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Familienbande: Das macht die Kunst! Galeristin Christine Rother-Ulrich und ihr „Start-up“-Sohn Christian Rother

Von Martina Meisl. Fotos Samira Schulz

In dieser Rubrik stellen wir Menschen vor, die als Familie etwas Besonderes verbindet. Christine Rother-Ulrich ist Galeristin alter Schule. Ihr Sohn Christian Rother führt das Metier per Start-up in die Zukunft. Auf eigene Faust, aber mit Standleitung zu „Mami“.

Christine Rother-Ulrich erinnert sich noch genau. Es war auf einer längeren Autofahrt nach Ulm, am Ostersamstag vor drei Jahren, als ihr Sohn ihr seine Pläne für „smart-collectors“ eröffnete. „Mir ist der Mund offen stehen geblieben“, sagt die Mitinhaberin der renommierten  Wiesbadener Taunusstraßen-Galerie Rother Winter. Nicht einmal ansatzweise habe sie damit gerechnet, dass Christian einmal in ihre Fußstapfen treten würde. Mit seinem Startup-Unternehmen macht er zwar nicht genau das gleiche, aber er führt das Metier der Mutter gewissermaßen in die Zukunft. Wie sie bietet auch er zeitgenössischen Künstlern eine Plattform, jedoch nicht klassisch über Galerie, Ausstellung und Verkauf. Seit 2017 vermittelt Christian Rother online Kunstwerke zur Miete, mit anschließender Kaufoption.

Parallelen im Lebensweg – und in der Leidenschaft

Bis dahin war sein Berufsweg fernab der Kunst verlaufen – Hotellerie, Bachelor, Master of Business Administration –, was die Überraschung der Mutter erklärt. Dabei findet sich in ihrer beider Leben so manche Parallele, gerade was die Kunst betrifft. Beide wurden hineingeboren in eine Familie, für die Kunst und Kultur schon seit Generationen eine besondere Rolle gespielt hatte. Der Großonkel von Christine Rother-Ulrich war selbst Maler, ihr Vater ein begeisterter Sammler. Als Kind besuchte sie mit den Eltern viele Ausstellungen, „und das nicht immer gerne“, erzählt sie lachend. Woraus die spätere Galeristin ihre Lehren gezogen hat: Ihre eigenen Eröffnungsreden hält sie möglichst kurz und unterhaltsam.

Später jobbte sie im Heidelberger Kunstverein, beruflich jedoch schlug sie – wie ihr Sohn – zunächst eine ganz andere Richtung ein. „Ich war Bankerin.“ Bis ihr Vater durch die Beschäftigung mit dem Nachlass des Onkels auf die Idee kam, gemeinsam mit der Tochter eine Galerie zu eröffnen. Dann starb der Vater, ganz plötzlich, nur zehn Tage nach der Eröffnung. Ein Schock. „Ich wollte alles hinwerfen“, erinnert sich die 63-Jährige. Sie entschied sich aber schließlich doch dafür, dranzubleiben und die Galerie als Vermächtnis des Vaters weiterzuführen.

Sehen lernen beim Häppchen reichen

1994 war das, da war Christian Rother neun Jahre alt, und so ist auch er mit Kunstwerken und Künstlern aufgewachsen. Vor Ausstellungseröffnungen übernachteten die Künstler üblicherweise bei Rothers zu Hause, interessante Persönlichkeiten am Frühstückstisch waren für die Kinder ganz normal. Christian und seine jüngere Schwester Barbara halfen früh bei Ausstellungen mit und reichten auf Vernissagen die Häppchen. „Dabei haben die Kinder das Sehen gelernt“, sagt Mutter Christine. Sein erstes Kunstwerk erwarb der damals Zwölfjährige von seinem Taschengeld. Dieses Stück, ein dreidimensionales abstraktes Objekt, bildete den Grundstock für eine heute recht stattliche Sammlung. Bis er sich die allerdings leisten konnte, ging noch einige Zeit ins Land. In der Zwischenzeit griff er auf den Fundus der Mutter zurück. „Als Student durfte ich in den Keller gehen und mir Kunstwerke leihen – das war natürlich ein Privileg.“ Vielleicht entstand hier schon unterschwellig die Idee, die seinem Startup zugrunde liegt.

Auf persönliche Krise folgt Besinnung auf Werte

Auslöser für seine berufliche Umorientierung war eine persönliche Krise, sagt der 33-Jährige. In dieser Phase habe er sich auf die Werte der vorangegangenen Generationen zurückbesonnen und das dringende Bedürfnis verspürt, die Familientradition weiterzuführen. „Die subtile Prägung hat Spuren hinterlassen“, habe er damals erkannt. Sein BWL-Wissen war natürlich auch hilfreich. „Kunst ist eine Investition, die man nicht austrinken oder abwohnen kann.“  Mit seiner Vermittlung will er breitere Schichten ansprechen, auch Leute, die bisher noch keine Berührung mit Kunst hatten.

„Ich fand das Konzept sofort überzeugend“, sagt die Mutter. Und zukunftsweisend. Denn die klassische Galerie, so vermutet sie, wird es vielleicht in zehn Jahren so nicht mehr geben. „Ein großer Showroom muss erst einmal erwirtschaftet werden.“ Dagegen sitzt das Team von „smart-collectors“ in einem kleinen Büro unter dem Dach der Casino-Gesellschaft und operiert online. Der Jungunternehmer kann auf Netzwerk und Expertise seiner Mutter zurückgreifen und hat eine „Standleitung“ zu ihr. „Wir genießen das gemeinsame Arbeiten jetzt schon zwei Jahre.“ Das ist etwas, das Christine Rother-Ulrich mit ihrem Vater nicht vergönnt war. „Und wir verstehen uns fließend“, betont sie, die stets sofort weiß, was ihr Sohn meint. Die Beziehung sei immer schon harmonisch gewesen, erklären beide, und Christian nennt sich scherzhaft „Mami-Kind“. Bei aller Harmonie – manchmal haben Mutter und Sohn schon andere Ansichten, etwa über den Kunstmarkt. „Aber wir sind trainiert und haben eine gute Diskussionskultur“, sagt Christian Rother. „Am Ende gibt es immer einen Konsens.“

 www.rother-winter.de 

 www.smart-collectors.com 

Einfach mal zwanglos reinschneien bei der Galerie Rother-Winter – das geht grundsätzlich immer und ganz besonders gut bei der Kurzen Nacht der Galerien und Museen in Wiesbaden“ an diesem Samstag, 6. April. Wer noch alles mitmacht und was alles geboten wird, steht hier.