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„Unter die Oberfläche“ – Der neue Intendant des Staatstheaters tritt seinen Dienst an

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Von Dirk Fellinghauer. Fotos  Karl und Monika Forsters / Dirk Fellinghauer.

Der neue Intendant ist angekommen in Wiesbaden. Und es scheint, als habe er seine neue Stadt bereits durchschaut. Als Stadt der zwei Seiten, Stadt der Widersprüche, Stadt mit den vielen Gesichtern. Das zeigt sich allein am Wohnort, den Uwe Eric Laufenberg gewählt hat: Biebrich. „Dort finde ich es ganz schön, es gibt den Rhein, das Schloss, aber auch Industrie und sehr viele Arbeiter. Da ist eine ganz andere Mischung als in der Innenstadt“, hat der Theatermann schnell festgestellt.

Das zeigt sich auch am Motto, das sich wie ein roter Faden durch die erse Spielzeit des 53-jährigen neuen Hausherrn zieht: „Die Träume der Armen – die Ängste der Reichen“. So heißt ein konkretes Rechercheprojekt über Wiesbaden(er) und mit Wiesbaden(ern), das Clemens Bechtel auf die Bühne bringt (Uraufführung 21. September). Es trifft aber auch die Grundtthematik der ersten Spielzeit insgesamt und der Eröffnungspremieren im Besonderen. Ob sein eigenes Dasein eher von Ängsten oder von Träumen bestimmt sei, wollen wir wissen.

Veränderung positiv besetzen

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„Die Verwirklichung von Träumen liegt mir näher, Ängste kenne ich eher nicht“, sinniert Laufenberg beim gemeinsamen Mittagessen im Restaurant „Martino Kitchen“ (eine kleine Portion Spaghetti Carbonara – „da hat man zumindest das Gefühl, man hätte etwas gegessen“), verweist aber auch auf den Nibelungen-„Siegfried“: „Keine Angst zu haben, kann auch ein Zeichen von Dummheit sein. Von daher sollte ich wohl besser nicht ganz angstfrei sein.“ Vor Wiesbaden, der Stadt seiner neuen Wirkungsstätte, hat er jedenfalls ganz offenbar keine Angst, sieht hier aber manche Herausforderung: Die Lust auf Veränderung, das hat er schon bemerkt, hält sich in dieser Stadt in Grenzen: „Mir begegnet hier häufig die Maxime, alles was sich verändert, ist schlecht. Die Vorstellung, dass Neues auch besser sein kann, ist bei manchen Wiesbadenern nicht gegeben.“ Mit seiner Arbeit will er es „schaffen, Veränderung positiv zu besetzen.“

Nun müssen Traditionalisten keineswegs befürchten, dass der neue Intendant allzu radikale Theaterideen mit nach Wiesbaden bringt. „Theater muss sein wie das Leben“, beschreibt er seine Philosophie eher allgemein, aber doch deutlich:“Theater muss sich nach allen Richtungen aufmachen, die Offenheit darf nie verloren gehen.“ Er versteht Theater als „lebendigen Organismus“ und beruhigt Skeptiker: „Man muss auch nicht alles neu machen“. So pflegt der ausgewiesene Musiktheaterfachmann auch bewusst und gerne Etabliertes im Opernrepertoire.

Der Chef inszeniert selbst – „Frau ohne Schatten“ zum Einstand

Er selbst inszeniert zum Einstand die Oper „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss (Premiere 12. September), die seit Jahrzehnten nicht mehr in Wiesbaden aufgeführt wurde. Veränderungen gibt es naturgemäß auch im Ensemble. Der Chef des Hauses wehrt sich aber dagegen, dass durch die Stadt geistert, er habe rücksichtslos alle rausgeschmissen. „Das stimmt einfach nicht“, reagiert er unüberhörbar verärgert: „Ein Drittel der Schauspieler haben wir übernommen, ein Drittel kenne ich von meinen bisherigen Stationen, ein Drittel ist ganz neu.“ Auch das Opernensemble habe er nicht, wie kolportiert werde, abgeschafft.

