Von Dirk Fellinghauer (Text und Fotos).
Am 1. November jährt sich die Abstimmung über das Projekt Citybahn für Wiesbaden und sein Umland zum dritten Mal. Nach Ablauf der Dreijahresfrist ist das seinerzeit ablehnende Votum nicht mehr bindend. Anlass genug für den Verein „Wiesbaden neu bewegen“, ein „Alles auf Anfang“ zu fordern – und klarzustellen: „Das System Straßenbahn gehört wieder auf den Tisch“.
„Seit dem ablehnenden Votum herrscht Stillstand“, monierte der Vorstand von „Wiesbaden neu bewegen“, der im Frühjahr 2021 aus dem Verein „Bürger Pro CityBahn Wiesbaden“ hervorgegangen war, heute bei einem Pressegespräch in den Räumen von „Fragmente“ in der Blücherstraße.
Das Busangebot werde derzeit mit viel Geld und Mühe gerade mal an den Ausgangspunkt zurückgeführt. „Blech, Staus und zugeparkte Gehwege prägen das Bild inmitten der einstigen Kurstadtpracht“, so die aktuelle Zustandsbeschreibung der ehrenamtlich in Sachen Mobilität Engagierten.
Verkehrspolitik in der Sackgasse
Die Verkehrspolitik habe sich wie befürchtet in einer Sackgasse festgefahren. Fundamentalopposition in Mobilitätsfragen hält der Verein für eine Bankrotterklärung und meint: „Wer einfallsloses Neinsagen mit demokratischer Mitbestimmung verwechselt, verwehrt unserer schönen Stadt eine bewohnerfreundliche Zukunft“.
Ausdrücklich begrüßt „Wiesbaden neu bewegen“ alle Bemühungen der Verantwortlichen um einen Kurswechsel wie Reaktivierung der Aartalbahn, Stärkung der Ländchesbahn , Test/Kauf von Doppelgelenkbussen, weitere Bus-, Rad- oder Umweltspuren und Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung – oder auch die nun angestoßene eine komplette Neugestaltung des Busnetzes. Hier habe sich der Verein im bisherigen Prozess aktiv eingebracht und finde auch im jetzt vorgelegten Entwurf des künftige Nahverkehrsplans einige seiner Vorschläge wieder.
Enormer Aufwand, aber kein Durchbruch
Bei stets wachsendem Mobilitätsbedarf werde dieser enorme Aufwand jedoch nicht den notwendigen Durchbruch bringen. „Jetzt zeigt sich in voller Dimension, welcher Schaden in den letzten 20 Jahren angerichtet wurde“, kommentiert Alexander Mehring, 1. Vorsitzender des Vereins: “Würden heute schon Straßenbahnen fahren, könnten bis zu viermal so viele Passagiere umweltfreundlich, bequem, schnell und leise befördert werden – und das mit weniger Personal, an dem es überall fehlt”. Mit Förderung durch Bund und Land wäre das sogar vergleichsweise zum Schnäppchenpreis zu haben gewesen. Leistungsfähige Bussysteme inklusive neuer Infrastruktur kämen hingegen ohne diese Zuschüsse die Stadt teuer zu stehen.
„System Straßenbahn gehört auf den Tisch“
„Noch ist die Bahn nicht abgefahren“, bemerkt Mehring. Nach Ablauf der Dreijahresfrist sei es de jure so, als ob es die Abstimmung nie gegeben hätte: „Die Stadt hat wieder freie Hand.“ Es dürfe keine Denkverbote geben: „Auch das System Straßenbahn gehört wieder auf den Tisch.”
Der Ball liege bei der Stadtpolitik: „Die (Fach-)Politiker dürfen sich nicht hinter einem vermeintlichen Volkswillen verstecken, sondern müssen sich informieren und dann selbst(bewusst) eine Entscheidung treffen und vertreten.“ Der Verein gehe davon aus, dass sich politische Klugheit und Weitsicht am Ende durchsetzen, orientiert an den Erfolgsmodellen anderer Städte. „Dafür ist es nie zu spät“, meint Mehring.
Gleichwohl ist den im Verein engagierten bewusst, dass mit einer baldigen Initiative zum Thema seitens der Stadtpolitik illusorisch ist. „Vor der Kommunalwahl wird dieses heiße Eisen niemand mehr anpacken,“ befürchtet Jürgen Gebhardt, 2. Vorsitzender von „Wiesbaden neu bewegen“. Auch wenn diese erste 2026 stattfinden, sei es jetzt an der Zeit, das Thema wieder ins Bewusstsein zu bringen.
