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Salzbachtalbrücke: Erste freie Fahrten, Taxi-Zuschuss, Studien – und OB macht Druck in Sachen Brückenneubau

Fünf Wochen nach der Sprengung steht die im Zuge der Schäden an der Salzbachtalbrücke gesperrte Bundesstraße B 263 den Verkehrsteilnehmern nebst Radweg in Fahrtrichtung Wiesbaden Stadtmitte wieder zur Verfügung. Heute gaben OB Gert-Uwe Mende, Verkehrsdezernent Andreas Kowol und Vertreter der Autobahn AG und Hessen Mobil den Abschnitt frei. Und wie geht es sonst weiter?

Voraussichtlich am Donnerstag, 16. Dezember, kann auch der Verkehr in Fahrtrichtung Amöneburger Kreisel / Darmstadt wieder fließen. Dies teilte die für die Arbeiten an der A 66 Salzbachtalbrücke und die Instandsetzung der B263 sowie des Radweges verantwortliche Niederlassung West der Autobahn GmbH heute in Wiesbaden mit.

Der Bahnverkehr am Hauptbahnhof Wiesbaden soll wie berichtet ab 22. Dezember wieder starten.

Der OB nutzte die heutige Gelegenheit, um Druck in Sachen Brückenneubau zu machen. „Nun muss die Autobahn GmbH auch die weiteren Zeitpläne mit dem gleichen Nachdruck verfolgen, damit zügig die Südbrücke neu errichtet wird und die Autobahn wieder befahrbar ist“, sagte Mende. Erst damit könne Normalität einkehren. Die Freigabe der Bundesstraße sei nach der Sprengung nur der erste Schritt zu einer Teilentlastung für den Verkehr. Das ist auch Matthias Hannappel, Leiter des Geschäftsbereichs Bau und Erhaltung in der Niederlassung West der Autobahn GmbH, klar. Er kündigte an: „Jetzt geht es direkt an die Arbeiten zum Neubau des südlichen Brückenbauwerks (FR Frankfurt). Unser Ziel ist es Ende des 1. Quartals im neuen Jahr den Bauzeitenplan vorstellen zu können“.

Weihnachtswunsch des OBs: Dieses Tempo beibehalten

In seinem heute veröffentlichten Weihnachtsgruß schreibt OB Mende zur Situation Stand heute und den Aussichten und Ausblicken: „Es sind leider nur die ersten Schritte hin zur Normalität, denn die Salzbachtalbrücke selbst muss ja erst neu gebaut werden, um den Hauptverkehr auf der A66 wieder aufzunehmen. Mein dringender Wunsch ist, dass die Autobahn GmbH das Projekt mit allen Mitteln und größtem Nachdruck verfolgt, damit 2023 das erste der beiden geplanten Bauwerke das Tal überspannt und der Verkehr dort fließt. Bei allem Ärger und Unglück über die Salzbachtalbrücke: Von der Sprengung bis zur Freigabe von Bundesstraße und Bahn ist vieles schnell realisiert worden. Dieses Tempo bitte beibehalten!“

Stadt subventioniert ab heute Salzbachtalbrücken-Taxi

Weil die Sperrung der wichtigsten Schienenverbindungen zum Wiesbadener Hauptbahnhof auch den Bahn-Fahrgästen in der Stadt sehr viel abverlangt, gibt es heute das „Salzbachtalbrücken-Taxi“. Die Landeshauptstadt Wiesbaden wird daher Taxifahrten im Rahmen eines Pilotprojekts bis zum Tag der Wiedereröffnung der Schienenverbindungen auf den Strecken zwischen den Vorortbahnhöfen Wiesbaden Ost beziehungsweise Biebrich und den Haltestellen Wiesbaden Hauptbahnhof, Platz der Deutschen Einheit beziehungsweise Dern‘sches Gelände bezuschussen. Momentan sei davon auszugehen, dass das Pilotprojekt in der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember endet.

