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„Wer? Wie? Was?“ zur Kommunalwahl: Was Sie schon immer über die Kommunalpolitik wissen wollten, aber nie zu fragen wagten

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Von Dirk Fellinghauer. Fotos Kai Pelka.

Seit wenigen Tagen ist es auch in Wiesbaden unübersehbar. Es steht mal wieder eine Wahl vor der Tür. Am vorletzten Januar-Wochenende begann die Plakatierungsorgie. Jede Menge Damen und Herren, die meisten von ihnen den meisten von uns weitgehend unbekannt, lächeln uns an, garniert mit allen möglichen wohlklingenden Botschaften. Eine entscheidende Botschaft sucht der Betrachter auf vielen Plakaten vergeblich: Um welche Wahl geht es eigentlich? Diese Frage lässt sich ganz einfach beantworten: Um die Kommunalwahl. Mit dieser Information gehen für viele, die am 6. März an die Urnen gelockt werden sollen, die Fragen aber erst los: Wer wird da gewählt? Wie wird da gewählt? Was wird da gewählt? Getreu dem Motto „Nicht wer fragt, ist dumm, sondern wer nicht fragt, bleibt dumm“ geben wir Antworten auf wichtige Fragen rund um die Kommunalwahl 2016.

Kommunalwahl – was ist das eigentlich? Wie der Name schon sagt, geht es bei der Kommunalwahl um die Kommunen, also  um Städte und Gemeinden. Kommunalwahlen finden immer zeitgleich in einem gesamten Bundesland statt, sind aber nicht mit den Landtagswahlen zu verwechseln, bei denen ein Parlament für das ganze Bundesland (Landtag) gewählt wird. Bei der Kommunalwahl in Hessen wird am 6. März in 426 Städten und Gemeinden und 21 Landkreisen gewählt.

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Was wählt Wiesbaden bei der Kommunalwahl? ? In Wiesbaden wird zum einen das für die gesamte Stadt zuständige Stadtparlament, die Stadtverordnetenversammlung, gewählt. Also das, was der Bundestag für Deutschland ist. Ihr gehören 81 Stadtverordnete (Abgeordnete) an. Daneben werden Ortsbeiräte gewählt, die sich als „kleine Parlamente“ um die Belange in Ortsbezirken der Innenstadt (zum Beispiel Westend, Mitte, Südost) sowie in den Vororten und Stadtteilen kümmern – und die außerdem Stadtverordnetenversammlung und Magistrat als „aktives Bindeglied zwischen Stadtteil und Rathaus“ beraten, dort angehört werden müssen und Vorschlagsrecht, aber kein tatsächliches Mitbestimmungsrecht, haben. Wiesbaden hat eine außergewöhnlich hohe Anzahl an Ortsbeiräten, nämlich 26 (zum Vergleich: Frankfurt hat 16 Ortsbeiräte, Mainz 15, Darmstadt nur einen). Sie bestehen, je nach Größe des Ortes, aus fünf bis 17 Mitgliedern.

Wer steht zur Wahl? Zum einen treten die Wiesbadener Ableger der Parteien an, die auch von Bundestags- und Landtagswahlen vertraut sind. Daneben stehen aber auch Parteien, Wählervereinigungen und Gruppierungen zur Wahl, die es nur in Wiesbaden, oder auch nur in einzelnen Stadt- und Ortsteilen, gibt. Die einzelnen Parteien und Gruppierungen werden als „Wahlvorschläge“ bezeichnet, die Kandidatinnen und Kandidaten als Bewerberinnen und Bewerber. Für die Stadtverordnetenwahl 2016 wurden zwölf Wahlvorschläge zugelassen: CDU, SPD, GRÜNE, DIE LINKE, FDP, PIRATEN, BIG, AfD,  BLW, FREIE WÄHLER, ALFA, ULW.  Für Stadtverordneten- und Ortsbeiratswahlen zusammen wurden 117 Wahlvorschläge mit 1.382 Bewerbern zugelassen, davon sind 471 Frauen und 911 Männer. Für das Stadtparlament alleine treten 524 Kandidaten an. 

