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Undercover-AfD-Pressesprecher, oder was? Wiesbadener CDU-Fraktionschef verwundert mit Mitteilung zum Streit zwischen Rechtspartei und Eintracht Frankfurt

Von Dirk Fellinghauer (Text und Archivfoto).

Normalerweise verschicken die Wiesbadener Rathaus-Fraktionen Pressemitteilungen zu Themen, die mit Wiesbaden zu tun haben. Macht ja auch Sinn. Schließlich sind es Wiesbadener Rathaus-Fraktionen. Und die mit ihrer eigenen Fraktion zu tun haben. Macht sowieso Sinn. Nun überrascht der CDU-Fraktionsvorsitzende Bernhard Lorenz zum Wochenende mit einer Pressemitteilung, die wenig Sinn macht. Weil sie rein gar nichts mit Wiesbaden zu tun hat. Und auch nichts mit seiner Fraktion. Weil sie ziemlich abstruse Zusammenhänge herstellt. Weil man sich fragt: Was soll das? Und warum macht er das – am Freitagnachmittag verschickt als „Pressemitteilung der CDU-Rathausfraktion Wiesbaden“ unter der Überschrift: „Bernhard Lorenz: AfD-Abgeordneten und Eintracht-Präsidenten mit gleichem Maß messen“?

Zum Einstieg wird verkündet, dass Lorenz die Äußerungen des AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier über den Sohn von Boris Becker, Noah Becker, kritisiere. Dass diese empörend seien, nicht in unsere Zeit gehören und die öffentliche Kritik daran vollauf berechtigt sei. Die AfD sei diesbezüglich in der Pflicht zu handeln. So weit, so richtig, schließlich war das Rassismus pur, aber wie gesagt eigentlich kein Thema für die Pressemitteilung einer Wiesbadener Rathaus-Fraktion. Die kleine 5-Zeilen-Ermahnung in Richtung AfD ist aber nur der galante Einstieg in einen etwa Din-A-4-seitigen Erguss, in dem der CDU-Mann die AfD und ihre Wähler in Schutz nimmt und verteidigt und stattdessen Eintracht-Frankfurt-Präsident Peter Fischer für seine sehr deutlichen Anti-AfD-Äußerungen angeht. Er benutzt Noah Becker als Vehikel, um ganz andere Botschaften loszuwerden. Der Wiesbadener Lokalpolitiker „erwartet von Eintracht Frankfurt als einem der großen Fußballvereine in der Region eine ebenso deutliche Reaktion auf die Äußerungen ihres Präsidenten Fischer wie sie die AfD angesichts der Äußerungen Maiers über Noah Becker gezeigt habe.“ Soso. Gar die Diskussion über einen Rückzug des Präsidenten verlangt Lorenz. Und erklärt ausführlich, dass die AfD ja nicht als verfassungsfeindlich eingestuft sei und schließlich parteiliche Ordnungsmaßnahmen gegen Björn Hocke eingeleitet habe.

Das Ganze liest sich so, dass dem unbedarften Leser Gedanken kommen wie: Wäre Donald Trump in der Lage, mehr als 140 Zeichen am Stück zu verfassen, könnte ungefähr ein solcher Text dabei herauskommen. Einfach mal drauf losgetippt und rausgehauen die Meldung – zack, ich habe gesprochen.

Und man fragt sich etwas ratlos: Aber warum?

Folgende Erklärungsmodelle, warum Bernhard Lorenz diese Pressemitteilung verfasst und dann auch noch abschickt hat, sind bisher im Rennen:

  • Ihm war langweilig.
  • Sein Account wurde gehackt.
  • Ihm fällt kein anderes Thema ein, um das sich die zweitgrößte Wiesbadener Rathaus-Fraktion zu kümmern hätte.
  • Er wurde in seiner Funktion als Rechtsanwalt von Robert Lambrou – der starke und maßgebliche Mann der Wiesbadener AfD, seit neuestem auch Sprecher der Hessen-AfD, hat als solcher Eintracht-Präsident Fischer angezeigt – mit dem Mandat in dieser Angelegenheit betraut.
  • Er wurde von Robert Lambrou – der starke und maßgebliche Mann der Wiesbadener AfD, seit neuestem auch Sprecher der Hessen-AfD, hat als solcher vielleicht nicht mehr so viel Zeit, Pressemitteilungen für die Wiesbadener AfD zu verfassen – als Undercover-AfD-Pressesprecher angeheuert.

Sonstige Ideen und Erklärungsversuche willkommen.

