Von Laura Ehlenberger. Fotos Ivgenia Möbus.
In einem der großen, hellen Atelierräume sitzen sie auf einer alten Sofagarnitur beisammen: fünf Wiesbadener Künstler. Ihre Blicke lassen erahnen, welcher Ungewissheit sie sich in der momentanen Situation zu stellen haben. Seit gut zweieinhalb Jahren verfügt jeder von ihnen über ein eigenes Atelier im Kunsthaus. Mit Leidenschaft eingerichtet, nutzen sie ihre Räume zum Planen, Gestalten und Ausstellen. Nicht mehr lange. Nun sind sie dazu gezwungen, ihren Arbeitsplatz aufzugeben – denn dem in die Jahre gekommenen Gebäude steht eine umfangreiche Sanierung bevor.
Mit herrlichem Blick über die Stadt, liegt das Kunsthaus auf dem Schulberg. Hier arbeiten und reflektieren seit 1988, als das Kulturamt der Landeshauptstadt die Verwaltung übernahm, abwechselnd unterschiedlichste Menschen. Als ein städtischer Raum für Kunstschaffende konzipiert, bietet das an ein Palais erinnernde altehrwürdige Gebäude einen Ort, um bezahlbare Atelierräume an Künstler aus diversen Disziplinen zu vermieten – seien es Fotografen, Maler, Bildhauer oder Vertreter anderer Ausdrucksformen. Regelmäßig entschied eine städtische Jury darüber, wem im Fünf-Jahres-Turnus die Möglichkeit zuteil wurde, eines der Ateliers zu einem fairen Preis anzumieten. Vor zweieinhalb Jahren wählte diese aus einer Vielzahl an Bewerbern acht Kunstschaffende aus: Nicole Ahland, Andrea Diefenbach, Karin Hoerler, Klaus Lomnitzer, Andreas Orosz, Heinrich Voelkel und Uta Weil. Glücklich richteten sich die Auserkorenen ein – in ihren Ateliers und darauf, hier bis Mitte 2019 arbeiten zu können.
Ein Freiraum weniger
Von der bevorstehenden Sanierung sei damals bereits die Rede gewesen, erinnert sich Nicole Ahland. „Dass das Haus jedoch derart sanierungsbedürftig ist, sodass wir unsere Ateliers bis Juli verlassen müssen, ahnten wir nicht“, sagt sie. Auch in einer öffentlichen Ausschreibung war damals noch die Rede von Ertüchtigungsarbeiten „im laufenden Betrieb“ bis Ende 2017. „Als wir einzogen, wussten wir, dass am Gebäude eines Tages etwas gemacht wird – dass wir dazu aber alle ausziehen müssten, dachten wir wirklich nicht“, bestätigt die Fotografin Andrea Diefenbach. Ihre Hoffnung, der Auszug sei lediglich für den Übergang angedacht, mussten die Künstler schnell begraben. „Das Kulturamt machte uns klar, dass eine Kündigung der Mietverträge unumgänglich ist“, sagt Ahland betrübt. „Sicherlich haben sich die Zuständigen das so auch nicht gewünscht“, nimmt sie an, und dennoch müssen sich nun alle einer Tatsache stellen: „Wir brauchen dringend neue Räume – und noch dazu bezahlbare.“ Doch eben diese seien in der Stadt mehr als rar.
Keine Räume, wenig Wertschätzung
„Die Situation, erschwingliche Arbeitsräume zu finden, gestaltet sich in Wiesbaden schwierig“, unterstreicht Heinrich Voelkel. Die Mieten seien meist viel zu hoch. „Und genau hier ist der Wille der Stadt gefragt“, legt der Künstler nahe. Bislang blieben die Bemühungen seitens des Kulturamts, ihren Noch-Mietern alternative Räume zu stellen, erfolglos. „Damit sich hier etwas ändert, muss auch im Rathaus die Bereitschaft vorhanden sein, mitzuhelfen“, sind sich die Betroffenen einig. „Ich denke, ich spreche für alle Künstler in der Stadt, wenn ich sage: Man erfährt hier zu wenig Unterstützung und Wertschätzung“, beschreibt Ahland die Situation. Es gehe nicht um eine Selbstinszenierung der Künstler: „Nein, sie sind vielmehr ein Zugewinn für die Stadt.“ Die Politik müsse das erkennen und dementsprechend handeln. „Wenn auf politischer Seite Interesse an einer aktiven Kunstszene besteht, dann sollten sich die Zuständigen auch dafür verantwortlich fühlen“, so Voelkel. So sei der Grad an Unterstützung, den die Kunstschaffenden erlebten, im Hinblick auf Wiesbadens Status als Landeshauptstadt einfach unzureichend. „Dabei ist es doch so wichtig für die Lebensqualität“, erklärt Ahland: „Kunst erzeugt Offenheit in den Köpfen der Menschen.“
Ein Signal setzen
Auch die umstrittene Schließung des Walhalla-Theaters ist Thema in der Runde. Dass der Stellenwert der künstlerischen Aktivitäten zu niedrig sei, wird mit einem kollektiven Nicken untermauert. „Es hat schon länger an vielen Ecken gebröckelt“, äußert Uta Weil, „und jetzt kommt es eben raus.“ Erst im März 2016 mussten – entsprechend vertraglicher Vereinbarungen und doch überraschend – siebzehn Künstlers Hals über Kopf ihre Ateliers im Alten Gericht räumen. Passiert ist in dem leer stehenden Gebäude seither nichts.
