Von Dirk Fellinghauer (Text und Fotos). Offener Brief: Titus Grab.
Nach mehrfachen Verschiebungen steht fest: Die Franchisekette „backwerk“ baut, anders als ein Schild auf dem Platz es immer noch verkündet, nun doch kein Café auf dem Faulbrunnenplatz (Details siehe Wiesbadener-Kurier-„Plus“-Artikel). Damit wird ein fast vier Jahre alter Brief wieder topaktuell.
Seit 2010 macht sich die Stadt Gedanken über die Neugestaltung des Faulbrunnenplatzes, der seit Jahren nicht viel mehr als ein Treffpunkt der Trinkerszene ist.
Außer einer Bank, einem seit geraumer Zeit nicht funktionierenden, zugenieteten und vollgeschmierten Brunnen (Foto links) in einer eigens errichteten Natursteinstele und vermüllten Grünstreifen am Rand hat der Platz, um den herum durchaus große Frequenz herrscht, nicht viel zu bieten. Zum zehnjährigen Jubiläum der ersten Gedankenspiele ist nun der neueste Plan, neues Leben auf den Platz zu bringen, endgültig gescheitert.
Nachdem 2014 schon ein Investor abgesprungen war, hatte Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG)-Chef Andreas Guntrum 2016 stolz verkündet, die Franchisekette „backwerk“ würde nun ein Café dort bauen. Dieses Vorhaben verzögerte sich Jahr für Jahr, wurde mehrfach verschoben – nun hat „backwerk“ einen finalen Rückzieher gemacht.
Damit wird ein offener Brief wieder topaktuell, den der Wiesbadener Künstler Titus Grab am 17. November 2016 an den für das Thema Faulbrunnenplatz verantwortlichen SEG-Chef Guntrum geschrieben hatte. Damals kam er zu spät, jetzt könnten die „Denkt nochmal neu“-Gedanken genau die richtigen zum richtigen Zeitpunkt sein.
„Sehr geehrter Herr Guntrum,
Sie werden (in der Zeitung „Mensch Westend“) zitiert: „Wir haben nicht den Betreiber eines Cafés gesucht, sondern einen Investor.“ Sie haben ihn in der „backwerk“-Kette gefunden.
Sie machen den Bock hier in zentraler Stadtlage zum Gärtner. Diesem „Marktführer“ ist es nicht unwesentlich zuzuschreiben, dass lokale Bäckereien nicht mehr überlebens- geschweige denn investitionsfähig sind.
Mit dieser Entscheidung wird auf tragische Weise ein vollkommen verkehrtes Zeichen gesetzt!
Ich möchte es eine neoliberale Entgleisung nennen. Wenn es nicht einen (!) Investor geben konnte, was bei der (s.o.) traurigen Situation des Bäckerhandwerks wenig verwundern kann, frage ich Sie: Was hat Ihr Haus unternommen, um eine gemeinschaftliche Lösung mit vielen Bäckereien, der Innung, der Wirtschaftsförderung, neuen Geschäftsmodellen usw. zu finden? Zu einem einzigen Investor gäbe es viele Alternativen. – Und selbst, falls diese alle ausfallen, ist es ein Unding ausgerechnet diese Kette hier langfristig sich platzieren zu lassen.
Eine Überarbeitung der einmal gefassten Beschlüsse, hier ein „Café“ haben zu wollen, wäre aus meiner Sicht dann immer noch eine bessere Wahl.
Nun wird sich Wiesbadens Faulbrunnenplatz visionsfrei und entwicklungsresistent in den neoliberalen Mainstream aller deutscher Allerweltsinnenstädte einreihen – gelenkt von einer GmbH, die im Namen die „Entwicklung“ führt. – Dies ist lediglich „Abwicklung“. Bitter!“
Auch der Ortsbeirat Westend verfolgt die endlose Geschichte des Faulbrunnenplatzes tendenziell fassungslos. Ortsvorsteher Volker Wild bezeichnete die jüngsten Entwicklungen als „Dilettantismus in Reinkultur“, das Gremium schlägt – neben der Einrichtung einer öffentlichen, kostenlos zugänglichen Toilette, unabhängig vom Bau eines Cafés – eine übergangsweise Begrünung des Platzes und die Öffnung für Schausteller vor. Temporäre Bespielungen mit Gastronomie, aber auch mit Kultur, hat es in den letzten Jahren immer wieder gegeben. Die Chance!?