Von Dirk Fellinghauer. Fotos: Veranstalter.
„Die Konferenz zur Visualisierung von Information“ nennt sich die 2006 ins Leben gerufene see conference. Über die Jahre hat diese sich nicht nur zu einer der größten Design-Konferenzen im deutschsprachigen Raum gemausert. Die „see“ befasst sich vermehrt mit nachhaltigen Konzepten und damit, wie sich gesellschaftliche Wahrheiten durch Veranschaulichung in der Informationsflut durchsetzen können. An diesem Samstag, 9. April, ist es wieder soweit.
„Gestaltung von Demokratie“ nannte see-Kurator Peter Post im Pressegespräch als Schwerpunktthema der see#15, die quasi mit zwei Jahren Verspätung mit dem bereits für 2020 geplanten Sprecher:innenfeld an den Start geht. Das Thema steht also schon lange fest, ist aber durch den Krieg in der Ukraine nun nochmal besonders aktuell geworden. Das Thema steht auch im Zusammenhang mit der Bewerbung von Frankfurt/Rhein-Main als „World Design Capital, die unter dem Motto „Design for Democracy“ steht. Die „see“ ist Bestandteil dieser Bewerbung, berichtete Peter Post.
Gesellschaftlichen Beitrag liefern
Inspiration bieten bei der „see“ einen ganzen Tag lang Sprecher:innen, die immer neue Blickwinkel auf treffsichere Kommunikation zu den Einflüssen heutigen Handelns auf die Gesellschaft und Umwelt zukünftiger Generationen eröffnen. Sie kommen aus ganz Deutschland und darüber hinaus, diesmal allein drei aus der Kreativmetropole London und mit Filmemacher und Animationskünstler Nikita Diakur aus Mainz auch mal einen Local Hero. Auf der Bühne stehen interdisziplinäre, tonangebende Kreative und Denker:innen aus den Bereichen Design, Kunst, Architektur, Journalismus, Philosophie, Technologie oder Wirtschaft. Sie alle vereint eins: Sie wollen einen gesellschaftlichen Beitrag liefern, und das auf einem hohen ästhetischen Level.
Forsensische Architektur und Mode-Aktivismus
Am 9. April werden Zukunftsneugierige in die große Schlachthof-Halle pilgern, die nach zweijähriger Corona-Zwangspause nun wieder voll besetzt werden kann (weshalb es auch noch ein paar Tickets im Vorverkauf gibt). sensor ist wie immer als Medienpartner am Start. Im laufenden sensor-Jahr der Frau richten wir den Vorab-Blick diesmal besonders auf die erfreulich vielen Rednerinnen im Line-up:
Die Architektin Christina Varvia hat sich als Gründungsmitglied von Forensic Architecture – einem Londoner Künstler- und Recherchekollektiv – die Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen auf die Fahne geschrieben. Reet Aus ist promovierte Modedesignerin und Umweltaktivistin. Die Pionierin im Bereich des industriellen Mode-Upcyclings entwickelte eine Zertifizierung, um ihr Wissen an Marken und Fabriken weiterzugeben. Sie will den ökologischen Fußabdruck der Modebranche verringern und zeigen, dass tiefgreifende Veränderungen möglich sind.
Ditte Lysgaard Vind (Projektbild oben) ist Designerin und renommierte Expertin für Kreislaufwirtschaft. Sie arbeitet für eine Welt, in der Produktion und Verbrauch keine negativen Auswirkungen auf unser Klima und unsere Gesundheit haben. Die Co-Autorin des „A changemaker’s guide to the future“ ist geschäftsführende Gesellschafterin von The Circular Way, einer strategischen Beratungsfirma der Lendager Group, deren Vision es ist, das Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit Voraussetzungen sind – keine Gegensätze.
Als Mitglied der ZEIT-Chefredaktion Malin Schulz seit 2016 maßgeblich dafür verantwortlich, neue Ideen und Innovationsprozesse im Printprodukt zu verankern und umzusetzen. Ihr Arbeitsansatz ist es, Design als Autorschaft zu begreifen. Stilistisch lotet sie visuelle Wirkungsmächte jenseits von Alarmismus und deren Stereotypen aus. Als mehrfach ausgezeichnete Journalistin schreibt sie kritisch über das Thema Kriegs- und Krisenfotografie.
Keynote von Harald Welzer, Metaverse-Modell
Zum dritten Mal wird der bekannte Soziologe, Redner und Autor Harald Welzer zu Gast bei der see sein. Er hält, per Stream zugeschaltet, die Keynote zum Auftakt des Tages. Spannend dürfte auch die Metaverse-Installation des Künstlers Programmierers und Choreographen Christian Mio Leclair werden, die dieser im hinteren Teil der Schlachthof-Halle aufbauen wird. In diese Welten können die Besucher:innen in den Pausen eintauchen. Wenn es sie nicht raus zum Kaffee, Snack und Schnacken zieht. Bei der see wird neben der Inspirations-Druckbetankung viel Wert auch auf die Zeit zwischen den Vorträgen gelegt. „Ausführliche Pausen sind ganz wichtig, schließlich haben wir auch den Ruf als Familientreffen der Rhein-Main-Kreativbranche“, betont see-Sprecher Daniel Sieben. Nach der langen Pause wird manches Hallo beim Wiederseehen besonders groß sein.
Ins Handeln kommen beim see camp
Wie immer erschöpft sich die „see“ ohnehin nicht im Lauschen und Staunen bei den Vorträgen am Konferenztag. Am Tag danach – Sonntag, 10. April – lädt das see camp auf dem Scholz & Volkmer Campus alle Interessierten (also auch jene, die nich bei der see selbst dabei waren) ein, bei freiem Eintritt Themen der Konferenz in Workshops und Diskussionen mit Speakern und anderen Akteuren zu vertiefen. Das Spektrum reicht von „jedermann“-Angeboten wie den Bau eines eigenen NO2-Anzeigers mit Jakob Volkmer oder Gartenworkshop und Zubereitung Wildkräuterquark mit Marita Weber und einem Upcycling-Workshop „Coole Blumentöpfe gestalten“ für Kids ab 8 bis zu fachspezifischen Workshops wie „Accessing your Agency of the Future“ mit see-Sprecher David Johnston.
Per Livestream wird am camp-Sonntag um 15 Uhr, aus Israel zugeschaltet, der Grafikdesigner, Illustrator, Künstler Noma Bar über seine Arbeit berichten.
sensor präsentiert die see und verlost 2 see-Tickets für den 9. April im Wert von 135 EUR: Mail bis 6. April, 11 Uhr, an losi@sensor-wiesbaden.de – Infos und letzte reguläre Tickets unter www.see-conference.org