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Editorial Februar-sensor: „Die“ gibt es doch nicht …

Foto (c) Tobias Hoffmann

„Die“ gibt es doch nicht,

liebe sensor-Leserinnen und –Leser, und doch reden und schreiben wir alle zu gerne über sie. Über „die“ Politiker, über „die“ Journalisten, über „die“ Manager und Bosse, über „die“ Flüchtlinge, über „die“ Mainzer. Ein Stichwort reicht, und schon wissen wir über „die“ Bescheid. Natürlich auch über „die“ Rumänen.

Rumänen bilden die am schnellsten wachsende Nationalitäten-Community in unserer Stadt und die sechstgrößte ausländische Gemeinschaft. Höchste Zeit mal nachzuschauen, wie „die“ so sind. Wenn Sie unsere Titelstory gelesen haben, werden Sie bestätigen: „Die“ gibt es doch nicht. Also „die“, über die Google, gibt man „Rumänen“ und „Wiesbaden“ ein, als erstes die Begriffe ausspuckt: „Einbrecherbande“, „Razzia“, „Arbeiterstrich“, „Armut“, „Überfall“.  Macht man sich auf die Suche nach Rumänen in Wiesbaden, findet man Menschen mit ganz unterschiedlichen Geschichten, Aktivitäten, Engagement, Vorhaben, Interessen und Träumen. Knapp zehn von gut 4.500 lernen Sie in der neuen sensor-Ausgabe näher kennen.

Zu der Aussage, dass „die“ Türken und „die“ Kurden bekanntermaßen nicht so „diszipliniert“ miteinander diskutieren würden wie „wir“, also „die“ Deutschen, verstieg sich neulich eine recht bekannte Dame der Wiesbadener Stadtgesellschaft bei einer rückblickenden Diskussion über die „Erdogan“-Statue bei der Wiesbaden Biennale 2018. Auf empörte Reaktionen und „Rassismus“-Rufe im vollbesetzten feinen Saal reagierte sie ganz verschrocken mit der verschlimmbesserten „Relativierung“: „So habe ich das natürlich nicht gemeint. Ich wollte nur sagen, `die´ sind halt etwas hitziger als wir.“ Manchmal empfiehlt es sich einfach, mal kurz darüber nachzudenken, wie „die“ Sprache so wirkt, bevor wir sie benutzen.

„Die“ Politiker stehen gerade im Fokus unseres Stadtgeschehens, da geht es hoch her zwischen einzelnen Protagonisten, quer durch Parteien, sogar innerhalb von Parteien. Es kann einem regelrecht schwindlig werden angesichts des Tempos, in dem die mehr oder minder skandalträchtigen Meldungen einschlagen – aber auch, wenn man den Überblick behalten möchte, wer da jetzt gerade mit wem, und vor allem, wer gegen wen … Das Problem ist, dass vielen das „Überblick verschaffen“ schon wieder viel zu mühsam ist. Sie kriegen mit, dass da irgendjemand Mist gebaut hat, oder dass vielleicht auch nur behauptet wird, jemand habe Mist gebaut. Und sie kommen schnell zu der Überzeugung: „Die“ Politiker machen alle Mist. Und genau diese Einstellung, auch wenn man sie jenen, die sie haben, manchmal kaum verdenken kann, ist dann tatsächlich Mist.

Auch wir sind „die“, also „die“ Journalisten, „die“ Presse. Und uns gibt es als „die“ natürlich ebenso wenig wie Sie, „die“ Leserinnen und Leser, auch wenn ich oft gefragt werde, wer denn „die“ sensor-Leser seien. Sie sind ganz unterschiedlich, jede und jeder für sich. Es gibt nicht „die“, aber es gibt „Sie“. Haben Sie viel Freude mit diesem sensor – und mit diesem Jahr.

Ich bin sicher: Wir bekommen das schon geschaukelt!

Dirk Fellinghauer, sensor-Diedaist

PS_ Auf ein visionäres 2019: „Der visionäre Frühschoppen“ kehrt zurück – am Sonntag, 24. Februar, 12 Uhr im Walhalla im EXIL, Nerostraße 24 (Eintritt frei, Einlass und Café-Öffnung 11 Uhr).  „Gespräche mit Format. Hier kommt Wiesbaden auf den Punkt!” lautet die Ansage. Thema No.20: geben wir rechtzeitig bekannt auf www.sensor-wiesbaden.de  – und hier.