Im Ergebnis freut er sich über ein „starkes Ensemble“ mit „starker Energie“, das sich seinerseits auf den neuen Arbeitsort freue: „Das Interesse, nach Wiesbaden zu kommen, war groß“, berichtet er und singt gleich ein Loblied auf die neue Stadt: „Da gab es überhaupt keine Vorbehalte, hier hat niemand das Gefühl von Provinz.“ Ein gewisser Ruf Wiesbadens, wie etwa der einer „Stadt, in der immer Sonntagnachmittag ist“, ist dem weitgereisten Theatermenschen indes nicht entgangen und bringt ihn zum Schmunzeln.

Begehrte Plätze im Ensemble

Seinen begeisterten Eindruck vom Ensemble bestätigt uns einige Tage später die junge Schauspielerin Janina Schauer, die wir zufällig bei der Eröffnung der Bar „tante simone“ kennenlernen und mit ihr ins Gespräch kommen. Sie erzählt strahlend von einer fantastischen Stimmung im Ensemble, davon, dass sich alle total freuen auf Wiesbaden und von großartigen Kollegen, die unter einer riesigen Auswahl von Bewerbern sehr sorgfältig gecastet worden seien. Die 1986 in München geborene Schauspielerin, die nach ihrem Studium am Mozarteum in Salzburg schon bei den Salzburger Festspielen und am Schauspielhaus Zürich auf der Bühne stand und im Herbt im Frankfurt-„Tatort“ zu sehen sein wird, hat in Wiesbaden direkt eine große Rolle ergattert, in Ibsens „Baumeister Solness“ (Premiere 14. September).

Als den Traum, den er ich als Intendant in Wiesbaden erfüllen möchte, nennt er „ein volles Theater mit Besuchern, die glücklich sind über das, was sie sehen und auch heiß diskutieren.“ Was Theater nach seinem Verständnis nicht sein soll, ist ein Ort der oberflächlichen Unterhaltung: „Wer das sucht, ist woanders besser bedient als im Theater“, meint er und findet: „Pure Unterhaltung ist auch meistens leicht schal. Theater schafft andere Begegnungen, als einfach nur Spaß zu  haben“. Als Ort der echten Begegnung und Kommunikation sei Theater eine wichtige Stütze der Gesellschaft. Nun denn, Bühne frei für Uwe Eric Laufenberg und sein Hessisches Staatstheater Wiesbaden – übrigens mit per Indendantendekret saftig erhöhten Preisen für die „Reichen“ und einer 10-Euro-Preisbremse im 3. Rang für jene, die nicht so gut bei Kasse sind.

Lebenslauf/enberg: 11.12.1960 geboren in Porz. 1981-84 Schauspielstudium Folkwang-Hochschule Essen. Erstes Engagement Staatstheater Darmstadt. Weitere Stationen als Schauspieler und Regisseur: Schauspielhaus Köln, Schauspielhaus Zürich, Maxim-Gorki-Theater Berlin. Arbeiten als freier Schauspieler und Regisseur u.a. in Berlin, Düsseldorf, Genf, München, Peking. 2004-2009 Intendant Hans-Otto-Theater Potsdam. Ab 2009 Intendant Oper Köln. Vorzeitiges Ende der Zusammenarbeit nach Differenzen über finanzielle Ausstattung. 2013-15 Inszenierung „Der Ring des Nibelungen“ in Linz. Ab 2014/15 Intendant Hessisches Staatstheater Wiesbaden. Verheiratet, 1 Tocher, 1 Hund (Oscar – „nach Oscar Wilde“).

Eröffnungs-Fest-Tage: 11.9. – 18 Uhr Feierliche Eröffnung der Intendanz Uwe Eric Laufenbergs, 19.30 Uhr Premiere „Rein Gold“ von Elfriede Jelinek, Eröffnungsfeier im Anschluss in den Kolonnaden. 12.9. – 19 Uhr Premiere Oper „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss, Neuinszenierung von Uwe Eric Laufenberg, Premierenfeier im Anschluss im Foyer. 13.9. – 19.30 Uhr Premiere „Die Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht mit Musik von Kurt Weill, 22.00-2.00 Lange Foyer-Nacht. 14.9. – 11-19 Uhr Familienfest. 19.30 Uhr Premiere „Baumeister Solness“ von Henrik Ibsen.

www.staatstheater-wiesbaden.de