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Kolumne: Falk Fatal lügt…

Wiesbaden-Westend. Früher Abend. Bin mit meiner Hündin Bailey unterwegs. Wir kommen an einer Kneipe vorbei. Davor steht ein junger Mann. Ich schätze ihn auf Mitte dreißig. Die braunen Haare sind lässig zum Pferdezopf gebunden. Am Körper eine Motorradjacke. Obwohl wir mit einigen Armlängen Abstand an ihm vorbeigehen, kann ich seine Fahne riechen. Er telefoniert. Mit wem, weiß ich nicht. Als wir auf gleicher Höhe sind, sagt er: „Nein, nein. Ich bin noch zuhause.“ Er wird schon wissen, warum er das gesagt hat.

Vielleicht weil der nervige Daniel bei einem Bier oder zwei über seine Ehefrau herziehen und jammern will, wie schlimm sie doch sei. Vielleicht spricht er aber auch mit Andreas. Der ist eigentlich ganz nett, aber in letzter Zeit faselt er nur noch über die Hohlerde als letzte Zuflucht vor der zerstörerischen Kraft der Chemtrails. Das nervt. Vielleicht telefoniert er auch mit jemand ganz anderes, aber der Schluss liegt nahe, dass dieses Etablissement nicht sein Zuhause ist und er sich mit einer Notlüge Zeit kaufen will.

Angeblich lügen wir bis zu 200 Mal am Tag. Mir kommt diese Zahl ziemlich hoch vor, gibt es doch Tage, da sage ich weniger als 200 Wörter. Aber auch falls wir nicht so viel lügen sollten, ist das trotzdem viel. Aber: Wenn man die ganze Unehrlichkeiten hinzunimmt, wie das „Ja“ auf die Frage nach dem Wohlbefinden, obwohl man doch eigentlich antworten will: „Meine Frau war heute so ehrlich, mir mitzuteilen, dass sie seit sieben Monaten mit meinem Chef schläft und sie ihn bitten würde, mich zu entlassen, wenn ich ihr deswegen jetzt eine Szene machen würde. Was glaubst du also, wie es mir geht?“, – dann scheint die Zahl der täglichen Lügen vielleicht doch ganz realistisch.

Andererseits ist schonungslose Ehrlichkeit oft wenig förderlich für das Zusammenleben. Oder anders ausgedrückt: Kleine Lügen erhalten die Freundschaft. Denn niemand hört gerne, dass die neue Frisur aussieht wie eine nasse Wiese, nachdem sie von einer Horde Wildschweine umgepflügt wurde. Und man macht sich vermutlich wenig beliebt beim Gastgeber, wenn man bei seinem als Party getarntem Stuhlkreis auftaucht und zur Begrüßung sagt: „Nasse Tapeten gehen besser ab als ihr!“

Politikern sagt man ja nach, dass Lügen für sie zum Geschäft gehört. Das trifft bestimmt auf einige zu. Dass sind dann die, die sagen: „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen“, oder: „Ich trage alles zur Aufklärung des Skandals bei.“ Aber es gibt sicher auch Politiker, die ehrlich sind. Und manchmal tut man ihnen auch unrecht, wenn man glaubt, sie hätten ihr Wort gebrochen. Denn oft steht die Wahrheit gut versteckt im Wahl- oder Parteiprogramm. Aber wenn man nicht nachsieht, kann man das nicht wissen. Also glaubt nicht alles, was man euch sagt. Schaut ruhig mal nach, was Parteien und Kandidaten noch so wollen, abseits der Wahlplakate, Werbespots und Social-Media-Memes, bevor ihr am 24. September wählen geht.

Mehr Falk Fatal!