Direkt zum Inhalt wechseln
|

AK Stadtkultur schlägt Alarm: Wiesbadens Kulturleben droht „Tod auf Raten“ – Demo am 28.9. vor dem Rathaus

Von Dirk Fellinghauer.

Nach dem Kulturbeirat (siehe Beitrag hier) schlägt angesichts drohender drastischer Kultur-Kürzungen im nächsten städtischen Doppelhaushalt auch der Arbeitskreis AK Stadtkultur – ein Zusammenschluss rund vierzig frei-gemeinnütziger Kulturträger in Wiesbaden – Alarm. Schon seit Wochen machen Wiesbadens soziale Einrichtungen mit der „Hände weg vom Sozialetat“-Kampagne auf die Lage in ihrem Bereich aufmerksam. Nun rufen die „Sozialen“ und die Kulturszene gemeinsam zu einer großen Demo auf.

Am Donnerstag, 28. September, machen soziale und kulturelle Einrichtungen gemeinsame Sache bei einer Demo im Schulterschluss im Vorfeld der Stadtverordnetenversammlung. Alle, denen Soziales und Kultur in unserer Stadt wichtig ist, sind aufgerufen zur Teilnahme um 15 Uhr auf dem Schlossplatz vor dem Rathaus.

Kultur macht Stadt lebendig und kreativ

„Verhindern Sie einen Kollaps des Wiesbadener Kulturlebens durch Kürzungen der städtischen Mittel im Kulturetat!“, lautet der vom AK Stadtkultur formulierte Appell an die Wiesbadener Stadtverordneten.  „Stadt ist Kultur!“ –  diese Devise des Deutschen Städtetages werde auch in Wiesbaden immer wieder beschworen, wenn es um die Rettung der Innenstadt geht. „Unsere Kultureinrichtungen tragen entscheidend dazu bei, dass Wiesbaden bei Einheimischen und Gästen der Stadt heute als lebendig und kreativ, als unterhaltend und anregend wahrgenommen wird“, heißt es in dem Appell – verbunden mit der Warnung: „Das könnte sich schon bald ändern“.

„Nein zu sozialer Spaltung und kultureller Verarmung“

„Ich neige nicht zu Übertreibungen und Panik-Attacken“, kommentiert Georg Habs vom Aktiven Museum Spiegelgasse für Deutsch-Jüdische Geschichte in Wiesbaden die Lage, „doch jetzt drohen dem Sozial- und Kulturbereich Millionen-Einsparungen, die wenig von dem übrig ließen,  was Wiesbaden zusammenhält, lebenswert und attraktiv macht.“ Die Demo am 28. September sei „die Gelegenheit, um deutlich Nein zu sozialer Spaltung und kultureller Verarmung sagen.“

„Jetzt drohen dem Sozial- und Kulturbereich Millionen-Einsparungen, die wenig von dem übrig ließen,  was Wiesbaden zusammenhält, lebenswert und attraktiv macht“, heißt es in dem Appell des AK Stadtkultur.

„Kürzungen wären nicht zu verkraften“

Die im Raum stehenden 20 % Kürzungen im Kulturhaushalt 2024/25 seien für die frei-gemeinnützigen Kulturbetriebe nicht zu verkraften, lautet die Warnung, verbunden mit dem Verweis auf die Bedeutung der Kultur für die heimische Wirtschaft, den sozialen Zusammenhalt und die Stadtentwicklung: „Wir sind ein tragender Teil der aktiven Zivilgesellschaft und stärken damit das demokratisch-geistige Klima der Stadt.“ Die Kürzungen bei den sogenannten „freiwilligen“ Leistungen könnten am Ende sogar weit höher ausfallen als die generellen 20%, erläutert AK Stadtkultur-Sprecherin Margarethe Goldmann – „es sei denn, die Stadtverordneten, die zum Kämmererentwurf bis zur Haushaltsverabschiedung Anträge einbringen können, wenden dieses Fiasko ab!“.

Bildquelle: anonym, frei nach den Guerilla Girls, www.guerrillagirls.com

Die Strukturen und die Arbeitsfähigkeit der Kulturträger seien auch seitens der Stadt durch die Corona-Pandemie getragen, worden, so dass kein Kulturträger aufgeben musste, erkennen die Verfasser:innen des Appells an. „Und das soll jetzt alles entwertet werden?“, fragen sie. Die Stadt habe 2020 einen Kulturentwicklungsplan beschlossen, in dem „Planungssicherheit“ ganz oben auf der Agenda steht. Noch im Frühjahr habe eine unabhängige, fachlich besetzte Jury allen Trägern nach Prüfung ihrer Anträge für den neuen Haushalt angemessene inhaltliche und finanzielle Überlegungen bescheinigt.

„Wollen Sie, dass junge Leute Wiesbaden den rücken kehren?“

Das Kulturamt habe seit Jahren neben den institutionellen Zuschüssen für große und kleine Kulturträger mit diversen Projektförderungen neue Initiativen vor allem auch junger und experimenteller Künstler:innen und Kulturschaffenden gefördert. „Wollen Sie, dass das alles verloren geht und junge Leute Wiesbaden den Rücken kehren?“, werden die Stadtverordneten gefragt und gleichzeitig aufgefordert: „Verhindern Sie Kürzungen im Kulturbereich – Erteilen Sie dem Ausbluten und dem Tod auf Raten der Wiesbadener Kulturlandschaft eine Absage – im Interesse unserer Stadt, unserer Jugend und unserer Zukunft!“

Wann wird wie entschieden?

Die Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung werden auf Haushaltsklausuren ab Mitte Oktober beraten, endgültig entscheiden wird die Stadtverordnetenversammlung nach der Beratung im Haupt- und Finanzausschuss vom 15. bis 17. November.

