Von Dirk Fellinghauer. Fotos Arne Landwehr.
Es war das letzte Stück des großen Staatstheater-Eröffnungswochenendes der neuen Intendantinnen Beate Heine und Dorothea Hartmann: das Auftragswerk „Double Serpent“ von Sam Max, 1995 geborene:r, non-binäre:r New Yorker Autor:in, in einer Inszenierung von Regiestar Ersan Mondtag. Das Beste zum Schluss? Das wohl Anstrengendste zum Schluss.
Aber wer sagt, dass Theater leicht und seicht sein soll? Im Gegenteil, es sollte uns (heraus)fordern und ja, auch anstrengen und etwas zumuten. Genau das macht „Double Serpent“. In diesem Sinne war es dann vielleicht tatsächlich auch das Beste, mindestens das Eindringlichste, zum Schluss.
Wenige Stunden vor der Premiere der Uraufführung trafen wir Sam Max – Ersan Mondtag glänzte nach mehrmaligem Hin und Her, Terminverschiebungen und einem finalen „dann klappt es auf jeden Fall“-Terminversprechen schließlich doch durch Abwesenheit – an einem Sonntagnachmittag zum Interview in einem schmucklosen Besprechungsraum des Staatstheaters zum persönlichen Gespräch. So explizit sein Stück, so bedacht, vorsichtig und scheu erscheint Sam Max im Interview. Und spricht dann doch sehr offen über das Stück, über Theater, Politik, Gesellschaft und Persönliches und über – Schwerpunkt der sensor-November-Ausgabe – New York.
Letzte Gelegenheiten, das Stück zu erleben, gibt es heute sowie am 22. und 27. November, jeweils um 19.30 Uhr im Kleinen Haus.
Ein Computerspiel, bei dem zwei Schlangen in einer Box gefangen sind und möglichst viel fressen müssen, um immer länger zu werden – nur berühren dürfen sie sich nicht. Sonst: Game Over. Eines Tages entdeckt Connor (Timur Frey), was Fake Dad (Felix Strüven) währenddessen so treibt, und findet sich in einem ominösen Zwischenraum wieder, in dem Realitäts- und Erinnerungsebenen verschwimmen und plötzlich Felix‘ (Lasse Boye Haye Weber) Körper aufgeschnitten auf einem OP-Tisch liegt … Und dann gibt es auch noch Eric 1 / Eric 2 (Jonas Grundner-Culemann). Sam Max schreibt, so beschreibt es der Suhrkamp Theater Verlag, „ein albtraumhaftes Theaterstück, bei dem ein scheinbar harmloses Spiel zur Metapher eines Menschenlebens wird. Max seziert präzise eine Paar- und Vater-Sohn-Beziehung und stellt die Frage nach dem gesellschaftlichen Umgang mit Körpern von Gay Men und ihren Wunden in den Mittelpunkt – und thematisiert so den Zusammenhang von Macht, Erbe und Gewalt.“
In wenigen Stunden geht die Uraufführung deines Stücks „Double Serpent“ über die Bühne. Wie fühlst du dich?
Ich bin sehr aufgeregt und zugleich erleichtert, ich bin ziemlich stolz auf die Inszenierung. Ich finde, dass es sehr gut inszeniert und umgesetzt ist. „Double Serpent“ ist ein Stück, das ich sehr schnell schreiben musste, explizit dafür, dass Ersan Mondtag es in Wiesbaden als Regisseur auf die Bühne bringt. Ich glaube aber, diese Tatsache, dass Ersan Regie führen würde, hatte wenig Einfluss auf die Themen, über die ich geschrieben habe. Ich schreibe immer zu Themen, die sich für mich ehrlich und authentisch anfühlen. Ich schreibe nicht mit der Absicht, irgendwelche Erwartungen zu erfüllen. Daran glaube ich nicht.
„Double Serpent“ ist ein Auftragswerk. Wie genau lautete der Auftrag?
Ersan Mondtag hat mich als Autor:in für das Stück ins Spiel gebracht. Er war verpflichtet worden, als einer der ersten Regisseur:innen unter der neuen Intendanz von Beate Heine und Dorothea Hartmann ein Stück zu inszenieren. Ersan war mit meiner Arbeit bereits vertraut und wünschte sich, dass ich ein neues Stück schreiben würde, das er hier auf die Bühne bringt. Wir haben uns dann ausgetauscht über die Themen, die behandelt werden sollten – ich erinnere mich an die Begriffe „Erbe“ und „Macht“.
