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„Vom ich zum wir“ – Sven Gerich fordert bei seiner Amtseinführung mehr Gemeinschaftsgefühl

Text und Fotos Magdalena Aue

Der Sieg war so überraschend wie knapp. Im März setzte sich Sven Gerich gegen den bestehenden Oberbürgermeister Dr. Helmut Müller durch. Gestern, fast vier Monate später, wurde bei einer Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung im Rathaus der Amtswechsel endlich offiziell vollzogen.

Dr. Helmut Müller verabschiedet sich
„Ich bitte alle Platz zu nehmen und das Rauchen einzustellen“, amüsiert folgten die geladenen Gäste, Politiker, Stadtverordnete, Ehrenbürger und Presseleute, gestern im Sitzungssaal gegen 16 Uhr der Bitte von Stadtverordnetenvorsteher Wolfgang Nickel. Im Festsaal des Rathauses konnten interessierte Bürgerinnen und Bürger, die Versammlung außerdem live mitverfolgen. Nach der Begrüßung aller Anwesenden resümierte Wolfgang Nickel noch ein Mal die Stichwahl am 10. März und betonte, dass „auch ein solches Ergebnis […] Ausdruck demokratischer Normalität“ sei. Nickel würdigte die Arbeit Dr. Helmut Müllers, der vor allem als „Finanzfachmann“ wahrgenommen wurde und dem es gelungen sei, den „Status quo“ der Stadt in Zeiten der Finanzkrise zu erhalten. Anschließend kamen Vertreter der Fraktionen zu Wort und lobten die Zusammenarbeit mit dem bisherigen Oberbürgermeister. Dabei äußerten Die Linke und Die Grünen auch Kritik, die jedoch stets von kollegialer Wertschätzung begleitet wurde. Auch unter den Geschenken für Dr. Müller gab es so manche politische Spitze. Den Gutschein über eine Dampflokfahrt, der aus einer roten Kappe und einer grünen Kelle bestand, kommentierte CDU-Fraktionsvorsitzender Bernhard Lorenz mit „das geht halt nur mit rot-grün“. Neben der Danksagungen für die Arbeit in seiner Amtszeit wurde Helmut Müllers Nachfolger, Sven Gerich, der in der ersten Reihe zusammen mit seinem Ehemann geduldig auf seinen Auftritt wartete, für seinen Erfolg bei der Wahl beglückwünscht.

Weniger ich, mehr wir
Nach der Verleihung der Bürgermedaille in Gold durfte Dr. Müller sich in das Goldene Buch der Landeshauptstadt Wiesbaden eintragen. Ein ehrwürdiger Moment für den scheidenden Oberbürgermeister, der in Zukunft die Geschäftsführung des Kulturfonds Rhein-Main übernimmt. Um ca. 17.45 Uhr durfte Sven Gerich endlich nach vorne treten. In einem wahren Blitzlichtregen erfolgte die Eidabnahme durch Wolfgang Nickel, die Überreichung der Ernennungsurkunde und die Übergabe der Amtskette. Unter dem Motto „vom ich zum wir“ setzte Gerich in seiner Antrittsrede auf starke bürgerliche Partizipation und Mitbestimmung, Integration und Gemeinsamkeit. Mit seinem Engagement für mehr Chancengleichheit in der Schulbildung, bessere Kinderbetreuung und der Entwicklung der Hochschule Rhein-Main, die er zu „Chefsache“ erklärte, präsentierte Sven Gerich einen weitsichtigen Blick in die Zukunft und erntete lang anhaltenden Beifall.
„Ein wahnsinniges Gefühl hier oben zu stehen“, verkündete der frisch gebackene Oberbürgermeister bei der anschließenden Bürgerfeier auf der Bühne im Rathaushof, wo ihn schon zahlreiche Besucher erwarteten, nur um gleich wieder in der Menge abzutauchen und Glückwünsche entgegenzunehmen. Bei Bier und Bretzel freuten, diskutierten und tanzten die Anwesenden zur großartigen Live-Musik der Band „Best-Age“. Euphorie und Hoffnung lag in der Luft. Für die kommenden sechs Jahre erwarten sich viele der befragten Besucher, dass Sven Gerich vor allem als junger OB „endlich alte Zöpfe abschneidet“.