Verkehrspolitischer Frieden
„Wiesbaden neu bewegen“ fordert nun einen „verkehrspolitischer Frieden“ für Wiesbaden über alle demokratischen Parteien in der Stadtpolitik hinweg. Nach dem Vorbild von Kiel sollte zurückgekehrt werden zu einer sachlichen Diskussion, von Populismus und Wahlkampf mit diesem Thema Abstand genommen und eine letztlich gemeinsame demokratische Entscheidung im Rahmen der Stadtverordnetenversammlung vereinbart werden.
„Wir unterstützen eine ergebnisoffene Analyse“, betonen die Mobilitätsengagierten und nennen den Prozessablauf in Kiel als positives Beispiel. „Wir werden das objektiv beste (ÖPNV-) Ergebnis für Wiesbaden unterstützen“, versprechen sie und fordern: „Bis eine moderne Rundumerneuerung Wirklichkeit wird, sollte das derzeit in Arbeit befindliche neue Busnetz zügig umgesetzt werden.“
Viele Recherchen, ein Ergebnis
Finanzielle Abstriche, Stichwort: Haushaltsverhandlungen, seien in der verfahrenen Lage jedenfalls definitiv das falsche Signal. Bei aller „Ergebnisoffenheit“ macht der Vereinsvorstand auch keinen Hehl daraus, wohin die ÖPNV-Reise für Wiesbaden früher oder später gehen wird, ja gehen müsse: „All unsere umfassenden Recherchen und Beispiele aus anderen Städten dieser Größenordnung führen immer wieder zu dem Ergebnis, dass schienengebundene Systeme die sinnvollsten und zielführendsten sind.“ Parallel zum großen Ziel müsse die Stadt aber alle nur erdenklichen auch anderen Maßnahmen ergreifen.
Unerlässlich sei die Entwicklung eines Mobilitätsleitbildes, bevor künftige Projekte angestoßen würden. Und eine gute Kommunikation in einer Stadt, die tendenziell Veränderung scheue – weg vom „Kampfbegriff“ Citybahn etwa und hin zu einer sachlichen Diskussion rund um die Frage: Was macht einen attraktiven ÖPNV für uns aus? In Gesprächen komme man da durchaus mit bisherigen „Citybahn“-Gegnern auf einen Nenner, hat Alexander Gehring festgestellt.
Der Blick der im etwa hundert Mitglieder starken Verein Engagierten richtet sich vor allem nach vorne. Rückblickend wurde beim Pressegespräch aber auch nochmal moniert, dass es nach dem ablehnenden Votum beim Bürgerentscheid keine Nachbefragungen und Fehleranalysen gegeben habe.
„Wiesbaden neu bewegen“ will sich weiterhin in die Diskussion einbringen, zu Wort melden und auch Anstöße liefern. Die Option, möglicherweise inspiriert vom Erfolg der und als Pendant zu der Ein-Mann-Fraktion „Pro Auto“, selbst bei der Kommunalwahl anzutreten, verfolge man nicht. „Anstatt auf Parolen, mit denen man nicht wirklich etwas erreicht, setzen wir auf partei- und fraktionsübergreifende Begleitung derer, die in der Stadtpolitik Verantwortung trafen – als Lobby für einen guten und zufunftsfähigen ÖPNV“ – oder wie es der 2. Vorsitzende Jürgen Gebhardt heute formulierte: „Wir halten es für zielführender, den Entscheidungsträgern auch mal in den Allerwertesten zu treten“.
Toll wie selbstbewusst der Verein den Bürgerentscheid wegwischt:
„Die (Fach-)Politiker dürfen sich nicht hinter einem vermeintlichen Volkswillen verstecken, sondern müssen sich informieren und dann selbst(bewusst) eine Entscheidung treffen und vertreten.“
Ich verstehe es doch richtig, dass ein Bürgerentscheid kein „vermeintlicher Volkswille“ ist, sondern ein Instrument der direkten Demokratie in der kommunalen Politik. Beim Bürgerentscheid am 1. November haben sich 62,1 Prozent der Wählerinnen und Wähler gegen die Citybahn entschieden, 37,9 Prozent stimmten für eine Umsetzung.
Ein eindeutiger Bürger-Wille.
Nach dem Prinzip: Ist ein Projekt gescheitert, benenne den Namen des Projekts um.
Bürger Pro CityBahn Wiesbaden e.V.
ist heute
Wiesbaden neu bewegen e.V. bloß mit dem gleichen Inhalt.
Nun aber bitte wieder zu wirklich wichtigen Themen.
Weil es vor drei Jahren einen Bürgerentscheid über ein (!) Straßenbahnprojekt in Wiesbaden gab das abgelehnt wurde soll also für immer und alle Zeit gelten, dass es in Wiesbaden keine Straßen-/Stadtbahn geben darf, okay.