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Wie wähle ich? Anders als bei Bundestags-, Europa- oder Landtagswahlen. Die augenscheinlichsten Unterschiede: Wir bekommen zwei Stimmzettel, einen für die Stadtverordnetenwahl (=Parlament für ganz Wiesbaden), einen für die Ortsbeiratswahl (=Stadtteilparlament). Der  Stimmzettel für die Stadtverordnetenwahl hat posterartige Dimensionen, die unbedarften Wählern oft erst mal einen Schreck einjagen. Der Grund ist zum einen die schiere Anzahl der Kandidatinnen und Kandidaten, eben 524. Zum anderen dürfen Wähler bei jedem der Kandidaten – dies auch bei der Ortsbeiratswahl   – bis zu drei Kreuze machen. Die Rede ist von Kumulieren und Panaschieren. Zwei Begriffe, die fast jeder schon mal gehört hat, aber kaum jemand auf Anhieb versteht. Keine Sorge: Was kompliziert klingt, ist gar nicht so schwer.

Wie war das mit Kumulieren und Panaschieren? Seit der Kommunalwahl 2001 haben Wähler in Hessen ungeahnte Möglichkeiten: Sie können für einzelne Kandidaten ein, zwei oder drei ihrer insgesamt 81 Stimmen (so viele wie Sitze zu vergeben sind) abgeben. Das nennt sich kumulieren, übersetzt anhäufen. Sinn und Zweck des Ganzen ist, dass man die Kandidaten, die man besonders mag, schätzt, für wichtig hält oder auch einfach nur kennt, stärken und ihre Chance auf einen Sitz im Parlament erhöhen kann. Auf dem Wahlzettel finden wir die Kandidaten in der Reihenfolge, wie sie parteiintern festgelegt wurde. Bei Partei ABC steht zum Beispiel auf der Kandidatenliste 1. Herr Bla 2. Frau BlaBla 3. Dr. BlaBlaBla. Wenn ich nun finde, Dr. BlaBlaBla hat´s ganz besonders drauf, mache ich hier drei Kreuze und kumuliere ihn „nach vorne“. Wenn ich aber finde, Partei ABC weiß selbst am besten, in welcher Reihenfolge die Kandidaten ins Parlament einziehen sollen, mache ich einfach ein Kreuz bei der Partei („Listenkreuz“), und alles ist gut.

Nun kann es aber auch sein, dass ich bei mehreren verschiedenen Parteien und Wählergruppen fähige Typen entdeckt habe. Gar kein Problem, jetzt heißt es Panaschieren (Verteilen). Ich kann also munter meine bis zu 81 Kreuze bei ganz unterschiedlichen Parteien machen – wichtig ist immer, sich nicht zu verzählen und nicht mehr als insgesamt 81 Stimmen zu vergeben.

Auch die Kombination von Kumulieren und Panaschieren ist kein Problem, also sowohl bei mehreren Wahlvorschlägen sein Kreuz zu machen als auch einzelnen Kandidaten mehrere Stimmen zu geben. Ebenso kann man eine Partei als Ganzes ankreuzen und trotzdem bei Einzelkandidaten dieser und auch anderer Wahlvorschläge seine Kreuzchen machen. Die „Hauptpartei“ bekommt dann noch die Stimmen, die nach den per Kumulieren und Panaschieren vergebenen Stimmen übrig bleiben.

Dann kann es ja noch sein, dass man eine Partei insgesamt klasse findet, einzelne Kandidaten dieser Truppe aber so gar nicht. In diesem Fall ist Streichen erlaubt, aber nur bei einer Partei, die man „insgesamt“ angekreuzt hat. Auf der entsprechenden Liste kann man einzelne Kandidaten durchstreichen.

