Von Hendrik Jung. Fotos Kai Pelka.
Von außen hat das Gebäude in der Hasengartenstraße überhaupt keine Ähnlichkeit mit einem buddhistischen Tempel, wie man ihn aus Thailand kennt. Die Landesflagge, ein Namens-Banner und ein kleines kunstvolles Tempel-Modell in der Größe eines Vogelhäuschens geben Hinweise darauf, was die Gäste im Inneren des nüchternen Zweckbaus erwartet – eine von drei deutschen Filialen des thailändischen buddhistischen Tempels Siht Wat Thazun. Ziel der Gläubigen ist das Verlassen des ewigen Zyklus der Wiedergeburt durch Verwirklichung des Nirvana.
Nüchternes Gebäude, prachtvoller Zeremoniensaal
Wer sich gleich am Eingang seines Schuhwerks entledigt, darf die Treppe zum weitläufigen Zeremoniensaal im Obergeschoss hinaufsteigen. Dort findet sich dann die ganze Pracht, die man bislang vielleicht vermisst hat. Moderne Kristallleuchter, große Fenster und mit Spiegelmosaik verkleidete Säulen sorgen für eine lichte Atmosphäre. Ein flauschiger roter Teppich lädt ein, sich darauf niederzulassen, aber für die älteren Gäste stehen auch Stühle bereit. Zahlreiche goldfarbene Statuen in verschiedener Größe sind auf mehreren Altären zu finden. Darunter ein junger Buddha, der durch den Besatz mit kleinen Kristallen besonders hervorgehoben ist. Aber auch eine Figur von Dr. Jivaka Kumar Bhaccha gehört dazu. Der indische Arzt, zu dessen Patienten vor rund 2.500 Jahren wohl auch der als Buddha bekannte Siddharta Gautama gehört hat, wird gemeinhin als Urheber der „uralten heilsamen Berührung“ (Nuad Phaen Boran) angesehen, die als Thai-Massage auch in Deutschland immer populärer wird.
Buddhistische Lehre mit drei Grundprinzipien
Üppiger Blumenschmuck, der wie auf einer Pyramide mit runder Grundfläche dekoriert ist, gehört nicht zur Standardausstattung des Saals. Gemeinsam mit Räucherstäbchen und Kerzen spielen die Blüten eine wichtige Rolle bei der Zeremonie, die an diesem Tag hier begangen wird. Es handelt sich um das Makha Bucha Fest, das zur Verehrung Buddhas und seiner Lehre gefeiert wird. Für den Mönch des Wiesbadener Tempels und seinen Kollegen aus der Nürnberger Filiale erinnert die von ihnen geleitete Zeremonie daran, dass Buddha der Überlieferung nach neun Monate nach seiner Erleuchtung 1.250 Schülern die drei Grundprinzipien seiner Lehre vermittelt und damit den Auslöser für deren Verbreitung gegeben habe. Auch wenn sich daraus in verschiedenen Regionen Asiens unterschiedliche Pfade des Buddhismus entwickelt haben, so seien diese drei Prinzipien allgemeingültig: Der Verzicht auf schlechte Taten, die Beschränkung auf gute Taten sowie der Verzicht, an schlechte Taten auch nur zu denken.
Mit Fächern vorm Gesicht
Zu den Eigenheiten, die sich in der Wiesbadener Filiale des Wat Thazung Tempels beobachten lässt, gehört, dass die Mönche Fächer vor ihr Gesicht halten, während sie unablässig die Lehren Buddhas rezitieren. Dies gehe auf eine Tradition zurück, bei der einst verschiedene Pflanzenblätter verwendet wurden, um auch bei Versammlungen mit einer Vielzahl von Mönchen erkennen zu können, wer unter ihnen die Dienstältesten gewesen seien. Da sich die meisten Mönche der drei deutschen Filialtempel des Wat Thazung gerade in Thailand befinden, kommen in Wiesbaden nur zwei zusammen. Der jüngere der beiden ist aus Nürnberg angereist. Der 49-jährige Phra Wutthichai Kluythong (Foto oben rechts) habe sich für das Mönchtum entschieden, um aus dem Leid der ewigen Wiedergeburt zu entkommen und das Nirvana zu verwirklichen.
