Von Julia Bröder. Foto Dirk Fellinghauer.
Noch bis Ende Mai verleiht die Stadt Wiesbaden E-Bikes in verschiedenen Formaten an interessierte Bürger. Jeweils für zwei Wochen und – kostenlos. Wir haben mit Wiesbadenern gesprochen, die sich in den Sattel geschwungen haben – und nach Erfahrungen, Vorteilen und Knackpunkten gefragt.Gespannte Erwartung an Gleis 11 des Wiesbadener Hauptbahnhofs. Welches wird meins? Wie kommen wir miteinander zurecht? Zum Startschuss für die Aktion „Radfahren neu entdecken“ hatten sich ganz unterschiedliche Menschen versammelt. Sie hatten einige der ersten der Räder ergattert, die die Stadt Wiesbaden noch bis Ende Mai an interessierte Bürger verleiht. Das Ziel des Angebots, bei dem Land und Kommune kooperieren: Mehr Menschen fürs Radfahren zu begeistern, in diesem Fall speziell für E-Bikes in verschiedenen Formaten. 25 Lastenräder, 20 Pedelecs und 5 E-Bikes stehen zur Verfügung, die Nachfrage ist riesig.
Der Schreiner – Vielleicht sogar Mini-Jobmaschine
Vorweg: Das Bestreben, mit Maßnahmen wie diesen die Verkehrswende zu forcieren, kommt bei den Teilnehmern sehr gut an. Klar, sie sind ja auch grundsätzlich offen gegenüber dem Fahrrad. So wie Christoph Wunderlich. Der Schreinermeister radelt, zwar nicht täglich, aber oft, von seinem Wohnort Schierstein in seine Schreinerei nach Biebrich. Außerdem fährt er in der Freizeit Mountainbike und Rennrad und hat schon länger damit geliebäugelt, für den Betrieb ein Lastenrad anzuschaffen. Die Zwischenbilanz nach einer Woche Testlauf: mehrere problemlose Fahrten innerhalb Biebrichs zu Kunden und für kleinere Erledigungen. „Bei der chaotischen Verkehrssituation, die in der Stadt herrscht, ist das eine echte Erleichterung“, so Wunderlich. Auch ein Pluspunkt: Die geschlossene Transportbox vorne am Rad ist eine prima Werbefläche. An den größeren Wenderadius und das Gewicht des Gefährts gewöhne man sich schnell, meint der 59-Jährige. Natürlich: Den Lieferwagen kann ein Lastenrad in einer Schreinerei nicht komplett ersetzen. Trotzdem will Wunderlich sich eins anschaffen, möglichweise ein etwas größeres Modell, und dann auch gleich noch einen radaffinen Schreiner einstellen.
Der Eventmanager – Interessant für Großereignisse
Mit dieser Haltung ist Wunderlich in Wiesbaden nicht allein. „Wir könnten uns vorstellen, beim Stadtfest oder Weinfest etwa zwischen den Bühnen Catering, Instrumente oder Technikteile mit dem Lastenrad zu bewegen“, meint Veranstaltungsmanager Lothar Pohl. Mit seinem Unternehmen Palast Promotion ist er für den reibungslosen Ablauf diverser Wiesbadener Mammutereignisse verantwortlich.
Die Seniorin – unterwegs mit Gewichtsproblemen
Ich finde den Gedanken, mehr Leute aufs Rad zu bringen gut“ sagt eine 60-jährige Wiesbadenerin, die sich im Rahmen der Aktion „Radfahren neu entdecken“ testweise ein E-Bike ausgeliehen hat und betont, wie positiv sie diese bewertet. Sie selbst habe ein sehr gutes herkömmliches Fahrrad, mit dem sie täglich ohne Probleme vom Südfriedhof zur Arbeit in die Innenstadt fahre. Mit dem E-Bike legt sie die gleichen Strecken „plus ein paar Berge“ zurück. Grundsätzlich kann sie sich vorstellen, sich irgendwann auch ein eigenes anzuschaffen, aktuell störe sie noch das Gewicht.