Und was hast du mit und aus diesen Begriffen gemacht?
Ich habe mich gefragt, was ist mein Bezug zu diesen Begriffen? Mir kam das Erbe von Wohlstand in den Sinn, aber auch – und ich glaube, das hat das Stück am meisten geprägt – das Erbe von sozialen Ideen von Elternfiguren und was wir in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen davon erben. Das Ergebnis ist wohl ein Theaterstück, das in gewisser Weise von Erbe und von Macht handelt, aber nicht im wörtlichen Sinn, sondern in meiner eigenen künstlerischen Übersetzung von diesen Themen in dramatische Literatur.
Hast du dich mit den Themen zurückgezogen zum Schreiben des Stücks, oder war die Entstehung des Stücks ein Prozess des regelmäßigen Austauschs mit Ersan Mondtag?
Während des Schreibprozesses stand ich nicht mit Ersan im Austausch. Er hat ein paar Entwürfe gelesen, und es gab Gespräche mit der leitenden Dramaturgin des Theaters, Hannah Stollmayer, und mit meiner Lektorin im Suhrkamp Theater Verlag. Es gab tatsächlich auch etwas Zeitdruck, da ich natürlich auf Englisch schreibe, und es musste mindestens sechs Wochen vor Probenbeginn in die Übersetzung gegeben werden.
Ich kenne Ersans Arbeit und ihn persönlich. Ich denke, es war eine gute Idee von ihm, mich für diese Zusammenarbeit vorzuschlagen, weil sich unsere Biografien ähneln und sich auch unsere Interessen überlagern. Für mich bestand nie ein Zweifel, ob er meinen Text verstehen würde oder einen Zugriff für sich finden würde. Nachdem er meinen Text zum ersten Mal gelesen hatte, sagte er: Ich habe keine Fragen dazu. Dieses Vertrauen hat sich dann bestätigt, als ich die Inszenierung gesehen habe.
Was sind die Parallelen eurer Biografien?
Ich kann natürlich nicht für Ersan sprechen. Aber Ersan ist türkisch, mein Vater ist türkisch, wir sind, glaube ich, beide in ähnlichen Haushalten aufgewachsen und wir haben eine ähnliche Motivation darin, wie wir unsere Kunst verstehen. Es gibt auch Ähnlichkeiten in unseren Dramaturgien und Herangehensweisen an Kunst und Theater. Wir sind beide daran interessiert, Atmosphären zu schaffen, die komplex sind, die dunkel sein können, und nicht daran, das Publikum mit einer klaren moralischen Vorstellung zu bedienen oder darin zu bestätigen. Es ist eher ein offener, ungelöster Ansatz, sich einer Geschichte zu nähern. Das Publikum soll immer Raum für eigene Assoziationen haben und sich zu dem, was sie dort auf der Bühne sehen, in Bezug setzen. Mir geht es auch nicht darum, eine monologische politische Idee zu präsentieren. Das mache ich nicht.
Dann hast du wahrscheinlich auch nicht ein bestimmtes Publikum im Sinn, während du schreibst?
Da bin ich mir gar nicht so sicher. Ich kenne natürlich Wiesbaden als Stadt nicht und war hier noch nie zuvor in meinem Leben. Also wie könnte ich ein Bild von diesem Publikum haben? Ich kann nur das schreiben, was mir entspricht und was ich als wahrhaftig empfinde. Und ich kann mit einem Regisseur arbeiten, der meiner Meinung nach extrem talentiert ist und vielleicht weiß, wie man diese Ideen für die Bühne übersetzen kann. Ich denke, ein:e Künstler:in wird sehr schnell gehemmt und beschränkt in seiner:ihrer Arbeit, wenn er:sie versucht vorherzusagen, wie ein Publikum wohl auf das von ihm:ihr geschaffene Werk reagieren mag. Wir können als Künstler:innen an Diskursen teilnehmen und eigene Impulse dazu beisteuern, aber ich kann nicht vorhersagen, was das Publikum denken oder reagieren könnte.
Wie würdest du selbst die Relevanz deines Stückes beschreiben?
Für mich handelt es vor allem von Männlichkeit und Machtstrukturen. Es wirft den Blick auf persönliche Beziehungen – es geht um die Beziehungen eines jungen Mannes mit seinem älteren Partner, mit seinem Vater und mit einem unsichtbaren Freund aus seiner Kindheit, den er schließlich als Erwachsener wiedertrifft. Diese dritte Person, der unsichtbare Freund, ist in gewisser Weise fluide. Es ist übrigens mein erstes Theaterstück ausschließlich mit Männern.
