In der Rubrik “Schöne Paare” stellt sensor schöne Paare vor und fragt sie nach ihrem Erfolgsrezept. Unser schönes Anja Krips und Frédéric Zipperlin bringt ab heute für einen Monat einen besonders liebenswerten Zirkus erstmals in unsere Stadt.
Rechts von mir geht Frédéric, links Anja, hinter mir ein Zebra – wir spazieren durch den Zoo. Doch heute stehen nicht Tiere im Mittelpunkt, sondern Frédéric Zipperlin und Anja Krips. Beide führen ein Leben, das nach Abenteuern und Romantik klingt. Er ist Zirkusdirektor und sieht genauso aus, ist kräftig, eher klein, mit lachenden Augen und französischem Akzent. Sie ist Tänzerin und erinnert mich an Tango. Gemeinsam gründeten sie den Cirque Bouffon. Da gibt es keine Affen und traurigen Löwen, sondern Schlangenmenschen und Artisten, Musiker, Theater, Tanz und Komik. Zum Spaziergang muss ich beide nicht lange überreden, dabei sprudeln die Worte einfach besser raus, wie sie sagen. Wir reden kaum über ihre aktuelle Produktion, dafür umso mehr über Liebe, Zirkusschulen und viele kleine Details, die man eben Leben nennt.
Warum treffen wir uns im Zoo, wo es doch in eurem Zirkus nicht mal Tiere gibt?
F: Das ist eben der Humor.
A: Abgestimmte Ironie.
Dann versteht ihr beiden euch wohl gut.
F: Seit 21 Jahren – und wir haben zwei Kinder!
Verheiratet oder in wilder Ehe?
A: Direktorin und Direktor.
Also eine richtige Zirkusfamilie?
F: Nein, denn erst als ich acht war, ging meine Mutter mit mir in den Zirkus. Und da wollte ich dann hin, wollte der Clown sein, dieser Wunsch ist immer geblieben. Darum bin ich mit 14 zur Zirkusschule gegangen.
Was hat man für einen Abschluss, wenn man die Zirkusschule bestanden hat?
F: Die Sache ist die, die Zirkusschule ist sehr schwer, von hundert Leuten kommt nur einer durch, so ist das Verhältnis. Zunächst lernst du da ein bisschen von allem, also die ganzen Basics: Artistik, Jonglieren, Trapez. Ich habe aber schon damals vor allem als Kontorsionist gearbeitet, also als Schlangenmensch …
A: Er arbeitete damals an einer Nummer, in der er in einem großen Transparentball auf die Bühne rollt und mit außergewöhnlichen Objekten jongliert. Das war keine klassische Jonglage und auch keine klassische Kontorsion, es war halt ein Auftritt wie im Cirque du Soleil, in dem er dann ja auch drei Jahre war.
Das war alles noch während der Zirkusschule?
F: Nein, das war schon danach, direkt mit achtzehn – das war das erste Jahr des Cirque du Soleil. Obwohl, nicht ganz direkt, ich habe erst mal auf den Straßen von Montréal gespielt – mit einer Freundin. Da hat uns dann der Artistik-Direktor des Cirque du Soleil gesehen und engagiert, von der Straße weg.
Klingt toll, habt auch ihr euch auf einer Straße getroffen?
A: Nein, wir haben uns auf einer Show kennengelernt, 1991 war das, da war ich engagiert als Tänzerin.
Das passt, optisch.
A: Ja, nicht wahr? Ich liebe Musicals, seitdem ich sechs bin. Damals habe ich mein erstes gesehen, „Brigadoon“, und wusste, das will ich machen – ich habe vor dem Fernseher gesessen und geweint. Danach wollte ich sofort zum Ballett, aber meine Mutter meinte, das könnten wir uns nicht leisten. Aber wir hatten zufällig eine Ballettschule im Haus und mein Papi hat dann immer für die den Rasen gemäht, so konnte ich doch den Unterricht besuchen. Da habe ich von der Pike auf Ballett gelernt. Aber ich wollte doch lieber die Musicalrichtung einschlagen, habe also eine Schauspielausbildung gemacht, am Keller-Theater in Köln – übrigens eine Klasse unter Til Schweiger. Also zurück zur eigentlichen Frage, wie ich Frédéric kennengelernt habe. Das war direkt nach der Ausbildung, ich war 23, er hat jongliert und war in seiner Kugel, in seiner Nummer …
Frédéric, war das da schon deine Show?