Wie kann ich mich mit der Materie vertraut machen? Welcher Weg der Stimmvergabe auch immer gewählt wird, grundsätzlich gilt: Bloß nicht abschrecken lassen, auch in der Wahlkabine Zeit lassen und nicht von Wartenden nervös machen lassen, ruhig auch zu Hause „üben“ – auch interaktiv auf www.probewahl.de – oder eben gleich per Briefwahl wählen und das Ganze ganz in Ruhe zu Hause erledigen. Allen Wahlberechtigten werden ca. 6 bis 7 Wochen vor der Wahl Musterstimmzettel zugesandt.

Was mache ich, wenn mich wirklich niemand überzeugt? Gerne wird gesagt, dass das Wahlrecht das höchste Gut in der Demokratie ist. Entsprechend sollten auch jene, die auf den Stimmzetteln partout nicht fündig werden, zur Wahl gehen: Immer noch besser, als gar nicht wählen zu gehen, ist es, seinen Wahlzettel ungültig zu machen – durch einfaches Durchstreichen. Ist auch ein Statement und geht in die Wertung ein.

Wer darf wählen? Wahlberechtigt sind alle Bürger der Europäischen Union, die am Wahltag ihr 18. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens drei Monaten in der Stadt ihren Wohnsitz haben. In Wiesbaden trifft dies auf etwa 210.000 der rund 280.000 Einwohner zu. Etwa 75 Prozent der Wiesbadener Gesamtbevölkerung sind also Wahlberechtigte. Nicht wahlberechtigt sind hier lebende Ausländer aus Nicht-EU-Ländern. Diesen Zustand zu ändern und allen Ausländern, die hier leben, arbeiten, Steuern zahlen, über das kommunale Wahlrecht eine stärkere Teilhabe zu ermöglichen, wird seit langem auf Bundesebene diskutiert und laut Umfragen bundesweit von einer Mehrheit der Bevölkerung befürwortet, aber vor allem von CDU/CSU-Politikern abgelehnt.

Wer wird Wahlhelfer? Rund 3.600 Wahlberechtigte, per Zufallsprinzip aus der Einwohnerdatenbank ausgewählt, wurden in einem Schreiben „gebeten“, am Tag der Kommunalwahl als Wahlhelfer mitzuwirken. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sind alle, die es „erwischt“, zur Übernahme eines Wahlehrenamtes verpflichtet. Auch wer nicht zu den zufällig ausgewählten Personen gehört, darf „wahlhelfen“ – einfach an das Wahlamt, 0611/314501, wenden.

Wer darf antreten? Wählbar ist, wer Deutscher oder EU-Bürger mit Hauptwohnsitz in Wiesbaden ist und am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hat sowie seit mindestens 6 Monaten in Wiesbaden seine Hauptwohnung hat. Die Frist zur Einreichung der Wahlvorschläge endet am 69. Tag vor dem Wahltag. Dieser Termin war der 28.12.2015, 18 Uhr. Für öffentlich Bedienstete gilt die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat, die sogenannte Inkompatibilität. Sie sind  wählbar und können somit als Wahlbewerber auftreten. Annehmen dürfen Sie die Wahl allerdings nur, wenn sie aus ihrem Amt ausscheiden oder ihr Beschäftigungsverhältnis beenden.

Wann und wo wähle ich? Der eigentliche Wahltermin ist Sonntag, 6. März. Die klassische Stimmabgabe („Urnenwahl“) ist an diesem Tag von 8 bis 18 Uhr im Wahllokal möglich. Wo genau sich das persönliche der 189 Wiesbadener Wahllokale befindet, steht auf der Wahlbenachrichtigung, die jeder Wahlberechtigte automatisch zugesandt bekommt. Wer am Wahltag verhindert ist, keine Lust auf Anstehen hat, seine Stimmabgabe nicht abwarten kann oder ausschließen will, dass am Wahltag etwas dazwischenkommt oder er den Termin schlicht vergisst, kann auch schon vorher wählen: per Briefwahl, die Unterlagen hierzu werden ab 25. Januar auf Antrag (auch online über www.wiesbaden.de/wahlen) verschickt, oder persönlich – schon ab 1. Februar jederzeit möglich zu den üblichen Öffnungszeiten und bis einschließlich 27. Februar sogar samstags von 10 bis 14 Uhr – im Zentralen Bürgerbüro im LuisenForum und im Rathaus, EG, Zimmer 018.

