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Filmfans pendeln zwischen Cyberspace und Ostkiosk: goEast-Festival startet – Mittel- und Osteuropa auf Abruf

Der Film „Yellow Cat“ vom langjährigen goEast-Wegbegleiter Adilkhan Yerzhanov ist der diesjährige goEast Eröffnungsfilm. Das Festival des mittel- und osteuropäischen Films startet heute und bringt bis 26. April die unterschiedlichsten Filme auf die … nein, natürlich leider nicht Leinwände. Aber: auf die heimischen Bildschirme an den Geräten das Publikums, dem goEast digital on demand, also auf Abruf, nach Hause geliefert wird. Und wenigstens ein kleines bisschen des unvergleichlichen goEast-Flairs darf in den nächsten Tagen in Wiesbaden auch „live“ genossen werden.

Nach den ersten hybriden Gehversuchen taucht das Festival in seiner zweiten Corona-Ausgabe nahezu gänzlich in den Cyberspace ein. Fast alle zuvor in Präsenz geplanten 92 Filme aus 38 Ländern stehen mit insgesamt 32 Deutschlandpremieren und zwei Weltpremieren “On Demand” für das Festivalpublikum zur Verfügung. „Ich freue mich sehr darüber, dass das Festivalteam nicht den Kopf in den Sand gesteckt hat“, sagte DFF-Direktorin Ellen Harrington bei der goEast-Pressekonferenz.

Nostalgischer Ost-Kiosk auf der Wilhelmstraße

Zwischen den Filmen laden die Festivalmacher:innen dazu ein, „in echt“ beim original Ost-Kiosk K 67 vor dem Nassauischen Kunstverein vorbeizuschauen, um wieder ein klein wenig Festivalbegegnung erleben zu können – mit Hygienekonzept und auf Abstand. Ab Freitag werden dort auch sensor-Ausgaben zur Lektüre ausliegen.

Roadmovie zum Auftakt

In einer Deutschlandpremiere zeigt das vom Deutsches Filminstitut DIF & Filmmuseum veranstaltete und von sensor als Medienpartner präsentierte Festival zum heutigen Auftakt mit „Yellow Cat“ die von Komik und Tragik durchzogene Roadmovie-Geschichte Kermeks, der dank eines zweifelhaften Deals aus dem Gefängnis entlassen wird.

In der düsteren Realität der Außenwelt tritt er fortan die Flucht ins Kino an. Kermek träumt von einem eigenen Bergkino und will die Welt des Verbrechens endgültig hinter sich lassen. Allerdings entdeckt er dabei, dass sein Weg in die Freiheit an einen Gangsterboss geknüpft ist, für den er zur Wiedergutmachung arbeiten soll.

Zentralasien erstmals im goEast-Fokus

Fünf Republiken Zentralasiens feiern in diesem Jahr 30 Jahre Unabhängigkeit und stehen gleichzeitig vor großen Herausforderungen. goEast widmet sich im Symposium “Zentralasien
enthüllen” der Filmkultur in Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan. Mit Vorlesungen, Diskussionen und einem Filmprogramm kuratiert von Expert*innen, eröffnet das Festival ein Fenster in eine Filmlandschaft, die bisher zwar bei goEast vertreten war, doch nie im Mittelpunkt stand.

„Als thematischen Schwerpunkt sehen wir in diesem Jahr eine Rückkehr zu Partisan:innengeschichten im Wettbewerb –  ein wichtiges Thema in der mittel- und osteuropäischen Filmlandschaft, das teilweise auch mythologisiert wird und in den aktuellen Filmen in unserem Programm nun aus neuen Blickwinkeln betrachtet wird”, sagt Festivalleiterin Heleen Gerritsen.

Wodka statt Glamour – Anti-Oscar-Nacht mit Berlinale-Gewinner

goEast Porträtgast ist der diesjährige Berlinale-Gewinner Radu Jude, der für das Festivalpublikum eine exklusive “AntiOscarnacht” kuratiert. Versprochen wird für den 25. April ein anspruchsvoller Filmabend ohne Glamour, aber dafür mit Substanz und Wodka. Umrahmt wird das Programm durch eine Action-Kunst-Ausstellung des rumänischen Künstlers Dan Perjovschi, der an fünf Festivaltagen seine berühmten Wandmalereien an verschiedenen Orten im Museum Wiesbaden umsetzt und seine Sicht auf die Academy Awards schildert.

