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Unter der Haube: Jörg Schäfer weiß, worauf es bei Oldtimern ankommt

Von Mara Braun. Fotos Nele Prinz.

Die Anschrift seiner Werkstatt in Erbenheim hätte Jörg Schäfer sich kaum besser ausdenken können: „Rennbahnstraße ist schon toll“, sagt der Kraftfahrzeugtechniker-Meister. Nur einen Nachteil hat die Adresse: Ein paar Hundert Meter weiter residiert ein Abschleppunternehmen. „Die Leute sehen hier Autos und landen mit ihrem Frust oft erst bei uns auf dem Hof“, erzählt er lachend. Seit 2013 führt Schäfer das „Schraubwerk65“, zunächst mit einem Kompagnon, der 2016 gesundheitsbedingt aussteigen musste. Ein festangestellter Geselle und ein Azubi unterstützen den Autoliebhaber, der auf Oldtimer spezialisiert ist. Kollege Lorenz Ehrhardt ist als Freischaffender in der Werkstatt. Deren Name bezieht sich auf die gemeinsamen Ziffern der Wiesbadener Postleizahlen. Und Schraubwerk? Wieder lacht Schäfer. „Wir haben lange getüftelt. Am Ende hat sich der Name herauskristallisiert. Er regt zu Fragen an, das ist gut.“

Werkstattidyll mit Gummibärchen

Alte Autos, sinniert Jörg Schäfer, waren schon immer sein Thema. „Ich fahre sie auch selbst.“ Sein „Schätzchen“ ist ein 1972er Ford Consul Coupé, dem er eine sportliche Note verpasst hat, nachdem er zuvor 13 Jahre zerlegt in einer Scheuer auf die heilenden Hände seines Besitzers gewartet hatte: „Als ich ihn auseinandergenommen hatte, kam immer etwas dazwischen, aber 2014 habe ich mich dran gemacht.“ Mit offener Haube steht das Auto aufgebockt in der vollen Werkstatt und der Blick seines Besitzers ist fast zärtlich, als er den Ford betrachtet. Coupés, so viel lässt sich sagen, sind privat Schäfers Leidenschaft. Den einen Oldtimer, für den er alles stehen und liegen lassen würde, mag er nicht benennen: „Es gibt zu viele Faktoren: Leistung, Coolness, Schönheit “, sagt er, während im Hintergrund ein 3D-Drucker surrt. Damit fertigt der Meister kleine Teile für Fahrzeuge an. „Wir sind noch nicht sehr weit“, bremst er behutsam und zeigt Ansaugtrichter und Zierleisten eigener Produktion.

Wo aber kommen Ersatzteile für Autos her, die teilweise seit Jahrzehnten nicht produziert werden? „Unterschiedlich“, sagt Jörg Schäfer, während einer seiner Männer ins Büro kommt und Gummibärchen aus einem großen Glas stibitzt. Der Meister erklärt, für manche Modelle sei alles problemlos zu kriegen, dann wieder müsse man kreativ werden. Ganz wichtig sei eine gute Infrastruktur, ein Netzwerk aus Händlern und Spezialisten. „Manchmal findet man für die kuriosesten Teile ganz einfach zig Anbieter, dann wieder sind scheinbar simple Teile wie eben eine Zierleiste nirgends zu kriegen oder sie kostet statt 6 Mark jetzt 150 Euro“, erzählt er von den Erfahrungen mit der Materialbeschaffung für die Fahrzeuge in seiner Obhut.

Glücksmomente hinterm Steuer

Eine Art „Prototyp Oldtimer-Besitzer“ hat Schäfer im Schraubwerk65 noch nicht ausgemacht. „Das liegt auch daran, dass wir eine offene Werkstatt sind, also nicht auf bestimmte Fahrzeuge spezialisiert.“ Im Übrigen nicht mal auf die alten Kleinode: „Wir machen hier Werkstattbetrieb mit allen Autos“, sagt der Meister und betont die Bedeutung des Alltagsgeschäfts: „Das macht uns wirtschaftlich den Monat gut.“ Im Übrigen, erklärt der Profi, sei nicht jedes alte Auto direkt ein Oldtimer. „Manchmal wurde da 20 Jahre zu spät mit der Pflege begonnen und jede weitere Investition wäre vergeben.“ Für die Kunden meist keine leichte Einsicht: „Da sind ja Emotionen im Spiel und man möchte natürlich niemandem auf die Füße treten“, erklärt Schäfer, von dem eine angenehme, natürliche Freundlichkeit ausgeht – eine gute Voraussetzung für jemandem, dem Menschen ihren vielleicht liebsten Besitz anvertrauen.

Wie schnell sie den wiedersehen, hängt freilich vor allem vom Fahrzeug selbst ab. Härtefälle bleiben auch mal ein paar Jahre in der Werkstatt, wie der Jensen Interceptor, der hier seit 2013 in Behandlung ist. „Es ist wie mit einem alten Bauernhof. Man weiß nicht, was einen erwartet, wenn man eine Wand einreißen muss.“ Die Arbeiten an den Autos werden in enger Abstimmung mit den Besitzern getätigt, die ihre Schätze in der Zeit der Trennung auch mal besuchen. Bis sie irgendwann endlich wieder hinters Steuer ihrer Kleinode schlüpfen können, denn schließlich: „Am schönsten ist es, wenn Oldtimer einfach gefahren werden.“

Oldtimer-Rallye

Jede Menge Oldtimer in voller Pracht und zumeist fein herausgeputzten Zuständen gibt es rund um Fronleichnam wieder auf den Straßen in und um Wiesbaden zu bewundern. Vom 15. bis 18. Juni veranstaltet der Hesse Motor Sports Club (HMSC) seine 34. Internationale Oldtimer Rallye. Alle Infos auf www.hmsc-wd.de