Wie wirkt sich das auf dein Stück aus?
Mich interessiert es aus meiner Perspektive als queere Person, was diese Beziehungen zusammenhält. Es ist in gewisser Weise psychoanalytisch. Der Titel des Stücks ist „Double Serpent“ – ich mag die Bewegung einer Schlange, im Stück geht es um das Umherbewegen zwischen unterschiedlichen Beziehungen. Und während dieser Bewegungen schaut das Stück auf Männlichkeit und auf Gewalt – und auf das Verhältnis und die Zusammenhänge. Es geht aber auch darum, wie Männlichkeit und Gewalt als politische Themen gleichzeitig auch eine sehr persönliche, intime Angelegenheit sind. Das Stück ist sehr vielschichtig.
Du sagst, du liebst dieses Stück und findest es zugleich unglaublich schwierig – was liebst du an „Double Serpent“, was macht es schwierig?
Ich liebe es, weil es sich für mich sehr wahrhaftig anfühlt. Als Autor:in kann ich wohl kaum mehr verlangen und anstreben, als wahrhaftig gegenüber mir selbst zu sein und gegenüber dem, was ich über die Welt weiß. Schwierig finde ich es, weil es seine Tücken hat – die Sprache verändert Orte. Auf einer formalen Ebene verrät es oft nicht viel darüber, wo wir uns gerade befinden oder warum wir da sind, wo wir gerade sind. Aber gleichzeitig interessiert mich das sehr, weil ich einen Effekt zwischen Wirklichkeit und Traum, oder auch einem Albtraum, kreieren wollte. Ich denke, das Theater ist der perfekte Ort dafür. Es ist ein dritter Raum, immer das Überlappen von Realität und Fiktion. Das ist es, was ich an Theater liebe und was es zugleich schwierig macht – wie erzeugst man also dieses Gefühl?
Du hast auch gesagt, das Stück handelt von Verbundenheit und Trennung. Wie hast du mit deinem Background – du bist als queere Person in einer US-amerikanischen Kleinstadt aufgewachsen – selbst die Verbindung zur Welt, zur Gesellschaft, gefunden?
Durch VHS-Videokassetten. Ich hatte eine Tante, die in New York lebte. Sie brachte mir immer diese Kassetten mit Aufnahmen von Theaterproduktionen oder Opern, die gerade angesagt waren. Das hat, glaube ich, tatsächlich meinen Blick geprägt, warum ich mich für Theater interessiere und warum ich selbst Theater mache. Ich betrachte es im Prinzip durch einen Videorekorder.
Was Verbindung und Trennung angeht – elektronische Medien waren für mich der Weg, über den ich gelernt habe, mit der Welt zu kommunizieren. Ich wurde 1995 geboren, das war genau der Anfang von Digitalvideo und Internetkommunikation und davon, dass soziales Leben auch im Internet stattfinden kann. Das hat mich als Person beeinflusst, aber auch mein Interesse daran, wie ich als Künstler:in kommuniziere. Und hier schließt sich der Kreis zu „Double Serpent“: Mindestens eine der Beziehungen ist durch ein fiktives Videospiel namens „Double Serpent“ geprägt, das auch dem Stück seinen Titel gibt.
Wann und wie hattest du deine erste „echte“ Theatererfahrung?
Ich habe schon als Kind angefangen, Theater zu spielen und habe auch Schauspiel- und Ballettstunden genommen. Später bin ich dann auf eine Schauspielschule gegangen. Dort habe ich als Schauspieler:in das Innenleben von Theater kennengelernt. Ich wurde aber ungeduldig mit dem Schauspieler:innen und habe auf die andere Seite gewechselt.
Wann kann es gut oder hilfreich sein, sich der Welt zu entziehen?
Ich glaube nicht, dass ich zu dieser Art von Flucht ermutigen würde. Ich habe keine ehrliche Antwort darauf, – in dem Stück, in dem es ständig zwischen diesen beiden Zuständen hin- und herwechselt, ist es wohl einfach die Realität, in der wir heute leben. Es gibt keinen Weg, sich tatsächlich komplett allem zu entziehen.
Was ist die Rolle von Theater heute?
