Von Mara Braun. Fotos Jason Sellers.
„Dieses Haus hat einfach Seele. Das mag ich so daran!“ Peer Koch bewegt den Arm durch die Luft, als wolle er die Außenwände des Kutscherhäuschens berühren. Die Bewegung bezieht auch alles mit ein, was um das Haus herum ist: den verwunschen wirkenden Garten voller Efeu, die Terrasse, den Himmel über Sonnenberg. Knapp zwei Jahre wohnt der kreativschaffende Künstler und Designer in seiner Räuberhöhle vor den Toren der Stadt. „Die Wohnung war ein Glücksfall.“ Wer das Grundstück durch das eiserne Hoftor betritt, lässt das Vorderhaus links liegen, um AUXPEER, so Kochs Künstlername, zu besuchen. Im Hof: die ehemalige Garage der Kutsche, für den passionierten Radfahrer eine Art ausgelagerte Riesenabstellkammer.
„Damit fahre ich ehrlich gesagt fast nie“, grinst er mit Blick auf ein Unicycle in der Ecke. Das Einrad war ein Geschenk seiner dänischen Mama, „weil ich so eins als Teenie hatte.“ Häufig unterwegs ist er auf dem Alltagsrad, das matschversprenkelt im Raum steht. Sein Häuschen selbst teilt Auxpeer mit einem Fixgear Bike und Kater „Louis Struppi Theo I. Prince de la Croix“. Der schwarze „Dominator“ ist ihm und seiner Lebensgefährtin im Urlaub zugelaufen und fängt mit Begeisterung Spielmäuse beim filigranen Luftsprung. Mit dem Bike, das weder Schaltung hat noch Bremse – gestoppt wird durch das so genannte Kontern – ist Peer Koch sowohl im Wiesbadener Umland auf Tour, als auch bei Rennen am Start. Die Liebe zum Fahrrad datiert zurück auf eine führerscheinlose Zeit Anfang 30. „Früher bin ich viel Board gefahren, irgendwie war das mit dem Bike eine Renaissance dessen. Seither bin ich wieder sportlich aktiv.“
Klein, hell und kreativ
Im unteren Wohnbereich hat Auxpeer sich das Arbeitszimmer eingerichtet, sein Schreibtisch ist umrahmt von eigenen Werken. Besonders auffällig: Die ruppigen Führer Trump und Putin als Wrestler, Angela Merkel im knappen Höschen als Ringrichterin, ebenso wie die Plakate für die Radweltmeisterschaft FIXED42 mit prägnantem Totenkopf, die er entworfen hat. „Mir sind klassische Gestaltungselemente wichtig“, sagt Koch, der mit Tusche ebenso selbstverständlich arbeitet wie am Computer. Wie ein Raumtrenner wirkt die halbhohe Glasvitrine, die beinahe überquillt mit „Kaijūs“. Die japanischen Monsterfiguren sind eine Leidenschaft des Künstlers, neben den ausgestellten bunten Gesellen lagern zig weitere sorgsam verpackt in Kisten.
An die gegenüberliegende offene Küche, hell wie das ganze Haus, schließt ein kleines Bad an, in dem Kater Louis Struppi schnurrend um sein Katzenklo streicht. Dann spaziert er voraus ins obere Geschoss, das durch eine steile Treppe erreicht wird. Die mündet in eine kleine Galerie. Durchs Fenster fällt das Licht der Frühlingssonne auf eine Reihe von Bildern, die mit spezieller Technik erstellt sind: „Als Hintergrund sind russische Kreuzworträtsel geklebt“, erläutert Koch. Deren Kästchen hat er mit Hauttönen ausgemalt, so entstehen ungewöhnliche Akte.
Bonsai fürs Alter
Im Schlafzimmer verweilen klassisches Ikea-Mobiliar und liebevolle Einzelstücke in friedlicher Koexistenz, der besondere Blickfang im Wohnzimmer sind die Skateboards, die an der Wand hängen. Deren ungewöhnlichen Stil hat der Kreative mit einer spannenden Technik erreicht: Die Originale sind aus den Steckern eines Steckbrettspiels gestaltet. Hier unterm Dach zieren berühmte Sportler wie Beckenbauer und Muhammad Ali die Boards als Drucke. Und was im Regal darunter zunächst anmutet wie das Handwerkszeug eines Chirurgen, ist in Wahrheit die Ausrüstung zur Bonsaipflege. „Im Moment beschäftige ich mich damit kaum, aber vielleicht kommt das im Alter wieder“, scherzt Koch, der in seiner Bikerclique mit 46 Jahren der älteste Aktive ist.
Mit den Jungs ist er demnächst bei der „Tour de Friends“ als Team am Start, ihr Name: Le Cog – ein Wortspiel aus dem französischen Hahn und dem Zahnkranz der Bikes. Gemeinsam geht es von München über die Alpen bis Venedig. „Da habe ich schon Respekt“, lacht der Biker, betont aber, bei dem Rennen gehe es mehr um den gemeinsamen Spaß als um Wettbewerb. Damit passt es, wie der Kater, die Kunst, das Kutscherhäuschen oder die Bonsaibäumchen, perfekt in Kochs Lebenskonzept: „Man muss sich Dingen zuwenden, die der Seele guttun.“