Von Hendrik Jung. Fotos Christopher S. Malinauskas / The Nomadic Group LLC
In diesem Jahr soll es endlich los gehen mit der Sanierung der Walkmühle. Für den dort ansässigen Künstlerverein ist das jedoch noch kein Grund zum Feiern.
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, nicht nur von denen der Walkmühle: Im Haushalt der Landeshauptstadt Wiesbaden soll gespart werden. Auch im Budget des Kulturdezernats sollen beim anstehenden Doppelhaushalt 2016/2017, Stand Anfang Mai, 4,3 Prozent gekürzt werden. Viele Kulturschaffende gehen daher in die Offensive und betonen, dass sie eigentlich sogar mehr Geld für ihre Arbeit benötigen. Besonders ins Zeug legt sich der Künstlervereins Walkmühle, der e dazu eine großformatige Broschüre veröffentlicht und verschickt hat – auch an die Stadtverordneten. In der „etwas anderen Sitzungsvorlage“, wie der Wiesbadener Kurier das 18-Seiten-Werk voller Texte, Fotos, Rechenbeispielen und Fußnoten nannte, machen sie deutlich, dass sie neben dem bisher gewährten institutionellen Zuschuss von 25.000 Euro pro Jahr, zusätzliche Fördermittel von jährlich 233.000 Euro benötigen.
Ihre Argumentationskette für den beachtlichen Mehrbedarf: Zum einen könne ein saniertes Gebäude das ganze Jahr über mit Ausstellungen und anderen, interdisziplinären Veranstaltungen bespielt werden. Während die Vereinsmitglieder in elf Jahren 140 solcher Ereignisse ehrenamtlich organisiert haben, werden dafür nun 100.000 Euro pro Jahr für die Arbeit von zum Teil externen Kuratoren kalkuliert. Dass die in der Walkmühle ansässigen Künstler in Zukunft nicht mehr so viel Zeit für das Ehrenamt zur Verfügung haben, liege auch an der Miete, die nach der schätzungsweise zehn bis zwölf Millionen Euro teuren Sanierung fällig wird.
Ungeklärte Mietfrage
Wie hoch diese Miete sein wird, steht noch nicht fest. Zum einen, weil die Verhandlungen zwischen dem Kulturdezernat und dem städtischen Liegenschaftsfonds WIM über den Mietpreis für die für eine kulturelle Nutzung vorgesehenen Flächen noch nicht abgeschlossen sind. Zum anderen, weil es von der Haushaltsplanung des Kulturdezernats abhängt, wie viel davon durch die Künstler zu tragen sein wird. Diese gehen in ihrer Kalkulation davon aus, dass sie in Zukunft die gleiche Miete zahlen wie ihre Kollegen im Kunsthaus. Während dort der Quadratmeter für monatlich 4,50 Euro inklusive Nebenkosten zu haben ist, nennt der Liegenschaftsfonds als Gesprächsbasis für die Walkmühle einen Mietpreis von sechs Euro pro Quadratmeter. Dazu soll laut einem Mietangebot vom Februar offenbar eine monatliche Vorauszahlung für Nebenkosten in Höhe von 2,52 Euro kommen. Aus dieser Differenz errechnen die Mitglieder des Künstlervereins eine in Zukunft benötigte Mietförderung von jährlich 133.000 Euro. Macht zusammen 233.000 Euro zusätzliche Fördermittel.
„Wir lassen das juristisch prüfen“
Von dieser Summe könnten jedoch nach Auffassung des Künstlervereins 92.300 Euro eingespart werden. Etwa, indem die Erlöse aus dem geplanten Verkauf von Baugrundstücken in die Kalkulation der WIM mit einbezogen werden. Oder, indem die von der Stadt für die Sanierung zur Verfügung gestellten Fördermittel in Höhe von vier Millionen Euro prioritär der kulturellen Nutzung des Geländes zu Gute kommen würden. Nach Ansicht der Vereinsmitglieder ist das der Wille, der im Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 23. Mai 2013 ausgedrückt wird. „Dieser Priorität wird keine Rechnung getragen. Wir lassen das gerade juristisch prüfen“, erläutert der Vorsitzende des Künstlervereins, Wulf Winckelmann.
Von Seiten des Liegenschaftsfonds wird das jedoch anders dargestellt. Gemäß der vertraglichen Vereinbarung, die aus dem Beschluss der Stadtverordneten hervor gegangenen ist, werde der Zuschuss gewährt für die Entwicklung der Walkmühle zu einem Zentrum für bildende Kunst, die Einrichtung von Künstlerateliers, die Nutzung des Geländes und der Gebäude für Zwecke der Naherholung sowie – und spätestens hier schrillen manche Alarmglocken – die Etablierung von kommerziellen Nutzungen, die zur Ergänzung der kulturellen Nutzung beitragen, wie etwa Gastronomie. Da es hier offensichtlich Redebedarf gibt, will der Künstlerverein zu Beginn des Sommers zu einer Podiumsdiskussion einladen. Außerdem befinden sich die Vereinsmitglieder zur Zeit in Gesprächen mit den politischen Parteien. Die Kulturdezernentin betont, dass ihr die Walkmühle sehr am Herzen liege. Einen Plan B für eine kulturelle Nutzung des Geländes ohne die Mitglieder des Künstlervereins habe sie nicht. „Es wäre ja schlimm, wenn ich als Dezernentin nicht an die kulturellen Initiativen glauben und dafür kämpfen würde“, betont Rose-Lore Scholz.
Die Mitglieder des Künstlervereins jedoch wären bereit, das Projekt, für das sie sich nun seit 2003 einsetzen, zur Not auch aufzugeben, wenn sie nicht die benötigte Unterstützung erhalten. „Es gibt irgendwo eine Grenze. Kunst ist auch woanders möglich“, verdeutlicht Wulf Winckelmann. Doch bevor es so weit ist, werden die Künstler zunächst weiter mit aller Kraft für die Walkmühle kämpfen.
Die Informationsbroschüre zum Download auf www.walkmuehle.net
Seit dem 20. Juni und bis zum 26. Juli heißt es in der Walkmühle „Aufs Ganze Gehen“. Gezeigt und geboten werden Konzerte, Installationen, Work-in-Progress-Projekte, Aktionen und Vorträge an der Schnittstelle von Bildender Kunst und Musik.