Das ist schwer zu beantworten, denn ich kann keine Verallgemeinerung auf diese Frage anbieten. Ich denke, Theater kann sehr vieles sein. Es ist eine Kunstform, die sich in ihrem Wesen um das gleichzeitige Zusammensein von Körpern dreht. Das ist es, was Theater von Film oder Fernsehen oder auch einem Museumsbesuch unterscheidet. Zwar gibt es auch dort das Erlebnis des Miteinanders, das ist dann aber eher ein Nebenprodukt, während es im Theater die Hauptzutat ist. Selbst wenn wir im Dunkeln sitzen und in eine Richtung schauen, ist da eine Situation, die anderen zu fühlen, während du Körpern auf der Bühne zuschaust, und gleichzeitig komplett irritiert davon sein kannst. Solche Theatererfahrungen sind meine liebsten – im Prinzip wieder zum Baby zu werden und bei etwas zuzuschauen, ohne Worte dafür zu haben, was genau es ist.
Unsere Welt ist in einem Zustand von Umbruch und Unsicherheiten – inwieweit sollte Theater darauf reagieren?
Ich denke, es wäre eine ziemlich dumme Idee zu denken, dass Theater Meinungen, Haltungen oder Ansichten der Menschen beeinflussen könnte. Die Theaterinstitution hat meiner Meinung nach nichtsdestotrotz eine große Verantwortung dafür, gegenwärtige Fragen zu thematisieren. Ich denke, man muss die Sicht und Aufgabe von Künstler:innen von der Institution Theater unterscheiden.
Inwiefern?
Da gibt es unterschiedliche Verantwortlichkeiten. Eine Institution trägt Verantwortung für die Programmgestaltung und die Auswahl der dort arbeitenden Künstler:innen und auch dafür, wenn sie bestimmte Arbeiten zurückhält oder gar zensiert. Künstler:innen hingegen sollten frei sein in dem Sinne, dass sie nicht dafür verantwortlich sind, moralisch oder politisch korrekt zu sein. Es ist wichtig, dass Künstler:innen die Freiheit haben, Dinge zu hinterfragen, ohne dass von ihnen verlangt wird, auch direkt Antworten auf gesellschaftliche Fragen zu finden und zu liefern. Künstler:innen geben die Atmosphäre oder den Rahmen für eine Öffentlichkeit, sich mit diesen Fragen kritisch auseinanderzusetzen. Ich denke, Künstler:innen sind keine Politiker:innen, aber gleichzeitig ist es sehr wichtig und notwendig, als Künstler:in politisch zu agieren.
Du lebst in New York, in Brooklyn – wie involviert bist du dort in die Theaterszene oder -szenen?
Natürlich bin ich sehr involviert, schließlich lebe ich dort. Und es ist der Ort, wo ich angefangen habe, kreativ zu arbeiten. Ich bin dort in der Independent-Szene großgeworden – es gehört in Teilen zum Erbe der Downtown-Künstler:innen der späten Sechziger- und Siebziger-Jahre. Es hat sich dort komplett verändert, weil New York sich extrem verändert hat, besonders in finanziellen Fragen. Die Stadt ist teurer geworden, was es schwieriger macht, dort zu leben. Die Situation wird auch für Künstler:innen immer härter, in den USA gibt es keinerlei öffentliche Förderung für Theater. In Deutschland arbeite ich unter komplett anderen Bedingungen. Es ist eine sehr komfortable Situation hier im Vergleich zu dem Land, aus dem ich komme.
Wie beeinflussen die unterschiedlichen Umstände die künstlerische Arbeit selbst?
Ich bin noch dabei, das herauszufinden. Ich arbeite noch nicht so lang als Künstler:in in Deutschland. Ich denke, wenn ich hier arbeite, kann ich eine größere Fantasie haben, weil die Ressourcen der Theaterfinanzierung ergiebiger sind. In Deutschland gibt es eine starke Unterstützung von Theatern durch den Staat, wie ich es jetzt auch bei meiner Arbeit in Berlin erlebt habe – das erlaubt es den Künstler:innen, auch ästhetisch abenteuerlicher zu arbeiten. In Deutschland ist das Publikum interessierter an ästhetischer Vielfalt. In den USA muss alles kommerzieller gedacht werden, ein Projekt muss immer Geld verdienen, um seine Daseinsberechtigung zu beweisen.
Gibt es in der New Yorker Theaterwelt aktuelle Trends, was Themen betrifft?
