Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Michael Zellmer.
Ganz in Weiß präsentiert sich der kleine Ausstellungsraum in der Seerobenstraße: Nur einige antike Koffer und zwei Stühle bringen eine andere Farbe hinein, und natürlich die ausdrucksstarken Bilder an den Wänden. Doch auch sie sind nicht bunt, sondern schwarzweiß. Sie zeigen Menschen auf einem Fest in der Bretagne. In Trachten gekleidete Frauen, Männer und Kinder präsentieren sich hier, aber nicht in „Paradestimmung“. Sie sind am Rande des „Festival des Filets Bleus“ in Concarneau eingefangen worden. Den unprätentiösen Blickwinkel und die Gabe, den richtigen Augenblick fürs Bild zu erwischen, hat die Fotografin Susanna Heintz. Ihr gehört die kleine „Galerie Linse“, die sie erst seit kurzem im Westend eröffnet hat.
Susanna Heintz hat viel vor und bringt dafür auch viele Kenntnisse aus den unterschiedlichsten Bereichen mit. „Literatur/Photographie“ steht am Laden angeschrieben. Und geht man einen Raum weiter ins Innere des Gründerzeithauses, findet man sich auch in einem wahren Bücher- und Bilderparadies, diesmal in Rot und Gold gehalten, wieder: Eine völlig andere Raumatmosphäre als im weißen Galerieraum, eine weitere Facette der 55-jährigen Wiesbadenerin eben, die von ihrem Vater, einem Pressefotografen, das Bilderhandwerk erlernt hat. Später studierte Susanna Heintz Vergleichende Literaturwissenschaft in Mainz.
Fotografie zeigen und Wissen vermitteln
„Es war mein Glück, dass dort viel genreübergreifend gearbeitet wurde: So konnte ich schon früh Verbindungen von Literatur, Film und Fotografie herstellen und damit arbeiten“, berichtet das Energiebündel bei Holunderblütentee und bretonischen Karamellkeksen. Susanna Heintz hat mit ihrer Galerie nicht nur einfach einen Ausstellungsraum schaffen wollen. Sie möchte auch fotografisches Wissen vermitteln – an Kinder wie an Erwachsene – und bietet dafür die unterschiedlichsten Workshops an. Auch diese haben mit Literatur zu tun: „Photographisches Sehen in der Literatur“, heißt eine ihrer Kursideen, „Mehr Licht – von den alten Meistern des Lichts zu den großen Erzählern der Kamera“ eine andere. Dazu bietet sie Fotografie mit der Lochkamera, „Licht pur“, an, baut für Kinder eine begehbare Camera Obscura auf – immer am Weltkindertag an der Marktkirche zu erleben. Sie bietet einen Fotoworkshop in der Dämmerung mit dem Titel „Die Gold-Blaue Stunde“ an, Spaziergänge mit Kamera, gemeinsame Ausstellungsbesuche und den regelmäßigen jour fixe, den „Linse-Sonntag: Plaudereien mit oder ohne Bild.“ Dafür gibt es bei ihr einen riesigen Fundus an Foto-Bildbänden.
„Ich liebe das haptische Blättern in Büchern“, sagt sie, obwohl sie auch kein Problem mit Smartphone-Photographie habe. Spezielle Kinderfotografie macht sie auch. Sie habe sich bei den eigenen Kindern immer über die eher fantasielosen Schul- und Kindergartenfotos geärgert. Nun besucht sie mit ihrem „Überraschungsfotokoffer“ Schulen und Kitas. „Ich lasse die Kinder auch mal selbst anpacken“, sagt Susanna Heintz, „sie dürfen auch selbst Fotos machen und experimentieren“. Eigene Fotoprojekte wie „Lilien und Löwen“, langfristig angelegt, sollen Wiesbadener Kinder „aller Himmelsrichtungen“ abbilden. Auch werden weitere eigene Ausstellungen vorbereitet, zum Beispiel mit Stillleben oder mit Bildern aus den Wiesbadener Partnerstädten Breslau und San Sebastian, die Susanna Heintz im kommenden Jahr zu bereisen plant. Spanisch spricht sie schon, „Polnisch lerne ich gerade in einem Intensivkurs“, berichtet sie. Sie will nicht nur „ablichten“, sondern die Städte richtig erfahren. Wer von ihr lernen will, kann das bei verschiedensten Gelegenheiten, wer mit ihr ins Gespräch kommen will, ebenfalls – und fotografieren lassen kann man sich von ihr natürlich auch. Dafür arbeitet sie lieber vor Ort als im Studio. Ein Workshopprogramm mit den verschiedensten Zielgruppen von Kita–Kindern über Oberstufenschüler bis zu Erwachsenen hat sie gerade erarbeitet und von ihrer Tochter, einer Designerin, gestalten lassen: Da liegt schon was Künstlerisches in der Familie. Susanna Heintz plant auch, sich in der Wiesbadener Fotografen- und Galerieszene stärker zu vernetzen. „Hier in Wiesbaden ist mehr los, als man auf Anhieb vermutet“, sagt sie. Und will dazu auch selbst weiter beitragen.