Text: Anja Baumgart-Pietsch. Fotos: Kai Pelka
Die letzten Rosen- und Lavendelblüten trotzen im Vorgarten der schönen Jugendstilvilla in der Walkmühlstraße dem Novembergrau. In der Villa residiert der älteste Musikverlag der Welt: Breitkopf & Härtel. Ein echter Global Player, doch den Wiesbadenern, zumindest denen, die nicht selbst Musik machen, als solcher kaum bekannt. In die hessische Landeshauptstadt gelangte der traditionsreiche Verlag eher durch Zufall, so wie andere Verlage 1945 auch: Die Amerikaner sorgten dafür, dass Leipziger Verlage aus der „sowjetischen Zone“ nach Westen umgesiedelt wurden.
So gelangte auch Breitkopf nach Wiesbaden, zunächst in die Spiegelgasse. Der Leipziger Betrieb wurde zwangsenteignet und als „volkseigener Betrieb“ weitergeführt. Nach der Wiedervereinigung vereinigten sich auch die Ost- und West-Musikverlage wieder zu einem Betrieb – und sind bis heute noch so etwas wie ein Familienbetrieb: Seniorchefin Lieselotte Sievers, die mit über 90 Jahren regelmäßig in der Firma vorbeischaut, hat eine Stiftung gegründet, die als Verlagseigner fungiert. Und der Kaufmännische Geschäftsführer Sebastian Mohr ist ein Nachfahre eines der beiden Gründer.
Downloads im Kommen, aber gedruckte Partitur wird bleiben
Familiäre Atmosphäre herrscht auch in der Villa, in der täglich Musik auf Papier gebannt wird – immer noch, und auch in Zukunft, betont Sebastian Mohr. „Es mag zwar Musiker geben, die ihre Noten auf dem Tablet vor sich haben. Auch wir bieten über eine Plattform Downloads an. Aber eine gedruckte Partitur wird es immer geben.“ Aus einer Druckerei ist der Verlag Breitkopf & Härtel vor 300 Jahren entstanden: In Leipzig heiratete 1719 der Drucker Bernhard Breitkopf die Druckerwitwe Maria Müller. Man bezog ein renoviertes Gasthaus – den „Goldenen Bären“, das Breitkopf zum Wohn- und Geschäftshaus umbauen ließ. Der Bär ist seither das Wappentier des Verlags, in unterschiedlichen Bildversionen: Gerade 2017, erzählt Sebastian Mohr, habe man einen Relaunch der Corporate Identity des Verlags. Der Bär, jetzt in verschiedenen Rottönen, hält noch immer ein Buch mit der Jahreszahl 1719 in seinen Klauen.
Breitkopf & Härtel publiziert die unterschiedlichsten musikalischen Werke: Das Spektrum reicht von Barock bis zu zeitgenössischer Musik. Gerade bearbeitet Herstellungsleiter Andreas Jacobsen eine Oper, die von der Wiener Staatsoper in Auftrag gegeben wurde: Der Komponist Johannes Maria Staud vertonte ein Libretto des Schriftstellers Durs Grünbein. Sie soll im Dezember uraufgeführt werden. Es klingt spannend, wie Grünbein sein Werk beschreibt: „Eine Expedition in das Herz Europas, eines neuerdings wieder zerrissenen Kontinents, im epischen Panorama einer Flussreise. Der Strom ist der stille Protagonist, er verbindet die Erzählmotive, in ihm finden Landschaft, Musik und Geschichte zusammen. Entlang des Wasserweges entwickelt sich die Handlung.“
Mühevolle Verwandlung handgeschriebener Originalnoten
Die Originalnoten des Komponisten, per Hand geschrieben, müssen beim Verlag in gedruckte Form gebracht werden. Dazu gehören Einzelstimmen-Ausgaben aller Instrumente und Singstimmen, die jeweils auf die Anforderungen der Musiker abgestimmt sind: „Zum Beispiel braucht es am Ende jeder Seite eine passende Stelle zum Blättern“, erklärt Andreas Jacobsen. Schließlich ist der Verlag stolz darauf, „praxisorientierte Noten“ anzubieten, ob Uraufführung oder neu editierte Gesamtausgabe von Bachs Orgelwerken. Im Lektorat werden die Noten fachlich geprüft.
Man müsse zwar kein Musiker sein, um in einem Musikverlag zu arbeiten, sagt Vorstand Sebastian Mohr, aber natürlich helfe es, wenn einem die Materie nicht ganz fremd sei. Der Verlag gibt neben Notenpartituren auch pädagogische Bücher heraus wie den Bestseller, „Das Tastenkrokodil“, eine Klavierschule für Kinder. Der weltweite Vertrieb von Wiesbaden und dem Taunussteiner Lager aus geht vor Ort aber recht geräuschlos vor sich. Nur jetzt, zur Feier des 300-jährigen Jubiläums, zeigt sich Breitkopf und Härtel auch einmal ganz groß der Wiesbadener Öffentlichkeit: Beim Festkonzert am 26. Januar im Kurhaus, natürlich mit einem Programm von Breitkopf-Komponisten, darunter die Welturaufführung einer Auftragskomposition von Christian Mason, Jahrgang 1984: „Eternal Return“ – ewige Wiederkunft. Wie passend für einen Verlag, den es wahrlich schon „ewig“ gibt.
Festkonzert am 26. Januar
Zur Feier des 300-jährigen Bestehens zeigt sich der in Wiesbaden ansässige Musikverlag Breitkopf & Härtel einmal ganz groß der Öffentlichkeit. Zum Festkonzert am 26. Januar im Kurhaus erklingt natürlich ein Programm von Breitkopf-Komponisten: Neben „Finlandia“ von Jean Sibelius spielt das hr-Sinfonieorchester unter Leitung von Michał Nesterowicz (Foto) Werke von Mendelssohn und Mussorgskij/Ravel sowie die Welturaufführung der Auftragskomposition „Eternal Return“ von Christian Mason. „Eternal Return“.