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Geschäft des Monats: Comicladen, Obere Webergasse 49

_DSF7418Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Kai Pelka.

Der Comic boomt, und zwar gewaltig. Als „internationales Popkultur-Phänomen“ werden die bunten  – oder weniger bunten – Bildchen mittlerweile bezeichnet, und wer bei “Comic” nur an Donald Duck oder Asterix denkt, der hat die riesige Bandbreite dieses Genres noch nicht einmal zu einem Prozent wahrgenommen. Comicverfilmungen dominieren die Kinoleinwände, es gibt den Comic zum Computerspiel und das Computerspiel zum Comic, es gibt einzelne Cartoonbilder und mehrbändige Epen. Sogar Weltliteratur gibt’s leicht konsumierbar als Bildgeschichte. Comickünstler werden in der Kunstszene ernstgenommen,  und Fernsehserien, die auf der Mattscheibe eingestellt sind, werden im Comic fortgesetzt. Eine regelrechte Szene gibt es – oder besser viele davon, denn wer amerikanische Marvel-Comics liest, hat meist nichts für japanische Mangas oder belgische Klassiker übrig.

Der gute alte Obelix in guter Nachbarschaft mit Außerirdrischen
Einer, der alles im Angebot hat, ist Thorsten Potkowik. Er hat 2008 den alt eingesessenen Comic-Laden von Heinz Bert Schmidt übernommen. „Ich war da selbst Kunde, irgendwann wollte er aufhören und das hat sich dann so ergeben”, sagt Potkowik hinter der Theke seines liebenswert-anachronistischen, vollgestopften Lädchens, in dem einen aus jedem Regal Superhelden, sexy Covergirls, Außerirdische und auch der gute alte Obelix angucken. Auch Potkowiks Mama ist vor Ort, selbst ein Comicfan wie ihr Sohn. Internet? Keine Bedrohung hier, wie es scheint. Die Nische hat die Familie Potkowik in Wiesbaden gut besetzt. „Und es macht Spaß”, sagt der bekennende Red-Sonja-Fan Thorsten. Hier kommt man ja auch nicht mal eben rein um schnell irgendwas einzupacken. Hier wird fachgesimpelt und diskutiert. Deswegen ist auch die Webseite des Ladens, nun ja, ausbaufähig. Immerhin ist ein Foto von Heinz Bert Schmidt mit Altmeister Carl Barks, der die ersten Donald-Duck-Comics gezeichnet hat, drauf, sonst nicht wirklich viel.

Persönliche Expertise statt Internet
Thorsten Potkowik braucht das auch eigentlich nicht, er bedient seine Stammkunden mit eigener Expertise. Was er nicht hat, bestellt er natürlich auch fix. Dicke Kataloge – gedruckt natürlich – liegen auf der Theke. Die Regale, wie gesagt, vollgestopft mit Heftchen aller Art. Dazwischen mal ein Poster, eine Statuette oder ein T-Shirt, aber Gedrucktes spielt die Hauptrolle. Von A wie Alien bis Z wie Zombie ist natürlich das Fantasy-Genre stark vertreten, auch Klassiker wie Bat- und Spiderman, aber auch Unerwartetes: „Die alten Knacker” zum Beispiel, ein brandaktueller französischer Comic über die drei Ü-70er Altlinken Pierrot, Mimile und Antoine, erst kürzlich als die „klügste Bilderzählung des Jahres”. „Es gibt auch Literatur als Comic”, wirft Thorstens Mama als interessante Info bei: „Kafka zum Beispiel. Oder Shakespeare” Manch einer kapiert das bestimmt leichter, wenn Bilder dabei sind. Auch Englisch könne man gut aus Comics lernen, behauptet der Inhaber und berichtet, „dass sich da schon der eine oder andere Kunde um eine Note verbessert hat”.

Alles andere als Schund
Comics sind also meilenweit entfernt vom „Schund”, als den sie so mancher vermeintlich literarisch Gebildete einstuft. Mittlerweile gibt es ganze „Graphic Novels“ mit originärer Geschichte und kunstvollem Strich, es gibt Preise, Wettbewerbe und Messen. Bei der Frankfurter Buchmesse in dieser Woche präsentieren sich, gerade auch kleine, Comic-Verlage gemeinsam, auch der Deutsche Cartoonpreis wird auf der Messe verliehen. Brandneu kommt demnächst die Biographie von John Lennon als Hardcover-Comic auf den Markt, aber auch die jungen Jahre Friedrich Schillers. Rubens, Paula Modersohn-Becker, van Gogh und Edward Hopper sind die vier ersten Künstlerbiographien der „Edition Willi Blöss” gewidmet, und selbstverständlich ist auch James Bond ein Comic-Held. Alles zu finden bei Thorsten Potkowiak, dessen umfassendes Wissen über die bunten Bildchen sicher einzigartig in Wiesbaden ist. Und die Atmosphäre im Laden ist es auch. Da kommt weder der große Internetladen mit dem kleinen „a“ noch irgendein Buchkaufhaus mit Räucherstäbchen und Teebeuteln im Sortiment mit.

http://www.comics-wiesbaden.de/