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Folklore … Festland … Fehlanzeige! „Vierergruppe“ wirft das Handtuch, Wiesbaden begräbt Sommerfestival-Pläne

Von Dirk Fellinghauer (Text und Foto).

„Wiesbaden unterstützt `Folklore´-Nachfolger mit 200.000 Euro“. Eine schöne Headline und Nachricht war das im August 2018. Und eine großartige Ankündigung, dass am 24. und 25. August das erste „Festland“-Festival im Kulturpark stattfinden solle, als Nachfolger für das 2015 nach fast vierzigjähriger Geschichte gescheiterte „Folklore“-Festival. Wer sich den Termin bereits vorfreudig in den Kalender geschrieben hatte, und das dürfte in erster Linie die in Sachen Events und Ausgehmöglichkeiten nicht gerade verwöhnte Jugend der Landeshauptstadt sein, „darf“ nun nach neuen Aktivitäten Ausschau halten. „Festland“ wird nicht stattfinden – Wiesbadener Sommerfestival: Fehlanzeige! Die „Vierergruppe“, die seit sage und schreibe drei Jahren an einem Konzept für ein völlig neues Festival gearbeitet hatte, hat das Handtuch geworfen.

Mit einer lapidaren Zehn-Zeilen-Pressemitteilung – Betreff „Kein Kulturfestival“ – hatte Kulturdezernent Axel Imholz gestern die Öffentlichkeit wissen lassen, dass der Traum von einem Festival, das an das für die Stadt über lange Jahre prägende und wichtige, immer wieder aus unterschiedlichsten Gründen gefährdete, aber letztlich immer irgendwie gerettete und von der Stadtverordnetenversammlung sogar einstimmig zum „Wiesbadener Kulturgut“ erklärte „Folklore“ anknüpfen könnte, ausgeträumt ist.

Genauere Gründe? Kein Kommentar!

sensor-Nachfragen nach genaueren Gründen und Hintergründen bei den Mitgliedern der Vierergruppe blieben, sicher auch osterbedingt, bisher unbeantwortet. Einzig Michael Stein von der beteiligten Agentur Palast Promotion antwortete postwendend: „Ich möchte das nicht weiter kommentieren.“ Gemeinsam mit Vertretern von Schlachthof, Kulturpalast und Kreativfabrik hatte der Musik- und Veranstaltungsmanager in den letzten drei Jahren ein sehr ehrgeiziges Konzept ausgetüftelt.

„Konkretere Gründe kann ich Ihnen leider nicht nennen“, teilte Kulturdezernent Axel Imholz heute auf sensor-Nachfrage mit. Er berichtet: „Ende letzten Jahres erreichte uns die Info, dass die Festland-Gruppe wegen offener organisatorischer Fragen das geplante Festival in 2019 wohl nicht realisieren könne. Dazu sollte es im Januar eine interne Klärung geben. Nach diesem internen Gespräch wurde uns mitgeteilt, dass die Gruppe nicht mehr fortbesteht und der Umsetzungsauftrag nicht eingelöst werden kann.“ Darüber habe er den städtischen Kulturausschuss in der nachfolgenden Sitzung informiert.

Schlachthof dachte an Folklore-Revival

„Das Kulturzentrum Schlachthof signalisierte dann, dass es dort Überlegungen für ein Festival gebe, das sich stärker am früheren Folklore orientieren könnte“, schildert Imholz ein zwischenzeitliches neues Licht am Perspektivenhorizont: „In einem Gespräch hier im Haus wurden diese Überlegungen für das Jahr 2020 konkretisiert und überzeugend dargestellt, sodass es eine echte Alternative zur bloßen Absage des Festland-Festivals gegeben hätte.“ Die Hoffnung auf eine Lösung – und ein Festival – war allerdings von kurzer Dauer: „In der vergangenen Woche teilte uns der Schlachthof aber mit, dass dieses Konzept vom Schlachthof nach interner Beratung nicht weiter verfolgt wird.“

Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zum Festland-Festival sei für ihn damit nicht mehr umsetzbar. Auf die Frage, ob er als Kulturdezernent das Thema Wiesbadener Sommerfestival damit endgültig begrabe, meint Imholz: „Kurzfristige Alternativen sehe ich Stand heute nicht. Gesprächsbereitschaft für andere Ideen ist aber bei mir und allen, die sich für eine Festival politisch eingesetzt haben, nachwievor gegeben.“

Die für das Festival bereit gestellten 200.000 Euro stünden ungeschmälert zur Verfügung und könnten ggf. auf das Folgejahr übertragen werden. Über eine Verwendung der zweckgebundenen Mittel müsste aber in jedem Fall die Stadtverordnetenversammlung entscheiden.