Die Eltern kleiner Kinder – Alternative zum Zweitwagen oder zum Bus
Eine weitere wichtige Interessensgruppe für Lastenräder mit E-Antrieb: Familien. Fabian Schauderna und seine Frau wünschen sich schon länger mehr Mobilität im Alltag für sich und ihre 16 Monate alten Zwillinge – ohne sich einen Zweitwagen anschaffen zu müssen, wenn er tagsüber mit dem Auto in Frankfurt ist und sie unter anderem regelmäßig aus dem Rheingauviertel die Schwalbacher Straße hochfahren muss. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten mit einem defekten Leihbike fällt die Bilanz der Familie durchweg positiv aus. „Das Radwegenetz in den Gebieten, in denen wir unterwegs waren, ist besser als sein Ruf“, so Florian Schauderna. Außerdem sei es viel einfacher, zwei Kleinkinder ins Fahrrad zu setzen als zum Auto (Stichwort Parkplatznot) zu laufen und sie umständlich anzuschnallen. Die Familie hat den Luxus eines ebenerdigen Fahrradkellers.
Ein Knackpunkt, der Nicole Nestler von einem Lastenrad abhielt, denn ihr fehlt die passende Abstellmöglichkeit. Um ihren zweijährigen Sohn aus dem Westend in die Kita Unter den Eichen zu fahren und von dort dann schnell zur Arbeit in der Innenstadt zu sein, hat sie sich deshalb nun doch ein „normales“ E-Bike geliehen. Sie packte einen Kindersitz drauf – und radelt zufrieden jegliche Steigung in Wiesbaden hoch und runter. Bisher hat sie das mit dem Bus erledigt – inklusive der bekannten Probleme wie Verspätungen etc. „Das E-Bike ist eine super Alternative. Jede Familie sollte einmal eins ausprobieren“, meint die 42-Jährige. Ihr Appell an die Verkehrsverantwortlichen (immerhin transportiert sie als Mutter Kostbarstes durch die Stadt und weiß wovon sie spricht): Fahrradfahren in der Stadt muss noch sicherer werden.
Der Anreiz – Kaufprämie ab 15.03.
Cargobike-Fahren jedenfalls wird demnächst „günstiger“werden. Eine Kaufprämie für Lastenfahrräder wurde an diesem Dienstag vom Magistrat beschlossen und tritt am Freitag, 15. März, in Kraft. Wiesbadener Privatleute und Gewerbetreibende können sich bis zu 1.000 Euro, maximal 25 Prozent des Kaufpreises, erstatten lassen. Die Fördermittel von insgesamt 100.000 Euro werden je zur Hälfte von der Landeshauptstadt Wiesbaden und ESWE Versorgung bereitgestellt.
Das Prozedere sieht so aus: Interessierte müssen zunächst ein Formular ausfüllen, das auf der Webseite des städtischen Radbüros – www.wiesbaden.de/radbuero – veröffentlicht wird. Zusammen mit einem Kostenvoranschlag ist dieses dann an das Tiefbau- und Vermessungsamt zu senden. Erst nach Erhalt der Förderzusage kann das Lastenrad gekauft werden: Anschaffungen, die vorher getätigt werden, können nicht gefördert werden. Die Kaufquittung wird dann mit Nachweis des Wohnortes beziehungsweise für Unternehmen und Organisationen mit Nachweis des Firmensitzes an das Tiefbau- und Vermessungsamt übersendet. Nach positiver Prüfung wird die Fördersumme überwiesen. Nähere Informationen zum Verfahrensablauf sind der Webseite des Radbüros zu entnehmen.
Kowol: „Wichtiger Beitrag zu Luftreinhaltung und Lärmminderung“
„Dass die Förderung für Cargo-Bikes nun an den Start gehen kann, sind tolle Neuigkeiten. Wir haben in der letzten Zeit viele Anfragen von interessierten Bürgerinnen und Bürgern bekommen, die nur auf den Start der Kaufprämie gewartet haben, da die Anschaffungskosten doch erstmal eine gewisse Hürde darstellen“, so Umwelt- und Verkehrsdezernent Andreas Kowol. „Dank der Förderung wird dieses innovative Verkehrsmittel, das vielfältig zum Transport des Wochenendeinkaufs, von Arbeitsmaterialien, der viel zitierten Getränkekiste oder auch zum Holen und Bringen von Kindern genutzt werden kann, künftig verstärkt auf den Straßen unserer Stadt zu sehen sein und somit einen wichtigen Beitrag zur Luftreinhaltung und zur Lärmminderung leisten.“
www.radfahren-neu.entdecken.de, www1.wiesbaden.de/microsites/radbuero