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Schonungslos ehrlich, kunstvoll, multimedial: Tanzfestival Rhein-Main startet in Wiesbaden

Das Tanzfestival Rhein-Main ist in vollem Gange. Nun steigt auch Wiesbaden als Austragungsort ein ins aufregende Geschehen. Am Freitag, dem 8. November, starten hier die Veranstaltungen – direkt mit besonderen Highlights.

Mit seiner bewegenden Performance „An Accident / a Life“ (Foto) ist der australische Ausnahmekünstler Marc Brew gleich zweimal zu erleben: Am Samstag, den 09., und Sonntag, den 10. November, jeweils um 19:30 Uhr im Kleinen Haus des Staatstheaters Wiesbaden.

Einer Kindheit, die er humorvoll als eine „Outback-Version von ‚Billy Elliot‘“, als einziger tanzender Junge in einem 900-Seelen-Dorf, bezeichnet, folgten eine Ausbildung an der Australien Ballet School und ein Engagement bei der Ballettkompanie PACT in Südafrika. Am 11. Oktober 1997 verändert ein Autounfall schlagartig die Perspektive des jungen Tänzers. Nach sechs Monaten Krankenhaus kehrt Marc Brew im Rollstuhl nach Hause zurück. Doch er gibt nicht auf. Nicht zuletzt die Begegnung mit Kitty Lunn, der Tänzerin und Gründerin des inklusiven Infinity Dance Theatres macht ihm klar, dass er sich noch immer als Tänzer identifiziert: „Da wusste ich, dass ich eine neue Art des Tanzens finden musste.“

Gemeinsam mit dem preisgekrönten Choreografen Sidi Larbi Cherkaoui, der mit Künstlerinnen wie Madonna und Beyoncé arbeitet, reist der mittlerweile in Großbritannien und den USA arbeitende Tänzer, Choreograf und Gründer einer eigenen Company Marc Brew noch einmal zu jenem schicksalhaften Augenblick zurück und verleiht dessen Tragweite und Gefühlsdimension in einer sensiblen, starken und schonungslos ehrlichen Performance Ausdruck. Der choreografisch gezeichnete Weg zurück auf die Bühne wird dabei zu einer Geschichte von Resilienz und Wiedergeburt.

Bereits am Freitag, den 08. November von 17:00 bis 18:00 Uhr gibt Marc Brew im Ballettsaal des Staatstheaters Wiesbaden im Workshop „Inclusive Dance“ Einblicke in seine Arbeitsweise. Teilnehmen können Menschen ab 16 Jahren mit und ohne Einschränkungen.

Am Donnerstag, den 14. November, kommt um 19:30 Uhr einmalig die Produktion „Mont Ventoux“ des spanischen Kollektivs Kor’sia auf die Bühne des Großen Hauses. Nach dem großen Erfolg seiner Kreation „Kafka“ für das Hessische Staatsballett kehrt das Kollektiv mit einer eigenen Produktion zurück. Inspiriert wurde das multimediale Werk von einem Bericht des italienischen Dichters Francesco Petrarca. Petrarcas Brief aus dem Jahr 1336, in dem er seine Besteigung des Mont Ventoux mit drei Begleitern beschreibt, gilt als erste überlieferte Darstellung einer Gipfelbesteigung. Er erzählt zugleich von einer aufsteigenden Reise der Menschheit, um die dunklen Jahre des Mittelalters zu überwinden und das kommende Zeitalter – den Humanismus – einzuleiten. Sieben Jahrhunderte später, in einer Zeit der Beschleunigung, sieht auch der heutige Mensch die Dringlichkeit einer gesellschaftlichen Veränderung. „Wir müssen aus der Lethargie erwachen …!“, schrieb Petrarca. Diese Worte werden Kor’sia zum Mantra: „Besteigt den Berg. Lasst uns unsere Werte zurückgewinnen. Eine philanthropische Massenübung durchführen. Die Menschheit und die Natur wieder in den Mittelpunkt stellen.“

Folgende weitere Programmpunkte erwarten das Wiesbadener Publikum:

