Interview: Dirk Fellinghauer. Foto: Rafel Touissant.
Wie kamen Sie zum Jazz?
Durch die Amerikaner. Und auch vorher schon. Ich habe heimlicherweise mit einem Freund von mir mit einer Decke überm Kopf Radio gehört, das wir nicht hören durften. BBC London, ganz leise: „Germany Calling, Germany Calling“. Die haben das natürlich wegen der Nachrichten gesendet, die haben die Wahrheit gesagt. Aber das hat uns nicht so interessiert, wir wollten nur die Musik hören. Da fing ich an, richtig Spaß zu kriegen am Jazz und sagte mir, wenn ich mal groß bin, werde ich Jazzmusiker. Und das habe ich gemacht.
Sie spielen am 10. März Ihr Geburtstagskonzert in der Alten Oper Frankfurt – zwei Tage vor Ihrem Geburtstag – unter dem Motto „85 Jahre jung“ – mit welchem Gefühl?
Das Gefühl, dass es vielleicht die letzte Tournee ist, ist schon im Hinterkopf, das ist klar. Man ist ja nicht mehr ganz frisch. Aber ich habe keine Angst. Ich spiele immer schön weiter, solange es nur geht. Und solange es die Leute mögen. Und wenn nicht, spiele ich halt für mich allein. Die Musik und alles, was drum herum ist, hilft mir „85 Jahre jung“ zu sein. Alleine zu Hause mit meiner Frau hier zu sein, ist zwar sehr schön. Aber auf Dauer ist es langweilig. Ich bin gerne unterwegs und spiele gerne vor Leuten. Wenn man in großen ausverkauften Häusern auftritt, wie wir es bisher immer hatten, macht das einen Riesenspaß.
Ist das ganze Rumreisen nicht auch anstrengend?
Ja schon, aber wenn es richtig anstrengend wird, ist man meistens selber schuld: dann nämlich, wenn man abends nicht den Weg ins Bett gefunden hat. Das darf ich nicht mehr so machen, weil meine Gesundheit etwas angeschlagen ist. Das wird nicht besser, wenn man da über die Stränge schlägt.
Fällt es Ihnen schwer, den Weg ins Bett zu finden?
Ja, das fällt immer ein bisschen schwer. Ich denke immer, da passiert noch irgendwas, man trifft noch jemanden und unterhält sich mit netten Leuten. Das macht schon Spaß. Ich trinke sehr vorsichtig. Zwei Gläser Wein, mehr ist da nicht drin, und dann geht das schon. Man muss halt haushalten mit seiner Gesundheit, das ist die große Kunst, das kriege ich schon hin. Früher war ich immer der Letzte. Meine ehemalige Sekretärin, die hat immer gesagt: „Paul Kuhn Standard Time: halb vier“.
Was macht einen guten Bandleader aus?
Er muss die Leute frei spielen lassen und sehen, dass er solche Leute engagiert, die entsprechend gelagert sind, die nicht überheblich sind und Wunder was denken, wer sie wären. Dass sie gute Musiker sind, ist selbstverständlich. Und dass es nette Kollegen sind. Inzwischen gibt es auch viele junge Leute, die gut sind und sich nicht besaufen oder Drogen nehmen. Die jungen Leute sind heute alle ziemlich clean. Die spielen vielleicht noch nicht so gehaltvoll und stattdessen dreimal schneller als die anderen. Das kann ich eigentlich nicht so gut haben. Ich spiele lieber mit meinen alten Kollegen.
MENSCH
Haben Sie in Ihren fast 85 Lebensjahren mal etwas anderes als Alkohol ausprobiert?
Nein, was sollte das sein? Nein nein, niemals.
Es gibt ja genügend berühmte Kollegen von Ihnen, die Drogen genommen haben.
Also, als ich ganz jung war, so mit 17, 18, als der Krieg gerade zu Ende war, da habe ich in Wiesbaden einmal, ohne dass ich es wusste, so eine Marihuana-Zigarette … also da ging so ein Dings, ein Joint rum, da hab ich von geraucht. Aber da habe ich nur das Gefühl gehabt, dass ich unheimlich viel lachen musste. Ich musste unheimlich viel lachen und das war´s eigentlich. Ich habe das dann nie wieder genommen. Beim Nachhause gehen habe ich dann riesige Schritte gemacht, so 3-Meter-Schritte. Das hat mich dann zurechtgewiesen. Also ich hab das einmal versucht, fand da aber nichts dabei.
Welche Beziehung haben Sie heute noch zu Ihrer Geburtsstadt Wiesbaden?
Ich bin wahnsinnig gerne dort, aber leider sehr selten. Ich habe keine Freunde mehr dort, die sind alle weggestorben, Verwandtschaft gibt es auch keine mehr. Ich bin der letzte, der übriggeblieben ist.
Ich laufe dann einfach ein wenig rum, um zu gucken, was sich verändert hat, hier oder da wird was Neues gebaut. Aber im Grunde ist die Stadt so geblieben. Nichts Neues . einfach schön, die alten Straßen und Häuser noch zu erleben, vielleicht mal ins Café Blum zu gehen und eine Tasse Kaffee trinken. Was man halt so macht.
Es gibt ja auch noch den „Eimer“ in der Altstadt, wo Ihre Karriere begonnen hat …
Das ist eine große Lüge, die hat da nicht begonnen. Ich war da mit meinem Vater mal dort. Ich wusste gar nicht, was das ist, da habe ich ja noch kurze Hosen getragen. Das war ein ziemlich verrufenes Lokal, da konnte man die Damen der gewerblichen Unzucht treffen. Ich habe aber eigentlich zu dem Laden überhaupt keine Verbindung, bin da nie aufgetreten. Das ist die Fantasie Ihrer Kollegen. Begonnen hat meine Karriere im Paulinenschlösschen, das es heute gar nicht mehr gibt, oberhalb vom Kurhaus, in Richtung Sonnenberg links. Da bin ich aufgetreten, da waren sicher an die 1000 Leute, da habe ich Volkslieder gespielt, da war ich 8 Jahre alt. Lange her!
Wie lange planen Sie in die Zukunft?
Man plant nicht zu lange, das ist ja klar. Ich sage jetzt immer dazu, sofern ich diesen Termin erreichen kann, werde ich ihn wahrnehmen. Aber man kann ja nie wissen, was die Natur so spielt.