Millionen Instagram-Fans, Platz 5 in den Albumcharts, das sind schon Hausnummern. Und wenn der in der Straße, in der er aufgewachsen ist und nach der er sogar sein letztes Album und seine weitgehend ausverkaufte Deutschland-Tournee benannt hat, zum Friseur geht, dann ist was los. Zwar legte Enos Erscheinen diesmal nicht die ganze Straße lahm, wie im Mai 2018 bei seinem geplanten, eskalierten und dann abgebrochenen Auftritt anlässlich der Eröffnung eines Burgerladens. Für einen kleinen Ausnahmezustand sorgte der 20-Jährige aber auch diesmal.
„Wir hatten gerade bei uns im Kinder- und Jugendzentrum eine Fastnachtsparty gefeiert“, erzählte uns Herbert Cartus, der direkt neben dem Friseur seit 25 Jahren als Erzieher mit den Kids des Viertels arbeitet. Auch Eno, der kurdischer Abstammung ist, im türkischen Elazığ geboren wurde und als 3-Jähriger nach Deutschland kam, gehörte als kleiner Junge zu seinen Schützlingen – und bringt nun Cartus´ heutige „Wellritzhof“-Schützlinge zum Ausflippen: „Plötzlich kam einer der Jungs rein und rief: Eno ist beim Friseur! Da war es mit der Fastnachtsparty vorbei“, berichtete Cartus, der schließlich selbst kostümiert auf der Wellritzstraße stand. Die Kids waren nicht mehr zu halten, rannten rüber zum „Friseur Istanbul“, wo Eno seelenruhig auf dem Stuhl saß wie alle anderen Kunden auch und sich die Haare schön machen ließ.
Handys wurden gezückt, es herrschte ein aufgeregtes Geschnatter. Erst als manche anfingen, an die Scheiben des Geschäfts zu klopfen, wurde es dem Friseurbesitzer zu viel. Er kam raus und ermahnte die jungen Fans knapp und deutlich, sie sollten sich gefälligst benehmen und warten, bis Eno fertig ist. Das taten sie dann auch. Als der Rapper fertig war, fönte und gelte er sich noch kurz selbst und begab sich zum Ausgang – unter riesigem Gekreische verließ er seinen Stammfriseur – hier geht´s zum sensor-Video des kleinen Wahnsinns.
Umgeben vom Pulk der Kinder und Jugendlichen, lief er ein paar Schritte durch die Straße und nahm sich alle Zeit der Welt für Selfies ohne Ende. Das Abschlusskonzert seiner „Wellritzstraße“-Tour hatte Eno kürzlich, präsentiert vom sensor, im Schlachthof absolviert.
Der Gangster-Rapper ist ein lieber Kerl – und will Bauingenieur werden
Ein Riesenerlebnis war dieser Freitagnachmittag für die Kids der Wellritzstraße und auch für manche Eltern, die stolz ihre Selfies herumzeigten – mit dem „Gangster-Rapper“ aus ihrer Hood, der in Wirklichkeit ein ganz lieber Kerl ist und „eigentlich“ an der Hochschule RheinMain in Rüsselsheim ein Bauingenieur-Studium absolviert. Das will er auch auf jeden Fall durchziehen, hat er in Interviews erzählt, „weil man damit später mehr Geld verdienen kann als mit dem Rappen“. Das mache er vor allem aus Spaß, „Cloudrap“ nennt sich sein schwer angesagtes Ding. Sein nächstes Album ist aber schon in der Pipeline, die Vermarktung läuft auf Hochtouren. „Fuchs“ wird es heißen und ist für den 19. April angekündigt. (Text/Fotos Dirk Fellinghauer)