Zur Unterstützung bei der Auflösung des Mysteriums die Pressemitteilung im Wortlaut:

Bernhard Lorenz: AfD-Abgeordneten und Eintracht-Präsidenten mit gleichem Maß messen

„Der Vorsitzende der CDU-Rathausfraktion, Bernhard Lorenz, kritisiert die Äußerungen des AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier, der auf Twitter den Sohn von Boris Becker, Noah Becker, als „Halbneger“ bezeichnet hatte: „Die Äußerungen Maiers sind empörend und gehören nicht in unsere Zeit. Die öffentliche Kritik daran ist vollauf berechtigt“, so Lorenz. Lorenz sieht die AfD diesbezüglich in der Pflicht zu handeln.

„Die öffentliche Kritik an den Äußerungen des AfD-Bundestagsabgeordneten Maier wäre glaubwürdiger, wenn man sich ähnlich kritisch zu den Äußerungen des Präsidenten von Eintracht Frankfurt, Peter Fischer, über AfD-Wähler äußerte“, gibt Lorenz zu bedenken. „Im politischen Umgang mit dem AfD-Abgeordneten und dem Eintracht-Präsidenten sollte man mit dem gleichen Maß messen.“ Fischer hatte in verschiedenen Interviews erklärt, dass es sich nicht mit der Satzung des Vereins vertrage, AfD zu wählen, und dass niemand Mitglied bei Eintracht Frankfurt sein könne, der die AfD wählt. Lorenz hält solche pauschalen Diffamierungen für abwegig: „Das ist sachlich durch nichts gedeckt und indiskutabel. Im Unterschied zum AfD-Abgeordneten Maier, der sich umgehend von seinen Äußerungen distanziert hat, hat Eintracht-Präsident Fischer öffentlich sogar nachgelegt und erklärt‚ es gebe ‚für die braune Brut‘ und für ‚Nazis‘ keinen Platz bei Eintracht Frankfurt.“ Diese einfache Gleichsetzung von AfD, „brauner Brut“ und „Nazis“ kritisiert Lorenz. „Es gibt Standards, die man beachten muss. Eine von fachlichen Standards nicht gedeckte Herabsetzung von Menschen ist inakzeptabel – und zwar immer. So wie man nicht von ‚Halbnegern‘ spricht, verunglimpft man nicht die Wähler einer von den Verfassungsschutzbehörden nicht als verfassungsfeindlich eingestuften Partei als ‚braune Brut‘ und ‚Nazis‘. Das ist Unsinn.“

Lorenz erwartet von Eintracht Frankfurt als einem der großen Fußballvereine in der Region eine ebenso deutliche Reaktion auf die Äußerungen ihres Präsidenten Fischer wie sie die AfD angesichts der Äußerungen Maiers über Noah Becker gezeigt habe: „So wie in der AfD über einen Mandatsverzicht Maiers diskutiert wird, sollte bei Eintracht Frankfurt ein Rückzug des Präsidenten diskutiert werden, zumal dieser im Gegensatz zu Maier offensichtlich keinerlei Einsehen in die Fragwürdigkeit seiner Äußerungen zeigt.“

Lorenz erinnert daran, dass der AfD-Bundesvorstand parteiliche Ordnungsmaßnahmen gegen den Sprecher des AfD-Landesvorstands in Thüringen und Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Thüringischen Landtag, Björn Höcke, wegen dessen Äußerungen zur bundesdeutschen Erinnerungspolitik eingeleitet habe – und das, obwohl der Verfassungsschutz im rot-rot-grün regierten Thüringen die AfD derzeit nicht beobachtet. Auch der AfD-Landesverband Sachsen, dem Maier angehört, hatte schon einmal ein – inzwischen zurückgezogenes – Parteiausschlussverfahren gegen Maier wegen früherer Äußerungen angestrengt. In ihrer Gesamtheit, so Lorenz abschließend, werde die AfD von den Verfassungsschutzbehörden derzeit nicht als verfassungsfeindlich eingestuft. „Das kann in Zukunft anders sein, aber im Moment gibt es keine fachlichen Standards, die es rechtfertigten, AfD-Wähler als ‚braune Brut‘ und ‚Nazis‘ zu verunglimpfen.“

 

7 responses to “Undercover-AfD-Pressesprecher, oder was? Wiesbadener CDU-Fraktionschef verwundert mit Mitteilung zum Streit zwischen Rechtspartei und Eintracht Frankfurt

  1. Eine weitere Erklärung wäre :
    Lorenz versucht einen zukünftigen Koalitionspartner reinzuwaschen.
    Der Kreisverband der CDU Wiesbaden hatte sich ja schon dafür ausgesprochen, die AfD ins Bündnis für Demokratie Wiesbaden aufzunehmen.
    Was soll man noch gegen eine Partei sagen, die in so einem Bündnis sitzt ;-).

    Und nochmal zu Lorenz: Wer einen Naidoo hofiert, der vor Reichbürgern spricht und mit antisemitischen Metaphern spielt (im Song Marionetten), kann sich doch an die AfD entspannt ranschmeissen.