F: Nein, das war eine große Show, in der wir nur ein Act waren.
A: Ich war Teil des Tanzensembles, eine Hupfdohle. Wir mussten immer als Bild im Hintergrund rumhocken, während er vorne seine Nummer spielte.
Dann sagte Frédéric: „Tänzerin, ich will mit dir essen gehen!“?
A: Wir hatten spontan einen Abend frei, da die Show ausgefallen ist und wir sind zusammen essen gegangen. Ich wollte ihn tatsächlich abschleppen, das war schon irgendwie geplant, aber er war zu spröde, wollte nicht. Wir waren dann in meiner Wohnung, doch nix passierte, ich dachte, der ist bestimmt schwul. Ich habe sämtliche Schallplatten aufgelegt, war fast verzweifelt, also dachte ich, den muss ich nun loswerden, das wird nix mehr – hopp oder topp. Doch dann hat er angebissen und ist bis heute nicht abgehauen. Zwei Monate später war ich zum ersten Mal schwanger, habe den Job an den Nagel gehängt und in Köln Gesang studiert. Heute arbeite ich inzwischen hauptsächlich als Sängerin.
Ich dachte, als Tänzerin?
A: Beides, in der Show mache ich beides!
Wo sind eure Kinder heute?
F: Die Kinder sind jetzt zwanzig und zehn.
Sind die Kinder auch im Zirkus?
F: Die Große studiert Hotelfach, doch die Kleine wird was in die Richtung machen.
Man sagt ja, Talent überspringt gerne eine Generation – ist es mit euch als Eltern dann nicht ratsam, sehr konservative Berufsentscheidungen zu treffen?
F: Das kann natürlich sein. Die Große fing vor zwei Jahren an zu sagen, sie wolle zur Polizei. Da habe ich gesagt: „Du kannst alles machen, alles – aber Polizei, das nicht.“ Jetzt macht sie eben Hotelfach in Köln.
Gibt es häufig Streit unter euch Artisten?
F: Klar, wir sind eine große Familie, da gibt es immer mal Streit. Wir sind fünfzehn Leute, und man sagt ja, in einer Gruppe gäbe es immer eine Zicke. Aber dieses Jahr haben wir das nicht – wir kennen uns alle aber auch ewig.
Meint ihr, es wird in zehn, fünfzig oder hundert Jahren überhaupt noch Zirkus geben?
F: Ja, Zirkus ist immer auch ein nostalgischer Traum …
A: … eben Poesie. Oh Mann, Poesie …
Der von Anja und Frédéric gegründete Cirque Bouffon zeigt mit seiner internationalen Truppe eine neue Art des Artistik-Theaters: Nouveau Cirque, eine Richtung, die dem klassischen Zirkus neue Impulse gibt. Mit verschiedensten Elementen – alle ohne Tierdressur – entsteht ein ästhetisch anspruchsvolles Kunstwerk, charmant und roh zugleich. Vom 5. September bis 6. Oktober gasteiert Cirque Bouffon mit seinem Programm „Nandou“ – präsentiert von sensor als Medienpartner – erstmals in Wiesbaden im charmanten Chapiteau in den Reisinger Anlagen. Die Premiere ist heute um 20 Uhr. Weitere Vorstellungen mittwochs bis freitags 20 Uhr, samstags 15 und 20 Uhr, sonntags 14 und 17 Uhr. Montag und Dienstag keine Vorstellungen. Karten im Vorverkauf über ADTicket, im Perfect Day, in der Tourist Info und an der Tages- und Abendkasse.
sensor verlost 5×2 Freikarten für die Vorstellung am Sonntag, 8. September, um 17 Uhr: Mail an losi@sensor-wiesbaden.de
(Interview: Thorsten Kambach für Stadtgeflüster Münster. Foto: André Stephan / Delicious Fotodesign Münster)
Hier unser Bericht http://www.sensor-wiesbaden.de/cirque-bouffon-verzaubert-wiesbaden-im-kulturherbst-premiere-am-donnerstag/