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In anderen Welten: die Rheingauer Filmsymphoniker – Jubiläumskonzert am 20. Oktober im Kurhaus

Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Maximilian Wegener.

Die Rheingauer Filmsymphoniker haben sich konsequent spezialisiert und sind rasant gewachsen. Nun fiebern sie dem fünfjährigen Jubiläum entgegen. sensor präsentiert das große Konzert an diesem Sonntag im Kurhaus – und hat das Orchester vorab bei einer Probe besucht.

Freitagabend in der Grundschule Bierstadt, von Schülerinnen und Schülern natürlich keine Spur. Dafür haben „Die Glorreichen Sieben“ Einzug in die Aula erhalten. Man muss einfach die Augen schließen, und schon wähnt man sich aus Wiesbadens Osten geradewegs in Amerikas Wilden Westen versetzt. Möglich machen das eine beachtliche Anzahl von etwa sechzig Musikerinnen und Musikern – und Jonathan Granzow. Die Rheingauer Filmsymphoniker sind hier zugange. Sie proben, so wie alle zwei Wochen, unter der Leitung des 1987 geborenen Dirigenten in der Grundschule.

Emotionen auch ohne Bilder wecken

Es gibt einige dieser Filmmusiken, von denen man nur wenige Takte zu hören braucht, und schon sieht man James Bond um die Ecke kommen, Raumschiffe durchs Weltall rasen, Doktor Schiwago in Russlands eiskalten Weiten stapfen – oder eben die „Glorreichen Sieben“ durch die Prärie reiten. „Kino für die Ohren“ kann man das nennen – und genau dies versprechen die Rheingauer Filmsymphoniker. Es ist kein leeres Versprechen:  Man  höre es oft von den Konzertbesuchern, dass Emotionen auch ohne Bilder geweckt sind, erklärt Orchestersprecherin und Pianistin Julia Woth. Zum einen wolle man sich auch bewusst auf die Musik konzentrieren, zum anderen wäre die Aufführung mit Film – auch wenn es nur Standfotos wären – viel zu teuer, denn man lässt sich entsprechende Lizenzen teuer bezahlen.

Besondere Herausforderungen

Die Filmsymphoniker wurden 2014 – von enthusiastisch-idealistischen Filmmusikfans und erfahrenen Freizeit-Orchestermusikern – gegründet, können also im laufenden Jahr ihr fünfjähriges Jubiläum feiern. „Sie ahnten nicht, auf welche ein Abenteuer sie sich eingelassen haben“, heißt es in der Eigenbeschreibung. Das Orchester wuchs seit seiner Gründung rasant. Die konsequente Spezialisierung auf Filmmusik ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal und zieht viele an, stellt die Akteure aber auch vor besondere Herausforderungen, etwa bei der Recherche und Beschaffung von Noten, aber auch den musikalischen Dimensionen. Konzerte finden durchschnittlich zweimal pro Jahr statt und sind thematisch orientiert, nach Western- Krimi- oder „Helden und Legenden“- Themen zum Beispiel. Das Jubiläumskonzert im Wiesbadener Kurhaus wird aber eine „Greatest Hits“- Zusammenstellung sein, mit Star Wars, Indiana Jones, Casablanca, Schindlers Liste, Fluch der Karibik und all jenen Filmen, die sich durch einprägsame Soundtracks auszeichnen.

Auffällig an den Filmsymphonikern ist eine riesige Ausstattung mit Schlagwerk: Fünf Musiker agieren an Triangel, Kesselpauke, Vibraphon und Schlagzeug. „Das ist tatsächlich etwas Besonderes für ein Orchester“, sagt Julia Woth. „Deswegen brauchen wir auch 120 Quadratmeter Bühne. Das geht nicht überall.“ Bei den Proben fällt aber, trotz höchster Konzentration, auch die gute Stimmung unter den Musikern auf. Sie alle sind von dem, was sie tun, absolut fasziniert. „Das Spielen von Filmmusiken inspiriert außergewöhnlich und entführt mich als Musiker in andere Welten. Nach den ersten Akkorden spüre ich den Atem von Darth Vader im Nacken oder genieße einen endlosen Meerblick neben Jack Sparrow aus  Fluch der Karibik“, sagt Klarinettist Christian Nehling, Gründungsmitglied des Ensembles. Bratschist Bodo Wünsch ist erst seit einigen Monaten dabei, aber hat schon Freundschaften geschlossen: „Ich bin erst letztes Jahr aus beruflichen Gründen von Karlsruhe nach Wiesbaden gezogen. Was es mir als Laienmusiker leicht macht, rasch in einer fremden Stadt einen privaten Bezugspunkt zu finden, ist der Anschluss an ein Orchester“.

Laien mit Profi-Selbstverständnis

Der Dirigent und künstlerische Leiter Jonathan Granzow resümiert: „Anfangs haben wir noch in Kirchen gespielt, oft in ungünstiger Akustik. Ich hatte bald den Eindruck, dass auch unsere Musiker eher ernüchtert darüber waren, wenn viele musikalische Feinheiten im Konzert nicht mehr zu entdecken waren. Mit gutem Grund entschieden wir uns damals, nahezu ausschließlich Originalpartituren zu spielen.“  Als das Orchester im vergangenen April zum ersten Mal auf der Bühne des großen hr-Sendesaals in Frankfurt Platz nahm, sei er erstaunt gewesen, mit welcher Selbstverständlichkeit die Musiker diesen Raum bespielten. „Ich hätte damals nicht geahnt, dass wir so schnell wachsen würden, innerlich wie äußerlich. Wir sind noch immer forsche Abenteurer, aber haben in vielen Bereichen mittlerweile das Selbstverständnis eines Profiorchesters entwickelt.“ Nun fiebern alle dem großen Jubiläumskonzert entgegen, das gleichzeitig auch den Abschied von ihrem Dirigenten Jonathan Granzow werden wird. Er bedauert es sehr, dass er die Orchesterleitung abgeben muss, doch berufliche Umorientierung zwingt ihn dazu. „Wir sind im Auswahlprozess für eine neue musikalische Leitung“, sagt Julia Woth.

5 Jahre Rheingauer Filmsymphoniker-Jubiläumskonzert „Kino für die Ohren“ am 20. Oktober im Kurhaus Wiesbaden. sensor präsentiert. Der Vorverkauf endet heute um 12 Uhr, Restkarten gibt es am Sonntag an der Abendkasse – alle Infos zum Orchester unter www.filmsymphoniker.de