Gibt es eine Fünf-Prozent-Hürde? Nein, die wurde in Hessen im Rahmen der Kommunalwahlreform 1999 abgeschafft. Entsprechend besteht das Stadtparlament in der Regel aus Vertretern zahlreicher, auch kleiner, Parteien und Wählergruppen. Um Fraktionsstatus (und damit Rechte und Ansprüche wie etwa Sitze in Ausschüssen) zu erlangen, schließen sich mitunter nach der Wahl Parteien und Gruppen mit nur einem oder wenigen Abgeordneten zu Fraktionsgemeinschaften zusammen.

Was kostet die Wahl? „Veranschlagt sind bei Kommunalwahlen immer ca. 450.000 Euro“, teilt das Pressereferat der Stadt mit. Die größten Ausgabeposten waren bei der Kommunalwahl 2011 Aufwandsentschädigungen für Wahlvorstandsmitglieder (ca. 80.000 Euro), Druckkosten, incl. Stimmzetteldruck und Wahlbenachrichtigungen (ca. 150.000 Euro), Portokosten (ca. 120.000 Euro) und Bekanntmachungen (ca. 35.000 Euro).

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Was macht das Stadtparlament? Stadtverordnete können jedes kommunale Thema aufgreifen und hierzu Anträge in der Stadtverordnetenversammlung und ihren Ausschüssen stellen. Die elf Ausschüsse kümmern sich, vor oder auch nach der Behandlung in der Stadtverordnetenversammlung, um konkrete Fachthemen von Finanzen und Wirtschaft und Planung, Bau, Verkehr über Schule, Kultur, Soziales, Umwelt und Freizeit und Sport bis zu Frauenangelegenheiten oder Bürgerbeteiligung. Auch können die Stadtverordneten dem Magistrat schriftlich oder mündlich Fragen stellen. Die Stadtverordnetenversammlung hat die Aufgabe, die gesamte Stadtverwaltung, einschließlich des Magistrats, zu überwachen. 

Woher weiß ich, was im Parlament besprochen und beschlossen wird? Am besten durch´s Hingehen. Die Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung und auch der Ausschüsse sowie der Ortsbeiräte sind in der Regel öffentlich. Termine und Themen werden auf www.wiesbaden.de und in der Tagespresse veröffentlicht. Zu Beginn der Ausschusssitzungen gibt es Fragestunden, in denen sich Bürger zu Wort melden können. Im Stadtverordnetensitzungssaal gibt es eine Zuschauertribüne. Bürger haben hier Zuhör-, aber kein Mitspracherecht. „Emotionsbekundungen“ etwa durch Applaus sind ebenso wenig erlaubt wie politische Willensbekundungen.

Was verdienen die Abgeordneten? Eigentlich gar nichts. Stadtverordnetenversammlung und Ortsbeiräte sind „Ehrenamtsparlamente“, man spricht auch von „Feierabendparlamenten“. Immerhin erhalten die Lokalpolitiker, die einen erheblichen Teil ihrer Freizeit investieren (es sind ja nicht nur die mehrstündigen Stadtparlamentssitzungen allein, sondern außerdem zum Beispiel auch Ausschuss- und Fraktionssitzungen, alles inklusive Vor- und Nachbereitung) Aufwandsentschädigungen entsprechend der „Entschädigungssatzung“. Diese betragen monatlich für Stadtverordnete 600 Euro, Ortsbeiratsmitglieder 100 Euro, ehrenamtliche Stadträte 600 Euro. Zusätzlich erhalten Stadtverordnetenvorsteher 800 Euro, seine vier Stellvertreter je 250 Euro, Ausschussvorsitzende 250 Euro, Fraktionsvorsitzende 500 Euro, ehrenamtliche Stadträte 360 Euro, Ortsvorsteher 300 bis 350 Euro.