Die „Offenen Ateliers“ und andere Veranstaltungen seien gut besucht, berichtet Voelkel. Für ihn heißt das: Ein Interesse an der Kunst bestehe in dieser Stadt allemal. „Wir wollen nicht jammern“, auch hier herrscht Einigkeit, „aber wir wollen ein Signal setzen.“ Alle halten an der Hoffnung fest, dass es die Stadt dieses wahrnimmt und danach handelt – eine Stellungnahme aus dem Kulturamt war bis Redaktionsschluss nicht zu bekommen. Vielleicht wird sich ja der neue Auch-Kulturdezernent und Weiterhin-Stadtkämmerer Axel Imholz der Sache annehmen, wenn er am 1. April sein zusätzliches Amt angetreten hat.
Das Kunsthaus
Das an ein Palais erinnernde Kunsthaus des Architekten Philipp Hoffmann wurde 1863 vollendet und zuerst als Elementarschule genutzt, dann von 1919 an als Handwerker- und Kunstgewerbeschule, aus der später die renommierte Werkkunstschule hervorging. Seit 1989 liegt die Verwaltung des Kunsthauses in Händen des Kulturamtes. Das Kunsthaus auf dem Schulberg setzt sich aus einem Altbau, in dem sich auch die Ateliers befinden, sowie aus einem 2011 eröffneten Neubau zusammen und beherbergt zwei Ausstellungsräume: Die über 300 Quadratmeter große ebenerdige Kunsthalle und die ehemalige Aula des Kunsthauses. Auch der Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) hat dort sein Büro. Im Untergeschoss des Neubaus befindet sich zudem die Artothek, die Kunstwerke (Gemälde, Grafiken, Plastiken und Objekte) gegen eine Gebühr verleiht.
Flohmarkt zum Auszug
Die Künstlerinnen und Künstler veranstalten anlässlich ihres Auszuges aus dem Kunsthaus einen Flohmarkt mit: Bilderrahmen, Papieren, Leinwänden, Staffeleien, optischen Geräten, Kunstbüchern, Regalen und vielem mehr. Der Flohmarkt findet, am Samstag, den 10. Juni und am
Sonntag, den 11. Juni, jeweils von 11 bis 17 Uhr, im Altbau statt.
Wie schön und angenehmzu lesen.
Das sind doch endlich wieder einmal mehr als einfach nur gute Nachrichten, die nach der Schließung des Walhalla doch ach so aprupt abrissen. Wiesbaden wird endlich mit einem nur scheinbar kleinen, dennoch Riesenschritt als Stätte der Kultur und Begegnung mal wieder ganz weit vorne katapultiert. Weiter so. Geht natürlich nicht, daß urplötzlich sich als vollkommen marode erweisende Gebäude diesen nutzlosen Kunstidioten, die sich wie Zecken am Arsch einer milchweißen Jungfrau einnisteten, weiterhin kommentarlos zur Verfügung stehen. Mein Vorschlag wäre, ein repräsentatives Parkhaus daraus zu machen, in dessen Ergeschoss eine Friseur- Schuh- und Billiggastronomiekette einzieht, die der Vorstand der WVV, SEG und natürlich der von seinen willigen Untertanen frenetisch gefeierte, bis dato leider ungekrönte Faschingsprinz S. Gerich und seinen Vasallen, den hochqualifizierten Buchhaltern, Bürokraten und dem übrigen, kulturell emotionslosen Bodensatz des Wiesbadener Verwaltungsstabs feierlich, unter dem Abtrinken billigen Schaumweines und der gegenseitigen Bestätigung, wieder einmal erfolgreich ein weiteres Stück Kultur in Wiesbaden vernichtet zu haben, gefeiert und eingeweiht wird.
Ich als Künstler bin glücklich, daß mir dieses heimtückische, profilneurotische und doch nachhaltig und effizient arbeitende Personal immer wieder beweist, wie abkömmlich, gegenstandslos und vollkommen entbehrlich der kreative Mensch in der sich dieses hochtrabend als Landeshaupstadt Wiesbaden bezeichnende „Dorf der Federfuchser“ ist.
Um es abschließend mit den (frei interpretierten) Worten Hoimar von Ditfurths zu sagen:
„So laßt uns denn ein Apfelbäumchen fällen“.