Es kann doch sein, dass Wählerinnen und Wähler ihre Meinung ändern in der Zwischenzeit? Vielleicht waren Menschen die mit NEIN gestimmt haben z.B. mit der Streckenführung unzufrieden und hätten bei einer anderen Route zugestimmt? Es gab auch Menschen, die damit unzufrieden waren, dass nur eine einzige Linie kommt und nicht gleich ein ganzes Netz.
Ich denke es hat schon einen Sinn, dass Ergebnisse aus einem Bürgerentscheid drei Jahre bindend sind, aber das muss dann doch nicht für alle Ewigkeit gelten.
Man sieht ja aktuell was stattdessen auf die Stadt zukommt, damit das wachsende Fahrgastaufkommen bedient werden kann: Viele weitere Bus/Umweltspuren, sehr lange elektrische Doppelgelenkbusse, deren Stückpreis nicht weit entfernt ist von einem Straßenbahnfahrzeug, die nicht wie Straßenbahnen gefördert werden und die vmtl. auch keine 30 oder 40 Jahre halten. Ein zweiter neuer Betriebshof für ESWE Verkehr, den man bei einer Tram sowieso gebaut hätte, der dann aber zu großen Teilen gefördert worden wäre, etc.
Die Pendlerströme werden angesichts weiterer Neubaugebiete im Taunus nicht geringer, gleichzeitig klappt es weiterhin nicht die Aartalbahn zu reaktivieren.
Da kann man als Steuerzahler schon mal ins Grübeln kommen, ob das langfristig die richtige Entscheidung war mit der Abstimmung vom 1.11.2020.
Und ja, der Verein kann sich doch umbenennen? Er setzt sich dafür ein, dass man sich in Wiesbaden auch anders als mit dem Auto gescheit von A nach B fortbewegen kann. Da das Projekt Citybahn abgelehnt wurde ist das nur konsequent.
Angesichts der Tatsache, dass praktisch alle anderen hundert Großstädte Deutschlands aus gutem Grund ein Straßenbahnsystem haben, ist der Wert des kampagnengetriebenen, hasserfüllten, Wiesbadener Vernichtungsfeldzugs gegen das Verkehrsmittel „Straßenbahn“ doch zu relativieren. Irgendwann landet man doch wieder bei den Problemen und der endlichen Anzahl an Lösungen, allen Selbstbeschwörungen zum Trotz.
Nur die teilnehmenden Bürger habe sich gegen die Citybahn entschieden! Nicht die Mehrheit der Wiesbadener. Die betroffenen Bürger in der Innenstadt – um die es eigentlich geht – haben sich für die Citybahn entschieden, aber nicht die Klientel in der Biebricher Allee mit fadenscheinigen Argumenten und bewußten falschen Informationen. Darüber sollte Andreas mal nachdenken auch mit seinen herausgegriffenen Prozentzahlen des angeblichen Bürgerwillens.
DIE STRAßENBAHN IST DIE LÖSUNG, ABER MIT NEUER LINIENFÜHRUNG VIELLEICHT VOM DOTZHEIMER BAHNHOF ÜBER DIE INNENSTADT RICHTUNG HAUPTBAHNHOF UND WEITER IN DAS OSTFELD UND NORDENSTADT. Der Ortsteil Biebrich ist nun nicht mehr einzubinden
Die Klientel mit den Anwälten in der Biebricher Allee können sich so auch in den kommenden Jahren am Busverkehr erfreuen und sich über eine verpasste Chance der Lösung eines wirklichen Problems gewaltig ärgern.
Nur die teilnehmenden Bürger habe sich gegen die Citybahn entschieden! Nicht die Mehrheit der Wiesbadener. Die betroffenen Bürger in der Innenstadt – um die es eigentlich geht – haben sich für die Citybahn entschieden, aber nicht die Klientel in der Biebricher Allee mit fadenscheinigen Argumenten und bewußten falschen Informationen. Darüber sollte Andreas mal nachdenken auch mit seinen herausgegriffenen Prozentzahlen des angeblichen Bürgerwillens.
DIE STRAßENBAHN IST DIE LÖSUNG, ABER MIT NEUER LINIENFÜHRUNG VIELLEICHT VOM DOTZHEIMER BAHNHOF ÜBER DIE INNENSTADT RICHTUNG HAUPTBAHNHOF UND WEITER IN DAS OSTFELD UND NORDENSTADT. Der Ortsteil Biebrich ist nun nicht mehr einzubinden
Die Klientel mit den Anwälten in der Biebricher Allee können sich so auch in den kommenden Jahren am Busverkehr erfreuen und sich über eine verpasste Chance der Lösung eines wirklichen Problems gewaltig ärgern.