Thema im Kulturbeirat

Der Wiesbadener Kulturbeirat hat das Thema auf die Tagesordnung seiner kommenden Sitzung am 30. April (17 Uhr, Rathaus, Raum 22) genommen. Die interessierte Öffentlichkeit ist willkommen. Die grüne OB-Kandidatin Christiane Hinninger hatte Anfang der Woche bei einer Pressekonferenz zum Start ihres Wahlkampfs die Folklore-Zukunft als eines der für sie wichtigen Wiesbadener Kulturthemen benannt.

Jugendparlament bekräftigt Forderung nach Nachtbürgermeister

Das Wiesbadener Jugendparlament (JuPa) bedauert, dass es den Verantwortlichen nicht gelungen ist, ein vergleichbares Kulturfestival auf die Beine zu stellen. „Das endgültige Aus für ein Wiesbadener Kulturfestival markiert den bisherigen Höhepunkt des Verfalls des Nachtlebens in unserer Stadt“, so der JuPa-Vorsitzende Silas Gottwald.  Für ihn steht die Frage im Raum, „warum andere Veranstaltungen, wie der jährliche Ball des Sports, regelmäßige Oldtimerrallyes und große Pfingstturniere weitestgehend problemlos umgesetzt und finanziert werden können, während die Verantwortlichen bei einem Kulturfestival keine Umsetzungsmöglichkeit sahen.“ Hier verlange das Jugendparlament „Antworten, statt Schweigen“.

Aus der Entwicklung leitet Gottwald das Bekräftigen einer aktuellen politische Forderung ab: „Das Folklore-Aus zeigt: Das rasante Sterben des Wiesbadener Nachtlebens kann unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht aufgehalten werden. Es braucht endlich einen Nachtbürgermeister oder eine Nachtbürgermeisterin in Wiesbaden, der/die sich den großen Herausforderungen annimmt.“ Der Jupa-Vorsitzende bemerkt:  „Wir haben dazu vor einigen Monaten ein konkretes und auf Wiesbaden zugeschnittenes Konzept in der Stadtverordnetenversammlung eingebracht, doch die finale Abstimmung der Stadtverordneten über unseren Antrag steht noch aus, da das Konzept seit Monaten in verschiedenen Dezernaten festhängt. Aufgrund der gegenwärtigen Entwicklungen drängen wir auf ein schnellstmögliches Votum für einen Nachtbürgermeister bzw. eine Nachtbürgermeisterin.“

Was Wiesbaden verliert – die Folklore-Historie:

„Seit 1976 gab es das Folklore Festival. Unser dreitägiges Open Air mit circa 30.000 BesucherInnen fand immer am letzten August-Wochenende, direkt bei uns am Kulturzentrum Schlachthof auf den Wiesen des Kulturparks statt. Künstler wie Fettes Brot, Wir Sind Helden, Sportfreunde Stiller, Kraftklub oder Casper spielen hier ebenso wie regionale Künstler oder szenigere Bands wie Kitty, Daisy & Lewis oder The Apples. Das Festival verband widerständlerischen hippiesquen Charme mit Web 2.0 Popkultur – auch durch die über 100 Stände von Antifa bis Bratschinken, mit Straßenkünstlern oder Graffiti Artists aus der ganzen Welt.

Von den Reisinger Anlagen zog Folklore im Garten erst in den Schlosspark Freudenberg und dann zum Kulturzentrum Schlachthof. Bis 2006 wurde es vom Amt für Soziale Arbeit durchgeführt, dann jedoch privatisiert. Das Kulturzentrum Schlachthof hat damals den Zuschlag erhalten, das Festival zu übernehmen. 2015 fand das Festival zum letzten Mal statt.“ (Quelle: http://www.folklore-wiesbaden.de)

 

1 response to “Folklore … Festland … Fehlanzeige! „Vierergruppe“ wirft das Handtuch, Wiesbaden begräbt Sommerfestival-Pläne

  1. Steckt die 200000€ zusammen mit der Million die voraussichtlich bei der nächsten Biennale sinnlos verprasst wird lieber ins Wallhalla! …Folklore war schon lange ein komerzialisiertes Bauzaunfestival, da bin ich lieber bei Freeopenairveranstaltungen mit meinem Solarsoundsystem.

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