Ein Sonderpreis von drei beziehungsweise vier Euro gilt immer dann, wenn ein Weg in direktem Zusammenhang mit einer Bahnfahrt steht. Er gilt also für alle ÖPNV-Fahrgäste, die an den Bahnhöfen Wiesbaden Ost oder Biebrich in beziehungsweise von S-Bahnen und Regionalbahnen umsteigen. Darum muss vor Beginn einer Taxifahrt auch immer ein gültiges ÖPNV-Ticket für das Wiesbadener Stadtgebiet vorgezeigt werden. „Bis die Bahnen endlich wieder alle zum Hauptbahnhof fahren, möchten wir den Bahn-Fahrgästen gerade in der oft stressigen Vorweihnachtszeit etwas Zeit und Komfort zurückgeben und dabei gleichzeitig wichtige Erfahrungen für die Weiterentwicklung des ÖPNVs gewinnen“, erklärt Verkehrsdezernent Andreas Kowol. Da von der Stadt nicht gewährleistet werden kann, dass alle Wiesbadener Taxiunternehmen an diesem Projekt teilnehmen, wird Fahrgästen empfohlen, sich zunächst telefonisch bei einer Taxizentrale oder einem Taxiunternehmen zu erkundigen, ob zum gewählten Zeitpunkt eine Fahrt im Rahmen des Pilotprojektes „Salzbachtalbrücken-Taxi“ möglich ist.

Neben einer temporären Attraktivitätssteigerung für den Wiesbadener Nahverkehr verspricht sich das Verkehrsdezernat von diesem Pilotprojekt wichtige Erkenntnisse über die Nachfrage von zusätzlichen, ergänzenden Verkehrsangeboten zur Personenbeförderung in Wiesbaden.  Diese könnten auch aus Frankfurt kommen.

Frankfurter Hochschule legt Salzbachtalbrücken-Studie vor

Die Situation rund um die Salzbachtalbrücke hat Prof. Dr.-Ing. Petra K. Schäfer, Professorin für Verkehrsplanung am Fachbereich Architektur, Bauingenieurwesen, Geomatik der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS), zum Anlass für eine verkehrswissenschaftliche Studie genommen. Ziel war es, die Veränderungen im Mobilitätsverhalten zu evaluieren, die durch dieses Ereignis hervorgerufen wurden und werden: Wie sind die Menschen vor der Sperrung unterwegs gewesen? Welche Änderungen haben sich durch die Verkehrsbehinderungen ergeben? Wie planen die Menschen künftig ihre täglichen Wege zurückzulegen?

Ergebnis: Eine große Anzahl an Personen musste ihre Wege und teilweise die genutzten Verkehrsmittel ändern. Die durchschnittliche Fahrzeit ist sowohl für den Hinweg als auch für den Rückweg um 50 Prozent angestiegen. Das Team des Research Lab for Urban Transport (ReLUT) an der Frankfurt UAS um Schäfer entwickelte eine Online-Befragung, an der insgesamt mehr als 1.300 Menschen aus dem Rhein-Main-Gebiet teilgenommen haben.  Als Hauptzweck der Fortbewegung wurde bei den ausgewerteten, nicht repräsentativen 1100 Datensätzen  die Fahrt zum Arbeitsplatz angegeben (68 %). Auf Dienstfahrten entfielen 10 %, auf Einkaufsfahrten 5 %, auf Fahrten zu Bildungseinrichtungen 3 % und auf sonstige Fahrten 13 %.

Fahrtzeiten während Sprengung um 50% angestiegen

Das Mobilitätsverhalten ist bei fast 70 Prozent der befragten Personen direkt betroffen, da sie normalerweise über die Salzbachtalbrücke, über die Mainzer Straße oder zum Hauptbahnhof Wiesbaden fuhren. 25 Prozent der Befragten sind indirekt betroffen, da durch die Sperrung mehr Verkehr auf ihren Strecken herrscht. Die restlichen fünf Prozent sind nicht von der Sperrung betroffen.  Von den befragten Personen wurden vor der Sperrung am häufigsten die Salzbachtalbrücke (A66) und der Hauptbahnhof genutzt. Während der Sperrung hingegen werden am häufigsten die Berliner Straße und andere Wege genutzt, z.B. indem Wiesbaden über unterschiedliche Wege umfahren wird. Die durchschnittliche Fahrzeit ist sowohl für den Hinweg als auch für den Rückweg um 50 Prozent angestiegen.