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Was ist der Magistrat? Der Magistrat ist die Spitze der Stadtverwaltung und trifft Entscheidungen zu laufenden Verwaltungsangelegenheiten, bereitet Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung vor und führt diese aus.  Neben dem OB als Vorsitzenden gehören ihm sechs hauptamtliche Stadträtinnen und Stadträte (Dezernentinnen und Dezernenten mit fachlichen Zuständigkeiten, so etwas wie Minister in Landes- und Bundesregierung), gewählt für eine Amtszeit von sechs Jahren, und 13 ehrenamtliche Stadträtinnen und Stadträte, gewählt für die laufende Wahlperiode, an. Als „Kollegialorgan“ fasst der Magistrat die Beschlüsse mehrheitlich. Seine wöchentlichen Sitzungen sind nicht öffentlich. Die Mitglieder nehmen an den Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung teil, haben hier aber kein Stimmrecht.

Wer gehört dem Magistrat an? Die derzeitigen Dezernate und ihre Amtsinhaber sind Dezernat I: Dezernat des Oberbürgermeisters (Oberbürgermeister Sven Gerich, SPD), Dezernat II: Umwelt und Soziales (Bürgermeister Arno Goßmann, SPD), Dezernat III: Wirtschaft und Personal (Stadtrat Detlev Bendel, CDU), Dezernat IV: Stadtentwicklung, Bau und Vekehr (Stadträtin Sigrid Möricke, SPD), Dezernat V: Schule, Kultur und Integration (Stadträtin Rose-Lore Scholz, CDU), Dezernat VI: Finanzen, Gesundheit und Kliniken (Stadtkämmerer Axel Imholz, SPD), Dezernat VII: Ordnung, Bürgerservice, Grünflächen (Stadtrat Dr. Oliver Franz, CDU). Sie alle stehen nicht zur Wahl, der Wahlausgang könnte aber theoretisch ihre Posten und Positionen beeinflussen.

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Was verdienen OB und Dezernenten? Dezernenten werden als „hauptamtliche kommunale Wahlbeamte auf Zeit“ nach der Hessischen Kommunalbesoldungsordnung entlohnt. OB Sven Gerich werden gemäß der Besoldungsgruppe B 10 monatlich ca. 12.700 Euro brutto überwiesen, Bürgermeister Arno Goßmann erhält etwa 10.100 Euro (B8), alle übrigen Dezernenten ca. 9.500 Euro (B7). Jedem Dezernenten steht ein Dienstwagen zu, dem Oberbürgermeister inklusive persönlichem Fahrer, der ihn aber ausdrücklich nur zu dienstlichen Terminen chauffieren darf: „Wenn der OB sich als Vertreter seiner Partei zu Wahlkampfterminen fahren ließe, wäre das nicht in Ordnung“, erklärt  der Leiter des Amts der Stadtverordnetenversammlung, Dr. Jörn Heimlich – und weist darauf hin, dass einerseits die Grenzen bei einem solchen „Immer im Dienst“-Amt wie dem des OBs natürlich fließend seien und dass er andererseits den Eindruck habe, dass in Wiesbaden gut auf die Einhaltung der Vorschriften geachtet werde.

Dezernenten und einzelne Stadtverordnete haben zudem Aufsichtsratspositionen in den diversen städtischen Gesellschaften. Für manche gibt es gar keine Bezahlung, für andere eine Aufwandsentschädigung. Ein Beispiel: Stadträtin Sigrid Möricke sitzt in folgenden Aufsichtsräten : SEG – Stadtentwicklungsgesellschaft (kein Entgelt), ESWE-Verkehrs GmbH (60 Euro je Sitzung), WiBau GmbH, RMV-GmbH (51,13 Euro je Sitzung), Verkehrsverbund Mainz-Wiesbaden GmbH (60 Euro je Sitzung), ivm GmbH Frankfurt (50 Euro je Sitzung), Regionalpark Ballungsraum Rhein Main gGmbH (kein Entgelt) und ESWE Verkehr (3.120 Euro jährlich).

