Von Dirk Fellinghauer. Fotos Jason Sellers.
Am Anfang war ein leerer Raum. Nicht real. In den Köpfen. Von: Petros Paikos, 30 Jahre, Architekt. Simon Hegenberg, 30 Jahre, Fotograf und Künstler. Mario Harlos, 25 Jahre, Student Elektronische Komposition an der Folkwang Universität der Künste. Zusammen bilden sie Miumi. Eine Band. Mehr als eine Band. Eine Freundschaft, eine Idee, etwas Großes. Der imaginäre leere Raum stand als Ausgangsvorstellung am Anfang einer langen Reise, deren Ziel ein Album sein sollte. Das war vor acht Jahren. Nun sind die jungen Männer – über viele gedankliche, räumliche und konzeptionelle Zwischenstationen – angekommen.
Miumi bringen eine Platte raus. Das machen viele Bands. Miumi machen es zum Ereignis. Sie mieten sich für das Releasekonzert zu ihrem Album „In Static“ – Doppelvinyl, zwei Schallplatten, vier Seiten, acht Songs, volle Wucht – einen leeren Raum. Nicht irgendeinen, sondern einen sehr besonderen. Den Vortragssaal im Landesmuseum Wiesbaden. Es ist ein großer, weißer, leerer Raum. Hier schlug 1962 mit einem Konzert, das zum Happening wurde, die Geburtsstunde des Fluxus. Diesen Saal im Jahr 2015 als Band anzumieten, um die Geburt eines Albums zu zelebrieren – Luxus.
Größenwahn? Eine Selbstverständlichkeit!
Sind Miumi größenwahnsinnig? Nein! Hört man ihnen zu, und hört man ihr Werk, erscheint es einem völlig folgerichtig, absolut selbstverständlich, dass genau dieser Ort der richtige Ort ist, um das, woran sie von 2008 bis 2015 gearbeitet haben – in Wiesbaden, in Köln, auf einer intensiven Reise durch Griechenland – , in die Welt hinauszuschießen. Weil so viel drin steckt, weil so viel herauskommt. Weil so vieles so anders ist als im Mittelmaß, mit dem sich viele – aber bestimmt nicht Miumi – zufrieden geben. Weil Miumi eine Intensivband ist: alles möglich, außer Kompromisse.
Für die Musiker, die sich weit über ihr originäres Metier hinaus als Künstler verstehen, steckt „In Static“ voller Geschichten. „Zeit beziehungsweise sich Zeit lassen, ist scheinbar ein wichtiger Faktor in dieser schnelllebigen Welt,“ sinnieren sie, für die auch „ganz viel Reden“ den künstlerischen Prozess beflügelte. „Dinge aufbauen, konstruieren, hinterfragen und gegebenenfalls auch wieder zerstören, immer und immer wieder“, beschreiben sie den fortlaufenden Prozess, der auch für sie voller Überraschungen steckt: „Der Zufall ist Freund.“
Intensive Soundsuche
Miumis Musik ist laut, oft sehr laut, kann aber auch fragil und sphärisch sein. Sie ist bisweilen sperrig, aber auf wundersame Weise nie anstrengend. Sie zwingt zum Zuhören, animiert aber auch zum Tanzen – Indie, Techno, Klassik, alles drin in „In Static“, alles ganz elegant stimmig in „In Static“. Die Musik ist frickelig, aber auch organisch, ist am Computer entstanden, aber auch mit sehr vielen sehr echten Instrumenten. Und mit echter Unterstützung. Den drei Musikern, die als Miumi eine feste Einheit bilden, war bei aller Eingeschworenheit und Fixiertheit aufeinander auch das Mitwirken anderer wichtig. In den verschiedenen Phasen schlüpften Robert Fischer, der in den letzten drei Jahren in eine „sehr intensive Soundsuche“ involviert war, sowie Jan Philipp Janzen, Georg Brenner, Niklas Kleber und Cem Buldak in Produzentenrollen. Claire-Marie Dreiseitl steuert ihre Stimme im Song „With Her in Oostende“ bei.
Ein Trip voller Drehungen und Wendungen – und mehr als nur Musik
Die Platte ist ein Trip voller Drehungen und Wendungen, voller Überraschungen und Geheimnisse. Unter den kryptischen Songtiteln erschließt sich eigentlich nur „Revolution“ auf Anhieb – eine Botschaft? „In Static“ ist ein Trip, an dessen Ende dem Zuhörer nochmal alles gehörig um die Ohren fliegt, um dann ganz plötzlich in einer großen Stille zu münden. Miumis Musik ist ganz eigen und fern jeder Schublade, und allen, die unbedingt wenigstens eine Hausnummer haben möchten, wohin die Reise geht, sei gesagt, dass die Herren sehr intensiv Radiohead und Aphex Twin gehört haben, als das Kunst-Werk entstand.
Miumi ist mehr als Musik, die sie als „nur eine von vielen Formaten“ verstehen. Mit einer „Phantom Flex“ – eigens ausgeliehen bei der Wiesbadener Firma Pille Film, einer von ganz wenigen Verleihern in Deutschland überhaupt mit dieser High Speed-Kamera, die 2570 Bilder pro Sekunde aufnimmt – haben Miumi kosmische und menschliche Objekte in Superzeitlupe aufgenommen und betörende Videos gedreht, die auf großer Leinwand zum Konzert laufen werden. Das Visuelle spielt stets eine große Rolle in der Welt von Miumi, auch beim Artwork, bei den Bandfotos – und da passt es nur allzu gut, dass Miumi Musik macht, die in jedem Kopf Bilder produziert. Großes Kino, jetzt auch im Museum.
Miumi feiert das „In Static“-Releasekonzert am 30. Mai um 21 Uhr (Einlass 20.30 Uhr) im Museum Wiesbaden. Tickets: concert@miumi.org, www.miumi.org