Ich denke, es ist ähnlich in der Beschäftigung mit Fragestellungen, die auch hier aktuell auftauchen. Auf politischer Ebene ist Identität zunehmend ein Thema, das vor allem für Autor:innen wichtig ist. Außerdem die Sichtbarkeit marginalisierter Gruppen und damit verbunden auch zu hinterfragen, wer eigentlich die Entscheidungen getroffen hat, wer diese Sichtbarkeit bekommt – auch historisch.
Welchen Eindruck macht die Stadt Wiesbaden auf dich?
So viel konnte ich von der Stadt leider nicht sehen, da mir eine Deadline im Nacken sitzt. Aber ich habe mir Doris Uhlichs Stück „Habitat“ am Eröffnungswochenende angeschaut, ein großartiges Stück. Es ging um den Tanz, aber auch um das Publikum, es hat mir eine erste Idee davon gegeben, was Wiesbaden sein kann. Nicht nur, weil viele der nackten Tänzer:innen aus Wiesbaden und Umgebung kommen, sondern auch, weil man in dem Stück das Publikum genauso beobachten kann wie die Tänzer:innen selbst. Es ist sicher für die neue Intendanz eine tolle Herausforderung, all die neuen Ideen in Zusammenklang mit diesen historischen, wunderschönen Gebäuden zu bringen. Ich habe auf Instagram einen Joke gemacht: Kaiser Wilhelm wäre wohl ganz schön angepisst, dass mein Stück hier auf die Bühne kommt (lacht).
Welche drei Plätze müssen New York-Reisende unbedingt besuchen?
Eine ganz wichtige Erfahrung ist es, im East Village umherzustreunen. Hier waren viele der prägenden New Yorker Dichter:innen, Choreograph:innen und Denker:innen unterwegs und hingen hier ab. Ein Tipp ist „The Poetry Project“ in der St. Mark´s Kirche. Man sollte sich unbedingt Performances in den eher unbekannten Theatern und Kunstorten anschauen – nicht nur, um die Künstler:innen dort, die selbst für ihre Produktionskosten aufkommen müssen, zu unterstützen, sondern auch, um neue ästhetische Entwicklungen und Ideen zu entdecken. Ich selbst lebe in Brooklyn in Sunset Park – das ist eine besondere Nachbarschaft, in der historisch bedingt vor allem Immigrant:innen aus China und Mexiko sowie Juden:Jüdinnen leben – das ist eine sehr interessante Mischung.
Was erwartest, hoffst oder befürchtest du von den Präsidentschaftswahlen am 5. November?
Aus meiner persönlichen Sicht handelt es sich bei dem kompletten politischen System der USA um Theater. Im Prinzip haben wir es mit zwei Performer:innen zu tun, die sich ideologisch näherstehen als wir es uns selbst eingestehen wollen. Und diese beiden performen eine Art „Dialog“, bei dem es sich nicht wirklich um einen Dialog handelt. Wir haben es mit einem Zwei-Parteien-System zu tun, in dem die Diskussionen nicht wirklich auf konkrete Ideen heruntergebrochen werden. Es ähnelt mehr und mehr der Unterstützung für gegnerische Sportteams, von denen man vielleicht schon mal von den Eltern gehört hat, aber nicht angeregt wird, eigene kritische Gedanken zu formulieren. Für mich sind beide zutiefst (xxx – HIER HABE ICH DAS WORT NICHT VERSTANDEN – etwas wie „float“ ??) – eine weniger als der andere – ich muss nicht sagen, wer wer ist . Es ist eine sehr traurige und erbärmliche Position, in der wir uns entscheiden müssen, wer von beiden das geringere Übel ist.
Was sind deine nächsten Projekte?
Im November wird eine neue Arbeit von mir Premiere in New York haben – mein Off-Broadway-Debut als Regisseur:in, ein wirklich wundervolles Stück, das ich über mehrere Jahre zusammen mit Francesca D´Uva, eine sehr besondere Performancekünstlerin und experimentelle Comedienne, entwickelt habe, die auch mit Musik arbeitet. „This is my Favorite Song“ feiert am 24. November Premiere im Theater Playwright´s Horizon. Und ich arbeite an meinem Langfilm – zusätzlich zu meiner Tätigkeit als Theaterregisseur:in und –autor:in bin ich auch Filmemacher:in. Außerdem ist sehr aufregend: „Double Serpent“ wird als Buch im kommenden Frühjahrsprogramm im Suhrkamp Verlag in der Reihe Suhrkamp Theater erscheinen.