Als die Pflicht erfüllt war, wurde der Familienvater Mönch
Der ganzjährig in Wiesbaden lebende Wichian Sukkasem (Foto oben links) wiederum hat eine andere Motivation. Der 73-jährige habe eine Familie und Kinder gehabt. Da diese inzwischen auf ihre Mutter aufpassen können, habe er seine Pflicht als Familienvater erfüllt und wolle nun als Mönch ein ganz einfaches Leben führen. Eigentlich gehört dazu auch, über keinen Besitz zu verfügen. Mindestens ein Smartphone haben aber beide. „Wenn man es gut verwendet, steckt viel Wissen darin“, lässt Phra Wutthichai Kluythong übersetzen, der die deutsche Sprache schon gut versteht, aber noch kaum spricht.
Seit einigen Jahren kann der eingetragene Verein, der die Gemeinde trägt, für seine Mönche Jahresvisa beantragen. Deshalb müssen diese nicht mehr zwischen Thailand und Deutschland hin und her pendeln, sondern können ganzjährig vor Ort sein. Täglich leiten sie morgens und abends die Gebete, im Anschluss wird gemeinsam meditiert. Rund ein halbes Dutzend Vereinsmitglieder ist jeden Tag ehrenamtlich damit beschäftigt, sie mit Essen zu versorgen und Ordnung zu halten. Schließlich hat man 630 Quadratmeter zur Verfügung, auf denen sich neben dem Zeremoniensaal, Arbeits- und Schlafzimmern auch die Küche, Bibliothek sowie ein Raum befinden, in dem Näharbeiten und Blumenschmuck gefertigt werden.
Rund 300 Thais leben in Wiesbaden
Rund 240 Personen befinden sich im Verteiler, mit dem zu besonderen Veranstaltungen eingeladen wird. „Weniger als früher“, berichtet die Vereinsvorsitzende Sakuna Wiesendanner. Schließlich reiche vielen heute ein Blick auf die Internetseite, um sich zu informieren. Zum Jahreswechsel sind in Wiesbaden 319 Menschen thailändischer Herkunft gemeldet. Doch es kommen auch Gäste aus Düsseldorf, Marburg und sogar Frankfurt, obwohl es in Höchst einen eigenen Thai-Tempel gibt. „Wir sind offen für alle. Es kann jeder kommen und sehen, ob das was für ihn ist“, betont Arun Phanto, der stellvertretende Vereinsvorsitzende. Vor allem zu den Abendgebeten begrüße man zunehmend deutsche Gäste, die nicht durch eine Ehe mit einer Thai mit dem Tempel in Verbindung sind, sondern aufgrund ihres Interesses am Buddhismus.
In der Serie „So glaubt Wiesbaden“ porträtieren wir in loser Folge unterschiedliche Religions- und Glaubensgemeinschaften und Gemeinden in Wiesbaden. Ideen, Vorschläge, Anregungen? Mail an hallo@sensor-wiesbaden.de, Betreff: „Glaube“.
Die nächsten Zeremonien
Interessierte sind täglich eingeladen, zu Gebet und Meditation in den Siht Wat Thazung in die Hasengartenstraße 22 zu kommen. Aber auch bei den Zeremonien sind Gäste willkommen. Die nächsten Termine sind: – Sao Ha-Zeremonie am 28. März, – buddhistische Neujahrsfeier (Songkran Fest) am 5. April, – Tag der Verehrung des Luang Puh Chivok Gomaparat am 1. Mai ab 10 Uhr, – Visakha Bucha Feier zur Erinnerung an Geburt, Erleuchtung und das vollkommene Verlöschen Buddhas am 17. Mai. Alle Infos: https://sihtwatthazung.jimdofree.com