Weltraum-Programm als Hommage an Yuri Gagarin

Als der russische Kosmonaut Yuri Gagarin am 12. April 1961 vom kasachischen Weltraumbahnhof Tyuratam aus den ersten bemannten Weltraumflug der Menschheitsgeschichte unternimmt, soll er beim Start schlicht “Los geht’s!” (“Поехали”) gerufen haben. Heute dient der Ausruf als beliebter Trinkspruch. goEast nimmt den 60. Jahrestag der Erdumrundung Gagarins zum Anlass, im April mit einem eigenen Weltraum-Programm abzuheben.
Kurz, kürzer, anarchisch – Der RheinMain Kurzfilmpreis und die Anarcho Shorts

In seine dritte Runde startet der RheinMain Kurzfilmpreis bei goEast. Der vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain unterstützte Wettbewerb zeichnet den besten Kurzfilmbeitrag mit einem Preisgeld von 2.500 Euro aus. Filmfreunden eröffnet sich hier ein breites Spektrum kurzweiliger Unterhaltung. Von KI-gesteuerter Rapmusik  bis zur Tetris spielenden Nachtschicht bietet das Programm der Anarcho Shorts mit radikalen Entwürfen wie nie all das, was in den letzten Monaten des Lockdowns untersagt war:

VR virtuell – das passt doch

Der Open Frame Award für Virtual Reality kommt dem experimentellen Charakter seiner Wettbewerbsbeiträge noch näher und findet selbst in einem virtuellen Raum statt. Dafür wurde die Caligari FilmBühne in Virtual-Reality nachempfunden. Auch ohne Headsets ist das virtuelle Caligari zugänglich: Am heimischen PC wird so trotz allem ein wenig Festivalflair aufkommen. Zusätzlich bietet goEast in diesem Jahr einen VR-Headsetverleih an, in Kooperation mit dem Lichter Filmfest. Der russische VR-Künstler und Gewinner des Open Frame Award 2018, Denis Semionov,  und Kurator Georgy Molodtsov, gestalten virtuelle Spielstätten für den Wettbewerb. Das Caligari VR und die goEast VRoof Top Lounge werden sogar noch weiterentwickelt. Im Programm des Open Frame Award erkunden die Filmschaffenden innovative Formen der Erzählkunst, die von poetischen Experimenten bis hin zu interaktiven Sinneserfahrungen reichen.

Schwungvolle Balkan Beats  – wenigstens am Bildschirm

Für wilde Partys ist es in Corona-Zeiten noch zu früh. Ganz ohne Dancefloor soll goEast dieses Jahr nicht bleiben und taucht mit dem Dokumentarfilm HERE WE MOVE, HERE WE GROOVE (Niederlande 2020) von Sergej Kreso als Party-Ersatz in die rhythmischen Balkan Beats von DJ Robert Šoko ein, der seit den frühen 1990ern westliche Musikeinflüsse mit elektronischer Balkanmusik vermischt. Der Film steht für ein Europa als Schmelztiegel der Kulturen und folgt Šoko auf seinen eigenen Spuren als jugoslawischer Flüchtling auf einer Reise aus Berlin zurück zu seinen Wurzeln, wo heute Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan den gleichen Traum wie er einst verfolgen. Dabei sammelt der DJ neue musikalische Einflüsse, die er in seine Balkan Beats verwebt.

Festivalstudio im Museum

Für ein umfangsreiches Online-Veranstaltungsprogramm hat goEast ein besonderes, ebenfalls nostaligsch anmutendes Festivalstudio im Museum Wiesbaden eingerichtet, von wo Filmgespräche mit den Filmschaffenden der Wettbewerbssektion aufgezeichnet, Diskussionsrunden und Panels des Symposiums und auch Veranstaltungen des East-West Talent Lab gestreamt werden.

Das goEast Festival des mittel- und osteuropäischen Films findet, mit sensor als Medienpartner, vom 20. bis 26. April aus Wiesbaden statt.

Alle Infos, Programm und Tickets unter www.filmfestival-goeast.de

 

(Annika Posth, Dirk Fellinghauer / Fotos goEast / Verleih)