Am Samstag, den 09. November von 10:00 bis 11:30 Uhr lädt das beliebte Format „Antanzen“ zum offenen Training für Nicht-Profis in den Kleinen Ballettsaal des Staatstheaters Wiesbaden. Als Teil des „Urban Specials“ leitet die Choreografin, Tänzerin und Trommlerin Jennifer Owusu, deren Arbeit auch immer eine Reise zu ihren ghanaischen Wurzeln ist, die Ausgabe mit der Ausrichtung Afrobeat.
In der Choreografischen Werkstatt präsentieren am Montag, den 11. November um 19:00 Uhr drei Choreograf*innen in der Wartburg des Staatstheaters Wiesbaden Auszüge aus ihren aktuellen Arbeiten. Anschließend laden sie zum Austausch über Arbeitsweisen und das Gesehene ein.

Am Montag, den 11. November um 19:00 Uhr erobern die Tänzer*innen des Hessischen Staatstheaters einen ungewöhnlichen Raum: Im Kunsthaus Wiesbaden lassen sie sich für eine einmalige Performance inspirieren von den Werken des Malers und Objektkünstlers Peter Roehr. Das Kunsthaus widmet dem frühen Vertreter der Minimal Art derzeit eine interdisziplinäre Hommage, bei der sich internationale Klangkünstler in Installationen mit Roehrs Werk auseinandersetzen. Das Staatsballett bringt eine weitere Perspektive auf den Künstler, der auch als Vertreter der Pop-Art-Fotografie und Vorreiter der Konzeptkunst gilt. Der Eintritt zu „Tanz im Kunsthaus“ ist frei.

Am Mittwoch, den 13. November um 19:30 Uhr in der Wartburg präsentiert die international bekannte Waacking-Ikone Mounia Nassangar ihr erstes choreografisches Werk „Stuck“. Der Streetdance-Stil, der in den 1970er-Jahren in der LGBTQ-Disco-Scene von Los Angeles entstand, zu einer Zeit, in der queere Menschen stigmatisiert und weitestgehend unsichtbar waren, ist durch einen kraftvollen, sich der Unterdrückung entgegensetzenden Ausdruck charakterisiert. Fünf Tänzerinnen transferieren in der starken Choreografie innere und äußere Zwänge in Freiheit und Selbstbestimmung. Mounia Nassangar gehört zum Collectif FAIR~E, das dieses Jahr im Spotlight des Festivals steht. Das sechsköpfige Kollektiv repräsentiert in einer einzigartigen Organisationsstruktur und künstlerischen Bandbreite eine neue Generation zeitgenössischer Choreograf*innen. Ihr Material sind „urbane“ Ausdrucksformen wie Hip-Hop, House, Breaking oder Locking, die sie kontinuierlich erweitern.

Bereits am Dienstag, den 12. November von 19:00 bis 20:30 Uhr gibt Mounia Nassanger bei einem Workshop im Ballettsaal des Hessischen Staatsorchesters einen Einblick in die Bewegungssprache des Waacking und dessen Entstehungsgeschichte.

Den Abschluss des Wiesbadener Programmteils macht am Freitag, den 15. und Samstag, den 16. November, jeweils um 19:30 Uhr in der Wartburg das Stück „Bloom“. Bloom ist ein Anderer, ein Fremder, ein Bote, der mit seiner Seltsamkeit fasziniert. Inspiriert von der neofuturistischen Bewegung, erforscht die Kreatur die Spannung zwischen dem Alten und dem Neuen. Die französische Tänzerin und Choreografin Jennifer Dubreuil Houthemann lädt zu einer Performance, die live von DJ Marion Faure begleitet wird. Aus Formen, Gesten, Klängen und Emotionen entsteht die Metamorphose eines einzigartigen Wesens, das die Klanglandschaft, die sich vor ihm entfaltet, gleichsam zu imitieren und interpretieren versucht.

Das gesamte Programm des Tanzfestivals Rhein-Main an allen Standorten finden Interessierte hier: www.tanzfestivalrheinmain.de, sowie die Veranstaltungen in Wiesbaden auf der Homepage des Staatstheaters Wiesbaden: www.staatstheater-wiesbaden.de. Tickets können sowohl online als auch an den Abendkassen vor Ort erworben werden. (dif/Foto Filip van Roe)

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