Rund 60 Prozent der Befragten gaben an, keine Alternativen zu nutzen, um die Sperrung zu kompensieren, größtenteils, weil sie es nicht konnten oder wollten, teilweise aber auch, weil es nicht notwendig war. Die Personen, die angaben, Alternativen zu nutzen, kompensieren die Sperrung größtenteils durch die Arbeit im Homeoffice.

„Insgesamt zeigten sich die befragten Personen weniger zufrieden mit den von ihnen während der Sperrung genutzten Verkehrsmitteln. Nur sieben Prozent aller Befragten planen, ihr geändertes Mobilitätsverhalten beizubehalten oder zukünftig ganz anders unterwegs zu sein“, fasst Schäfer zusammen.

Betroffene unzureichend informiert

Bezüglich der Informationslage im Straßen- und Öffentlichen Verkehr zeigte sich, dass sich die Befragungsteilnehmer:innen zunächst nicht ausreichend informiert fühlten. Dies änderte sich im weiteren Verlauf der Sperrung. Als Informationsquelle wurde von den meisten Personen das Internet verwendet, gefolgt von Social Media, Radio, Zeitung/Printmedien sowie Freunde, Verwandte und Kolleginnen und Kollegen. Am stärksten vermisst wurden Informationen über Alternativrouten und Umleitungen sowie Fahrplanänderungen und Zugausfälle.

Der gesamte Bericht zur Befragung kann unter www.relut.de eingesehen werden.

IHK ermittelt: Brückenausfall kostet täglich mindestens 350.000 Euro

Der Ausfall der Salzbachtalbrücke verursacht Kosten in Höhe von mindestens 350.000 Euro täglich. Das haben Berechnungen der IHK Wiesbaden ergeben. Nach dem Brückenkollaps im Juni hatten sich die Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern Wiesbaden und Rheinhessen zum „Brückenschlag der Wirtschaft“ zusammengeschlossen und eine Resolution zur Mobilität in der Region verabschiedet. Seitdem stehen die Kammern zu den weiteren Entwicklungen im Austausch. In diesem Kontext ist auch die aktuelle Berechnung entstanden. Dr. Christian Gastl, Präsident der IHK Wiesbaden, zum gemeinsamen Ziel der Kammern:  „Die Brückensprengung war ein wichtiger Zwischenschritt zum Neubau, doch weiterhin müssen unsere Mitglieder Tag für die Tag die Versäumnisse der Verkehrsplanung ausbaden. Täglich geht wertvolle Zeit in Staus und auf
Umleitungsstrecken verloren. Um uns ein genaueres Bild vom wirtschaftlichen Schaden machen zu können, haben
wir nachgerechnet“.

Die tatsächlichen Kosten dürften weit höher liegen. Denn die Berechnungen beziehen sich nur auf die rund 80.000 Fahrzeuge, die die Brücke laut Straßenverkehrszählung der Bundesanstalt für Straßenwesen täglich passiert haben. Die Sperrung der Brücke wirkt sich jedoch auf eine deutlich größere Anzahl an Pendler:innen – nicht zuletzt durch den Ausfall des Hauptbahnhofs – aus, die sich jedoch nicht seriös beziffern lässt. Auch individuelle Umsatzeinbußen und der Verlust an Produktivität bei den Unternehmen, zusätzliche Belastungen von Verkehrsinfrastrukturen, Umwelt- und Gesundheitskosten sind nicht in die Berechnung eingeflossen. Bis zur geplanten Neueröffnung des südlichen Brückenteils bis Ende März 2023 werden sich laut Gastl die Gesamtkosten bereits auf über 190 Mio. Euro summiert haben.

Handwerkspräsident mahnt: Gewerbeverkehr im Blick behalten

Stefan Füll, Präsident der Handwerkskammer Wiesbaden, schildert die Perspektive des Handwerks: „Gerade auch das kleinbetriebliche Handwerk ist auf eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur zwingend angewiesen. Bei allen Überlegungen zu modernen Mobilitätskonzepten und dem Ausbau des ÖPNV darf die Bedeutung der Straßen für den Gewerbeverkehr nicht aus dem Blickfeld geraten. Der Ausfall der Salzbachtalbrücke führt uns dies gerade deutlich vor Augen.“  (Dirk Fellinghauer, Fotos Landeshauptstadt Wiesbaden/ U.Wolf/ Autobahn AG)