Wer sitzt im Rathaus? Man redet ja gerne, oder schimpft, über „die im Rathaus“. In Wiesbaden trifft diese Bezeichnung nicht auf alle zu, die das politische Geschehen unserer Stadt mitbestimmen. Im Rathaus am Schlossplatz kommen die Stadtverordnetenversammlung und die Ausschüsse zusammen. Ihre Büros haben hier Stadtverordnetenvorsteher, Oberbürgermeister, Bürgermeister und Sozial- und Umweltdezernent und Wirtschaftsdezernent. Alle übrigen Dezernenten residieren an verschiedenen Adressen über die Stadt verteilt. Ebenfalls im Rathaus ansässig sind die Geschäftsstellen und Besprechungsräume der Fraktionen.

Sven Gerich ist unser Bürgermeister, richtig? Fast. Sven Gerich wird bei Veranstaltungen ganz gerne als Bürgermeister begrüßt und auch in den sozialen Netzwerken von Freund und Fein oft so bezeichnet. Er ist aber natürlich der Oberbürgermeister. Einen Bürgermeister gibt es auch, das ist derzeit Arno Goßmann. 

Was hat der OB mit der Kommunalwahl zu tun? Eigentlich gar nichts. Er wird in einer Direktwahl bestimmt, zuletzt OB Sven Gerich am 1. März 2013 (Dienstantritt 1. Juli 2013) für eine Dauer  von sechs Jahren. „Seine“ Partei SPD „nutzt“ den OB dennoch, zum Beispiel auf Plakaten und in Broschüren, und setzt auch auf den Effekt, dass ein im besten Fall beliebter OB ihnen als prominentes Zugpferd Aufmerksamkeit und Stimmen bringen kann, auch wenn er eigentlich gar nicht zur Wahl steht. 

Wie ist die Ausgangslage zur Kommunalwahl 2016? Die letzte Kommunalwahl am 27. März 2011 brachte in Wiesbaden folgendes Ergebnis: CDU 32,7%, SPD 28,9%, Bündnis 90/Die Grünen 19,1%, FDP 5,0%, Die Linke 4,1%, Bürgerliste Wiesbaden 3,8%, Republikaner 2,2%, Piraten 2,1%, Freie Wähler 1,2%. Die 81 Sitze im Stadtparlament sind derzeit verteilt auf CDU (27), SPD (24), Bündnis 90/Die Grünen (16), Fraktionsgemeinschaft Linke & Piraten (3), FDP (3), Fraktionsgemeinschaft Unabhängige & Freie Wähler (3) und die fraktionslosen Stadtverordneten Richard Abt, Dr. Karin Lerschmacher, Peter Schadt, Hans-Georg Schäfer und Eleonore Schnaus. CDU und SPD bilden eine große Koalition, die übrigen Parteien und Gruppen sind die Opposition.

Wie läuft der Wahlkampf ab? Der sichtbarste Bestandteil des Wahlkampfs, und der, dem sich niemand entziehen kann, ist die Plakatwerbung. Allein die SPD hat 3500, die Grünen 700 („davon 85 Prozent im kleinen A-1-Format“, wie Kreisvorsitzender Daniel Sidiani betont), ULW 500 Plakate drucken lassen. Die Plakatierung ist ab sechs Wochen vor der Wahl, das war Sonntag, der 24. Januar, erlaubt. Im Kampf um die besten Plätze an Laternen, Verkehrsschildern, Ampeln oder Bäumen konnten es diesmal einige Wahlkämpfer nicht abwarten und starteten früher mit der Plakatierung. Die Sozialdemokraten hatten in diesem Jahr eine (vergebliche) Initiative gestartet, sich auf eine Plakatierung erst nach Fastnacht zu einigen. Ginge es nach den Piraten, wären die Wiesbadener komplett von der Plakatierungsschlacht verschont geblieben.

