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Vielfältig visionär und ein Kopf voller Verrücktheiten: Abschied von Reinhard Faust (1945-2023)

Von Dirk Fellinghauer. Fotos Samira Schulz.

Manche Menschen haben eine Vision. Wenige Menschen haben viele Visionen. Reinhard Faust war so ein Mensch. Manche Menschen haben Visionen. Wenige Menschen verwirklichen ihre Visionen. Reinhard Faust war so ein Mensch. Der vielfältig Visionäre, der  Besonderes in und für Wiesbaden geschaffen hat, ist am 20. November im Alter von 78 Jahren verstorben.

Reinhard Fausts große Vision und sein großes Lebenswerk war das Hofgut Adamstal. das er 1969 – mit gerade mal Mitte 20 – von den Eltern übernommen hatte und gemeinsam mit seinem Bruder Hans-Jürgen Faust von einem landwirtschaftlichen Betrieb zu einer Institution rund um Pferde und Reiten in Wiesbaden um- und ausbaute. 1954 waren Reinhard Faust senior und die politisch aktive Margot Faust mit ihrem landwirtschaftlichen Betrieb von der damaligen Kupfermühle in der Mainzer Straße – und mit Kühen, Schweinen, Puten, Hühnern, Ackerpferden und einer 400-jährigen Familientradition – ins Hofgut Adamstal gezogen. Reinhard Faust junior verstand die jahrhundertealte Tradition offenbar nicht als Last, sondern als Ansporn und Aufgabe, Neues zu schaffen.

Was mit fünf Pensionspferden begann, ist heute Heimat für rund hundert Pferde und ein lebendiger Kosmos mit vier Reithallen auf einem Gelände vor den Toren der Stadt inmitten von etwa 50 Hektar Wiesen und Feldern. Und das Adamstal ist weit mehr als ein Ort für Pferde und Reiter. Das von Reinhard Faust begründete Adamstal ist auch Gaststätte, Eventlocation für Firmen wie für private Anlässe, Schauplatz für besondere Ereignisse – unvergessen der Besuch von Audrey Hepburn zur Unicef-Gala 1991 -, das Adamstal ist Kulturspielstätte, Partyspot und einfach ein magischer Ort für unterschiedlichste Menschen und Anlässe und bei allem Wachstum immer familiär und persönlich geblieben.

Vor einigen Jahren hat der Familienmensch und Geschäftsmann Reinhard Faust, der bei der Verwirklichung und dem Leben seiner Visionen auch immer auf die Unterstützung seiner Frau Gabi zählen konnte, sein Lebenswerk – das niemals endende und sich immer wieder verändernde Projekt Hofgut Adamstal – seinen Kindern anvertraut, allen voran seiner Tochter Katharina Stein als Geschäftsführerin. Ebenso gestalten auch die Söhne Rouven Faust und Paul Faust das Update des Hofes als Ort der Möglichkeiten maßgeblich mit – nicht zuletzt auch mit dem Organisieren von Kulturevents und angesagten Partys.

Reinhard Faust hat es geschafft, abzugeben, er war aber doch nach wie vor rund um das Hofgut Adamstal nicht nur anwesend, sondern auch sehr präsent, zu allen Tages- und Nachtzeiten und gerne auch bei den besagten angesagten Partys inmitten des doch eher jungen Szenevolks. Er ging auf die Gäste zu, wollte wissen, wer da alles war und interessierte sich für ihre Geschichten. Er war ein Mann, der neugierig machte und der neugierig war. Und der mit seiner Art viele faszinierte und inspirierte.

„Visionär mit Neugier und großem Herz“

„Wir trauern um einen ganz besonderen Menschen, einen Visionär mit Neugier und großem Herz“, schreiben Susanne Müller und Wolfgang Vielsack vom kuenstlerhaus43 – und beschreiben den Verstorbenen als einen Menschen „mit einem Kopf voller Verrücktheiten, einen Zeitverschenker, einen Ermöglicher – denn ohne ihn würde es das kuenstlerhaus43 nicht geben.“

Reinhard Faust war Eigentümer des Hauses in der Oberen Webergasse, das er vor dem Abriss rettet und in dem sich die besondere Wiesbadener Theaterbühne etablieren durfte. „Wir waren quasi Hausbesetzer mit Einverständnis des Eigentümers“, erinnerte sich Susanne Müller in der letzten Kulturbeirats-Sitzung daran, wie Reinhard Faust hier etwas zuließ, wo andere Hauseigentümer vielleicht den Bedenken den Vortritt gelassen hätten. Zögern und Zaudern war aber Reinhard Fausts Sache nicht, dafür umso mehr die Begeisterung für Menschen und ihre Ideen, für Kreatives und für Kultur – im sensor-Porträt über die Familie Faust bezeichnete der dreifache Vater das kuenstlerhaus43 gar als sein „viertes Kind“.

Auch die Reitergruppe Wiesbaden, der Reinhard Faust 53 Jahre lang als Mitglied angehörte, verneigt sich vor dem Mensch und Macher: „Durch die Erschaffung der Reitanlage im Hofgut Adamstal beeinflusste und gestaltete er maßgeblich die Reitkultur in Wiesbaden und gab unserem Verein ein Zuhause“, schreiben Natalie Hoffmann und Anja Hoffmann, Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende des Vereins und bemerken: „Stets stand er der Reitergruppe Wiesbaden mit Rat und Tat zur Seite“.

Die Trauerfeier findet am Donnerstag, 7. Dezember, um 13 Uhr im Schloss Freudenberg statt. Auf dem Nordfriedhof wird Reinhard Faust, nach der Beisetzung im engsten Familienkreis, seine letzte Ruhe finden.

(Weiterlese-Tipp: „PS und DJs – Wie die Ur-Wiesbadener Familie Faust rund ums Adamstal Ideen für die Zukunft sät“)