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2×5-Interview: Andrea-Eva Ewels, Geschäftsführerin der Gesellschaft für deutsche Sprache, 46 Jahre, 1 Sohn

Interview Hendrik Jung. Foto Arne Landwehr. 

Beruf

Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) mit Sitz in Wiesbaden feiert in diesem Jahr ihr 70-jähriges Bestehen. Wofür braucht es eine solche Institution?

Die GfdS versteht sich als wissenschaftlicher Repräsentant unserer Sprache im In- und Ausland. In weltweit über hundert Zweigstellen sind führende Germanisten und Sprachwissenschaftler für uns tätig. Als Mitglied des deutschen Sprachrates, derzeit in Leitungsfunktion, sind wir auch für die Entwicklung und Ausrichtung der deutschen Sprache zuständig. Besonders wichtig ist für uns, diese für jeden verständlich zu gestalten. Aus diesem Grund beraten wir auch Ministerien und andere politische Einrichtungen bei der Gestaltung von Gesetzestexten. Aber auch Firmen und Privatpersonen bekommen bei uns Rat. Unsere bekannte und viel genutzte Sprachberatung ist für jeden zugänglich. Neben dem „Wort des Jahres“ ermitteln wir auch die häufigsten Vornamen des Jahres zusammen mit dem Statistischen Bundesamt. Alle zwei Jahre gibt es einen besonderen Höhepunkt: Dann verleihen wir den Medienpreis für Sprachkultur im Kurhaus Wiesbaden.

Wie politisch ist denn die Arbeit der Gesellschaft für deutsche Sprache?

Sprache und Politik hängen sicher eng zusammen, aber unsere Arbeit ist politisch wertfrei. Bei der Bearbeitung von Gesetzestexten geht es uns um Verständlichkeit, nicht um Inhalte. Neutralität ist für uns wichtig, aber an Hand von Sprache lassen sich sicher auch gesellschaftliche Veränderungen aufzeigen. Die dokumentieren wir zum Beispiel mit dem „Wort des Jahres“.

Was ist die größte Herausforderung bei Ihrer Arbeit?

Die GfdS an sich ist eine Herausforderung. Zum Beispiel durch die vielen Zweigstellen im In- und Ausland, die rund 170 Veranstaltungen im Jahr organisieren. Die müssen wir koordinieren. Wir geben bis zu 340 Pressemeldungen im Jahr heraus, veranstalten gut fünfzig Seminare und verleihen wie erwähnt den deutschen Medienpreis für Sprachkultur. Langweilig wird uns nicht. Darüber hinaus beraten wir Standesbeamte, die fragen, ob ein von den Eltern gewünschter Vorname eintragungsfähig ist. Namen wie Pfefferminzia, Zecke oder Zicke lehnen wir ab – kaum zu glauben, aber auch das sorgt für Diskussionen.

Was haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen?

Es gibt da zahlreiche Projekte und Ideen. Ein neuer Schwerpunkt liegt auf der Arbeit für und mit Kindern. Viele Grundschüler in Wiesbaden haben Probleme, lesen zu lernen und es ist schwer, mit Flüchtlingskindern im Klassenverband noch zusätzlich zu üben. Deshalb möchte ich ab Anfang Mai in unseren Räumen die Möglichkeit bieten, zusammen mit Lesepaten zu üben. Dafür suchen wir noch ehrenamtliche Mitarbeiter. Diese können sich direkt bei uns melden.

Unser Stadtmagazin ist jetzt fünf Jahre alt. Finden Sie, dass es aus sprachlicher Sicht seinem Namen sensor gerecht wird?

sensor könnte als „Fühler“, „Spürsinn“, „Meinungsgespür“ oder auch salopper als „der richtige Riecher“ verstanden werden. In dieser Deutung ist sensor als Titel des Wiesbadener Stadtmagazins mit dem dazugehörigen Slogan „Fühle deine Stadt“ in vielerlei Hinsicht treffend: Der sensor tastet wie ein empfindlicher Fühler stetig das Wiesbadener Stadtleben ab und beleuchtet mit dem richtigen Spürsinn Stadtpolitik, Veranstaltungen und das Nachtleben. Dabei gelingt der Redaktion, das Gefühl für das Wiesbadener Zusammenleben nicht nur zu erfassen, sondern auch zu fördern.

 

Mensch

Welche Bedeutung hat Sprache für Sie persönlich?

Sprache ist etwas faszinierendes, fast magisches für mich. Man ist ein ganz anderer Mensch, je nachdem, welche Sprache man spricht. Ich spreche acht Sprachen, einige davon verhandlungssicher, und bei anderen reicht es für ein intensives Gespräch im Urlaub. Mit der Sprache verwandelt sich auch ein wenig die Gefühlswelt des Sprechers. Es macht es für mich zum Beispiel einfacher, in andere Kulturen, seien sie mir bekannt oder fremd, einzutauchen. Damit versteht man andere Völker auch ein wenig besser und kann sich in sie hineinversetzen. Sprache eröffnet neue Sichtweisen.

Wächst Ihr eigener Sohn mehrsprachig auf?

Zu Hause sprechen wir nur Deutsch. Für mich ist wichtig, dass ein Kind erst mal in einer Sprache lernt sich auszudrücken. In der Schule besucht unser Sohn eine bilinguale Klasse und hat fünf Stunden Englisch-Unterricht pro Woche. Eine dritte oder vierte Sprache muss nicht sein. Hin und wieder streuen wir aber Wörter aus dem Ungarischen oder dem Japanischen ein. Manchmal schnappt er sie auf und verwendet diese im Alltag.

Sie reisen viel, sowohl beruflich als auch privat. Was war bislang ihr größtes Abenteuer?

Meine Hochzeitsreise. Nach der standesamtlichen Trauung sind mein Mann und ich mit dem Segelschiff über den Atlantik und haben uns auf hoher See vom Kapitän, ein Bekannter meines Mannes, trauen lassen. Ich bin dabei zum ersten Mal überhaupt mit einem Segelschiff gefahren, und die ersten drei Tage war es so stürmisch, Windstärke 10, dass ich wirklich gedacht habe, ich werde meine Hochzeit nicht mehr erleben …

Lesen Sie in ihrer Freizeit gerne oder verzichten Sie auch gerne mal auf Sprache?

Zurzeit habe ich kaum Freizeit. Im Sommer gehe ich morgens mit meinem Mann joggen, dann können wir in Ruhe alles besprechen. Und ich liebe Filme. Da mein Mann Naturfilmer ist, organisieren wir in unserer Freizeit seit drei Jahren die Naturfilm-Nächte im Murnau-Filmtheater in Wiesbaden. Da spielt Sprache natürlich wieder eine Rolle. Aktuell beschäftige ich mich aber auch mit der Sprache der Fußballer: Mein Sohn kickt gerade für sein neues Team in Wiesbaden-Bierstadt.

Was ist das Wort Ihres Lebens?

Da fallen mir viele Wörter und Namen ein, aber ich würde mich nicht auf ein einziges festlegen wollen. Die Namen meines Sohnes und meines Mannes sind aber ganz vorne dabei.