Als „freiwillige“ Informationsquelle gibt es die Wahlkampfstände – so ziemlich alle auf einen Schlag finden Interessierte klassischerweise an jedem Wahlkampf-Samstag auf dem Mauritiusplatz. Wahlkampfstände sind der ideale Ort, um Kandidaten persönlich kennenzulernen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und zu diskutieren, und einen Eindruck davon zu bekommen, wofür sie stehen, was sie so drauf haben, oder auch einfach, ob sie sympathisch sind – kurz, ob man ihnen seine Stimme anvertrauen kann und will. Eine gute Informationsmöglichkeit bieten außerdem diverse öffentliche Veranstaltungen wie Podiumsdiskussionen mit Vertretern verschiedener Parteien (siehe Infokasten). Auch die Parteien selbst organisieren öffentliche Veranstaltungen. Beliebt  sind außerdem Hausbesuche. Eine zunehmende Rolle spielen Auftritt in den sozialen Medien.

Wo kann ich mich informieren? Die zentrale offizielle Informationsquelle der Stadt Wiesbaden ist die Internetseite www.wiesbaden.de/wahlen. Wer tiefer einsteigen will, kann die Hessische Landeszentrale für politische Bildung in der Staatskanzlei am Kranzplatz besuchen. Konkrete Auskunft über die Ziele und Vorhaben der einzelnen Parteien geben deren Wahlprogramme. In der Regel Hunderte von Seiten dick, liest das natürlich ehrlicherweise ungefähr niemand. Kompaktere Versionen mit Hauptforderungen gibt es in Broschüren, die Grünen haben diesmal eine leicht verdauliche Variante gewählt und für www.30projekte.de eine eigene Webseite an den Start gebracht.

Lokal-o-mat – klingt nach ganz was Neuem? Ist es auch. Als bundesweit bisher dritte Stadt hat Wiesbaden in diesem Jahr in Anlehnung an den von Bundestags- und Europawahlen bekannten Wahlomat einen „Lokal-o-mat“ speziell für Wiesbaden in Auftrag gegeben. Ein Redaktionsteam, in das auch sensor berufen wurde, hat 30 Thesen erarbeitet. Am 13. Februar um 10 Uhr fällt der Startschuss bei einer öffentlichen Aktion mit OB Sven Gerich auf dem Schlossplatz, ab dann ist alles online auf www.lokal-o-mat.de

Wie lange „gilt“ die Wahl? Die Wahlzeit, die sogenannte Legislaturperiode, dauert nach § 36 Hess. Gemeindeordnung fünf Jahre. Sie beginnt nach § 2 Hess. Kommunalwahlgesetz am 01.04.2016 und endet am 31.03.2021.

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Was passiert am Wahltag? Am 6. März wird natürlich zunächst mal gewählt. Mit Schließung der Wahllokale um 18 Uhr beginnt für die Wahlhelfer die eigentliche Arbeit, die Auszählung, und im Rathaus eine öffentliche Wahlparty. Im Festsaal werden Zwischenergebnisse laufend auf Leinwänden präsentiert – und unter den Anwesenden fleißig diskutiert. Parallel laufen in den oberen Stockwerken des Rathauses die Wahlpartys der Parteien und Fraktionen. In den Fraktionsräumen tummeln sich natürlich in erster Linie die eigenen Anhänger, aber auch für andere Interessierte stehen die Türen offen.

Wann gibt es Ergebnisse? Wer wissen will, wie die Wahl ausgegangen ist, braucht bei Kommunalwahlen etwas mehr Geduld als etwa bei Bundestags- und Landtagswahlen, wo oft schon mit dem 18-Uhr-Gongschlag eine Prognose rauskommt, die mitunter bereits nah am Endergebnis ist. Ein Trendergebnis wird am Wahlsonntag gegen 22 Uhr erwartet. Die eigentliche Ergebnisermittlung erfolgt ab Montag nach der Wahl. Das vorläufige Endergebnis wird am Dienstag erwartet. Verfügbare Trends, Zwischen- und Endergebnisse werden ab Wahlsonntagabend auf www.wiesbaden.de  veröffentlicht.