  2. Hier ist wieder ein Paradebeispiel dafür, wieso die Mainstream Medien zunehmend in die Kritik gerieten und Verkaufszahlen etablierter Blätter dauerhaft sinken. Das ist schlich tendenziös, meinungsmachend und und hat mit der Ethik eines Journalisten nichts mehr zu tun. Auch die Doppelstandards zwischen der „guten“ und „bösen“ Meinung zu gewissen Themen, wird mehr als sichtbar. Fordert jemand das gleiche Maß im Umgang zwischen der AfD und den anderen Parteien, muss sein Account gehackt worden sein oder als U-Boot tätig sein. Genau das ist einer der Gründe weshalb die AfD 3. stärkste Kraft wurde, wieso das Vertrauen zwischen Bürgern und Medien so erschüttert wie nie ist und warum immer mehr konservative bis Neu-Rechte Projekte entstehen. Die AfD ist weder verboten noch wird sie vom VS beobachtet. Die Alternative ist eine demokratisch völlig legitimierte Partei. Auch wird hier von den moralisch uns so Überlegenen kein Wort der Kritik laut, dass die letzte AfD Veranstaltung so massiv gestört wurde. Stellt euch mal vor , es wäre andersherum. Genau deswegen seid ihr Heuchler und Lügner. Das was in Deutschland herrscht ist ein sanfter Totalitarismus und eine Meinungsdiktatur. Wir sind angetreten, unzwar gegen euch alle. Ihr seid von gestern und wir sind von Morgen, ihr werdet euch noch wundern – was alles gehen wird

    1. Kurz zur Klarstellung, Herr S.: Der Grund für die Veröffentlichung unseres Beitrags ist die Tatsache, dass Herr Lorenz in seiner Funktion als Vorsitzender der CDU-Fraktion Wiesbaden eine Pressemitteilung verschickt, die a) nichts mit Wiesbaden zu tun hat und b) sich komplett mit einer anderen als der eigenen Partei beschäftigt und „für“ diese spricht. Dies ist ein in der Wiesbadener Kommunalpolitik äußerst außergewöhnlicher Vorgang und deshalb aus unserer Sicht bemerkens- und berichtenswert.

      1. Gehen Sie doch mal auf meine konkret ausführlich genannten Kritikpunkte ein! Dass Sie berichten ist völlig legitim und wurde zu keiner Zeit von meiner Seite in Frage gestellt.

  3. „Halbneger“ ist noch schlimmer als „Neger“ – wo leben wir denn, wenn das möglich ist, so etwas auszusprechen – das ist herabwürdigend und meiner nach verfassungsfeindlich.

  4. Malte S. Bestätigt mit seiner Positionierung „wir sind gegen euch alle“ den berechtigten Vorwurf einer antidemokratischen Haltung. Selber Toleranz für sich einfordern, aber alles was anders ist (oder kritisch einem gegenüber), angreifen. Hier spricht die typische Selbstgerechtigkeit und Doppelmoral der AfD.
    Meinungsfreiheit bedeutet übrigens auch, sein Gegenüber im Rahmen der Gesetze kritisieren zu können. Für die AfD und ihre Sympathisanten gilt aber: für sich in Anspruch zu nehmen, alles sagen zu dürfen. Aber wenn man selber kritisiert wird, fällt man in die Opferrolle und ruft Meinungsdiktatur.
    Da sucht man sich doch lieber die wohlgesonnenen rechten Medien, da findet man auch Bestätigung.

    Und noch was zum Thema Medien: wo steht, dass diese politisch neutral sein müssen. Man kann Medien sehr wohl politisch kategorisieren – von ihrer Ausrichtung her. Und das ist auch in Ordnung so. Man sollte sich nur nicht in die eigene Tasche lügen und behaupten, nur die Medien spiegelten die vermeintliche Wahrheit wieder, die einem ins Weltbild passt 😉

  5. Herr Lorenz sollte sein Anwalts-Mandat fuer den anscheinend hochrangigen AfD-Politiker R. Lambrou niederlegen, um eine Interessenkollision mit seinem Amt als CDU-Fraktionsvorsitzenden zu vermeiden.
    Der SENSOR-Bericht laesst befuerchten, dass Herr Lorenz Schwierigkeiten hat, die Bereiche sauber zu trennen.
    Hr. Lorenz ist mir in der Vergangenheit immer wieder durch seine, ich druecke mich mal ganz vorsichtig aus, „unbedachten“ Äußerungen aufgefallen. Der Wiesbadener Kurier musste des oefteren darueber berichten.
    Auch die Art u. Weise, wie Lorenz den damaligen, angesehenen Sozialplaner Clemens Altschiller angegangen ist, hat mich entsetzt.
    Damals hatte ich den Eindruck, der Mann hat sich nicht unter Kontrolle.

    P. Immendorf, Wiesbaden

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