Der Kulturbeirat hat das Thema in seiner nächsten öffentlichen Sitzung am 4. Oktober um 19 Uhr im WiCoPop* – UPDATE – die Kulturbeiratssitzung wurde auf den 10. Oktober um 18.30 Uhr verschoben und findet voraussichtlich im Murnau-Filmhaus statt – auf der Tagesordnung.

Der Appell an die Wiesbadener Stadtverordneten des AK Stadtkultur im Wortlaut:

Sichern Sie die Zukunft der Wiesbadener Stadtkultur!
Verhindern Sie einen Kollaps des Wiesbadener Kulturlebens durch Kürzungen der städtischen Mittel im
Kulturetat!

»Stadt ist Kultur!« diese Devise des Deutschen Städtetages wird auch in Wiesbaden immer wieder beschworen, wenn es um die Rettung der Innenstadt geht. Wie viele Vorschläge haben wir dazu von allen Parteien in den letzten Monaten gehört.

Unsere Kultureinrichtungen tragen entscheidend dazu bei, dass Wiesbaden bei Einheimischen und Gästen der Stadt heute als lebendig und kreativ, als unterhaltend und anregend wahrgenommen wird. Das könnte sich schon bald ändern: 20% Kürzungen (Basis: Jahresabschluss 2022) im Kulturhaushalt 2024/25 sind für die frei-gemeinnützigen Kulturbetriebe nicht zu verkraften.

Fixkosten wie Mieten, Energie, Versicherungen, die einen beträchtlichen Teil der Betriebskosten ausmachen, müssen bezahlt werden – aber wo kann dann noch gespart werden? Das Geld wird nicht reichen, um Personal, Honorare und Gagen für Technik und Bühnenauftritte, für Eigenproduktionen und gastierende Künstler:innen zu bezahlen.

»Hülle ohne Fülle« – Häuser ohne Programm – wer kann das für die Zukunft Wiesbadens wollen? Wir stärken durch Attraktivität und Umwegrentabilität die heimische Wirtschaft, wir tragen zum sozialen Zusammenhalt bei, wir geben Bürger:innen eine öffentliche Stimme, wir generieren Ideen für die Zukunft der Stadtentwicklung, wir sind ein tragender Teil der aktiven Zivilgesellschaft und stärken damit das demokratisch-geistige Klima der Stadt.

Unser Engagement ist in Jahrzehnten, im Vertrauen auf die politischen Entscheidungen zur Etablierung einer vielfältigen Kulturlandschaft gewachsen. Unser kreatives Vermögen wurde und wird im Dialog und in der Kooperation mit vielen zivilgesellschaftlichen Partnern eingesetzt.

Die Strukturen und die Arbeitsfähigkeit der Kulturträger wurden auch seitens der Stadt durch die Corona-Pandemie getragen. So, dass kein Kulturträger aufgeben musste – und das soll jetzt alles entwertet werden?

Sie haben 2020 einen Kulturentwicklungsplan beschlossen, in dem »Planungssicherheit« ganz oben
auf der Agenda steht. Noch im Frühjahr dieses Jahres wurden alle Kulturträger aufgefordert, ihre Planungen 2027 darzulegen. Eine unabhängige, fachlich besetzte Jury bescheinigte allen Trägern angemessene inhaltliche und finanzielle Überlegungen. Ihnen liegt die Magistratsvorlage (Nr. 23 –V-41-001) vor. Darin sind das Votum des Kulturamts, der Jury sowie alle Anträge freier Kulturträger an den neuen Haushalt aufgelistet.

Das Kulturamt hat seit Jahren neben den institutionellen Zuschüssen für viele große und kleine Kulturträger mit diversen Projektförderungen neue Initiativen vor allem auch junger und experimenteller Künstler:innen und Kulturschaffenden gefördert. Wollen Sie, dass das alles verloren geht und junge Leute Wiesbaden den Rücken kehren?

Verhindern Sie Kürzungen im Kulturbereich – Erteilen Sie dem Ausbluten und dem Tod auf Raten der Wiesbadener Kulturlandschaft eine Absage – im Interesse unserer Stadt, unserer Jugend und unserer Zukunft!

Erstunterzeichner:innen:
Aktives Museum Spiegelgasse, ATELIER Römerberg , BBK – Bund Bildender Künstlerinnen und Künstler
Wiesbaden,Brentanos Erben, Burgfestspiele Sonnenberg, Caliban Literaturwerkstatt, Die Kunstwerker Wiesbaden, Die Kunst-Koffer kommen, Wiesbaden, EMMA&CO – die Theaterwerkstatt, Wiesbadener Fototage, exground filmfest, Filme im Schloss, frauen museum wiesbaden, Freies Theater Wiesbaden, Goj T-A-TR, ImPuls Theater, JazzArchitekt, Kammerspiele Wiesbaden, Kreativfabrik, Kulturpalast, Kunstverein Bellevue-Saal Wiesbaden, Künstlerverein Walkmühle, Kooperative New Jazz/ARTist, Kulturzentrum Schlachthof, kuenstlerhaus43, Friedrich-Wilhem-Murnau-Stiftung, Musiklehrernetzwerk 2.0, NKV Nassauischer Kunstverein Wiesbaden, Initiative Wiesbadener Medienzentrum, Schloss Freudenberg »Erfahrungsfeld der
Sinne« , Staatstheater Wiesbaden, Studio ZR6, Tage für Neue Musik, thalhaus theater Wiesbaden, Theater im Pariser Hof, Theater 3 D, Velvets Theater, Walhalla im Exil, Wiesbadener Schule für Schauspiel.