VERANSTALTUNGEN ZUR WAHL

10.02., 18.30 Uhr, Georg-Buch-Haus Wellritzstraße: „Kommunopoly“ des DGB zur Arbeitnehmerfragen, Kandidaten würfeln die Fragen, auf die sie antworten müssen. 15.02., 19.30 Uhr, Casino-Gesellschaft: „Privates Wohnen oder öffentliche Nutzung – Haus der Stadtkultur im Alten Gericht“, Podiumsgespräch und Diskussion mit Experten und Kommunalpolitikern. 16.02., 17.30 Uhr, IHK: Podiumsdiskussion der IHK Wiesbaden mit amtierenden Fraktionsvorsitzenden zu Fragen des Wirtschaftsstandorts. 20.02., 16 Uhr, Wartburg: „Jump´n´Run“, zentrale Veranstaltung für Jugendliche und junge Erwachsene, Kooperation der AG Jugendpolitik des Stadtjugendrings mit dem Jungen Staatstheater. 21.02., 11 Uhr, Cafe „Perfect Day“: Vernissage Interaktive Dauerausstellung „Deine Wahl“, Ausstellung läuft bis 6. März. 28.02., 12 Uhr, Walhalla: „Der visionäre Frühschoppen“ mit aktuellen Themen zur Kommunalwahl.

WAHLKAMPF-AKTIVITÄTEN

Die SPD, die über ein Wahlkampfbudget von 80.000 Euro verfügt, plant Veranstaltungen mit Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier (01.02.), NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (15.02.) und einen Neujahrsempfang mit Münchens Ex-OB Christian Ude „und einem besonderen Highlight“ (27.02.). Die Grünen investieren insgesamt 26.500 Euro in den Wahlkampf. Sie fahren an Prominenz Hessens Wirtschaftsminister und Stellvertretenden Ministerpräsidenten Tarek Al-Wazir (01.03.im Walhalla) und den Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter (02.03., Spaziergang durch das Ostfeld) auf und veranstalten am 19.02. ein Fahrrad-Filmfestival im Murnau-Kino. Die FDP beziffert ihr Budget im „unteren fünfstelligen Bereich“ und kann mit ihrem Bundesvorsitzenden Christian Lindner (01.03., 17 Uhr, Roncalli-Haus) aufwarten. Die Piraten kommen mit 6000 Euro aus und sagen: „Anstelle von `Groß´veranstaltungen sind die Fraktionssitzungen, Stammtische, Vorstandssitzungen und sonstigen Veranstaltungen der Piraten seit jeher öffentlich.“ An ihren Wahlkampfständen wollen sie „gegen den Vitamin-`B´-Überschuss in der Wiesbadener Kommunalpolitik – neben den üblichen Give-Aways – die Abwehrkräfte der Bürger mit Vitamin C stärken.“ Das 5000-Euro-Budget der neu gegründeten Unabhängigen Liste Wiesbaden (ULW) haben überwiegend die beiden Spitzenkandidaten Veit Wilhelmy und Dr. Christoph von Küster finanziert. Sie konzentrieren sich auf Wahlkampfstände und verteilen kleine Schornsteinfeger-Figuren. Bei der CDU findet man „In Sachen Wahlkampfbudget können die Kosten zu einem so frühen Zeitpunkt des Wahlkampfes noch nicht seriös angegeben werden“. An bekanntem Personal werden Ministerpräsident Volker Bouffier (19.02., Restaurant Camera) und Kultusminister Ralph Alexander Lorz (25.02., Diskussion zum Thema Schulbaumaßnahmen, Galatea-Anlage) erwartet. Die Linke lud am 31.01. von 12 bis 17 Uhr zum Neujahrsempfang im Walhalla mit der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Heike Hänsel, Landtags-Vizepräsident Ulrich Wilken und dem Musiker und Kabarettisten Prinz Chaos II.

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