Von Maximilian Wegener (Text und Fotos)
„Tell me what has become of my life
I have a wife and two children who love me
I am the victim of police brutality, now
I’m tired of bein‘ the victim of hate“
Zu diesen legendären Songzeilen von Michael Jackson startete am Samstagnachmittag die zweite „Silent Demo“ gegen Rassismus, Diskriminierung von People of Colour und für die Opfer von Polizeigewalt weltweit – diesmal nicht stationär auf dem Luisenplatz wie die erste Demo, sondern als Protestmarsch vom Bahnhof bis zum Dern’schen Gelände.
Der eigentlich geplante Beginn um 15 Uhr musste nach hinten verschoben werden, weil die Demo-Route länger als geplant durch die vorhergehende Motorrad-Demo mit rund 7500 Teilnehmer*innen blockiert war. Aus demselben Grund hatten es viele Demo-Teilnehmer auch schwer, überhaupt bis zum Sammelpunkt vor dem Hauptbahnhof durchzukommen. Um etwa 15.30 Uhr konnte es dann aber losgehen.
Friedlicher Protestmarsch durch die Innenstadt
Die Demo fand wie beim ersten Mal am 6. Juni erneut zeitgleich bundesweit in verschiedenen Städten statt. In Wiesbaden zogen die Demonstranten vom Hauptbahnhof durch die Bahnhofstraße, die Rheinstraße hinauf, die Schwalbacher Straße entlang zum Michelsberg, durch die Coulinstraße und schließlich über die Webergasse und Wilhelmstraße auf das Dern’sche Gelände. Dort fand auf den Stufen über dem Stadtmuseum die Abschlusskundgebung statt.
Gleich zweimal hielt der Demozug auf der Route zum Gedenken an den von Polizisten in Minneapolis getöteten Afroamerikaner George Floyd und alle Opfer von Polizeigewalt. Rund 2 Minuten knieten die Demonstranten mit erhobener Faust – symbolisch für die 8 Minuten und 46 Sekunden, die am 25. Mai in Minneapolis der weiße Polizist Derek Chauvin sein Knie in den Nacken von Floyd gepresst hatte, bis dieser schließlich erstickt war.
Bemerkenswert ist, dass die Demo an mehreren Stellen nicht oder nicht vollständig vom Verkehr getrennt wurde. Auf der Wilhelmstraße etwa kam der Gegenverkehr den Demonstranten auf der Straße so nah entgegen, dass man die Autos hätte mit der Hand berühren können.
„Es ist ein Privileg, Rassismus erst recherchieren zu müssen, um ihn zu begreifen!“
Insgesamt elf Redebeiträge, mit mehr als einer Stunde Redezeit, bildeten den Abschluss der Veranstaltung. Die Botschaft der überwiegend jungen Redner*innen, viele davon unmittelbar von Rassismus betroffene People of Colour: „Rassismus existiert auch hier in Deutschland, mitten unter uns, und er betrifft viele Mitmenschen – jeden Tag, im Alltag und in jedem Lebensbereich.“ Auch die tiefen historischen Wurzeln des Rassismus in Deutschland kamen zur Sprache. Der allgemeine Appell: Rassismus auch für die sichtbar machen, die selbst nicht davon betroffen sind, und ein Bewusstsein für die eigenen Privilegien zu schaffen, diese zu hinterfragen und eine Verantwortung daraus ableiten, sich einzusetzen. Jeder Einzelne sei in der Pflicht, zu handeln und sich gegen Rassismus und Diskriminierung stark zu machen.
„Nicht bloß ein Trend!“ – Weitere Aktionen angekündigt
Polizei und Organisatoren gingen von rund 600 Teilnehmern aus – etwa 400 weniger, als die Veranstalter bei der ersten Demo gezählt hatten. Mit-Organisatorin Grace zog ein durchwachsenes Fazit: „Wir hätten uns gewünscht, dass mehr Leute gekommen wären. Aber es ist gut, dass so viele bis zum Schluss geblieben sind.“ Vor allem sei wichtig, am Ball zu bleiben. „Black Lives Matter“ sei kein politischer Trend, den man nach ein paar Wochen wieder vergessen könne: „Für uns Betroffene geht es immer weiter! “
Eine dritte Silent Demo ist noch nicht konkret angekündigt – es werde aber auch in Wiesbaden definitiv weitere Aktionen und Projekte geben. Auch werde man, so die Organisatoren, demnächst für die Silent Demos spenden können.
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sensor-Bildergalerie von der Silent Demo am 4.7. in Wiesbaden mit Fotos von Maximilian Wegener: